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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. November 2002; 14:09
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Prinzipielles:

> Ein Volk, ein Staat, eine Stimme

Aussenpolitik -- das Prinzip der nationalen Solidargemeinschaften an den
Beispielen Oesterreich und Irak

Als der Gottseibeiuns der oesterreichischen Innenpolitik wieder einmal im
Irak gewesen war und im Anschluss daran die Politik der oesterreichischen
Aussenministerium kritisierte, beleuchtete der grosse Vereinfacher ein
weiteres mal ein Thema, das ansonsten gern im Dunkeln gelassen wird -- was
ist das eigentlich: oesterreichische Aussenpolitik? Und wozu ist sie gut?

Unter "Aussenpolitik" werden im grossen und ganzen zwei Dinge verstanden.
Einerseits die Aussenpolitik-Abteilungen in den Medien und andererseits die
Diplomatie der Regierung. Miteinander haben diese beiden Begrifflichkeiten
kaum zu tun. Denn die Aussenpolitik-Berichterstatter beschaeftigen sich mit
der Politik in fremden Laendern und mit der Politik zwischen diesen.

Die Aussenpolitik einer Regierung versteht sich ganz anders: Als
Lobby-Arbeit im Sinne des eigenen Landes. Und hier stellt sich die Frage:
Was ist im Interesse des Landes? Die Prosperitaet der Unternehmerlobby?
Oesterreichische Staatsbesuche sind ja oft Anbahnungsunternehmungen fuer
"wirtschaftliche Kontakte". Aber sind das alle "Interessen des Landes"? Und
liegt das auch im Interesse und vor allem im Willen derjenigen, die diese
Regierung mit ihrer Wahlstimme ermoeglicht haben? Und haengt Aussenpolitik
ueberhaupt irgendwie von der innenpolitischen Richtung der Regierung ab?

Keine der vielen "Politiken" eines Landes stellt so auf eine postulierte
Gemeinschaft von Staat, Bevoelkerung und Regierung ab wie die Aussenpolitik.
Das Land, der souveraene Staat wird als Solidargemeinschaft gesehen, deren
legitime Vertretung die offizielle Aussenpolitik ist. Das vor allem, und
weniger der Wahlkampf oder gekraenkte Eitelkeit, duerfte der Grund fuer die
derartig empoerte Reaktion Ferrero-Waldner auf Haiders Konkurrenz-Diplomatie
sein. Denn er stellte damit -- bewusst oder unbewusst -- die Integritaet des
souveraenen Voelkerrechtssubjekts "Oesterreich" in Frage, da er von der
auslaendischen Diplomatie sehr wohl als Auch-Vertreter dieses Landes
verstanden wird -- immerhin hat er ja ein gerade in Oesterreich nicht zu
unterschaetzendes Amt als "Landesfuerst" inne. Damit aber spricht diese
"Volksgemeinschaft" nicht mehr mit einer Stimme; das Land erscheint als
unsicherer Kantonist.

Das Verstaendnis dieser Solidargemeinschaft laesst sich aber auch umgekehrt
am Irak darstellen. "Der Irak soll angegriffen werden", "George Bush will
Saddam Hussein angreifen" und dergleichen hoert man ueberall. Aber geh, kann
man da nur sagen: Bush wird sich eine Pistole schnappen und in den
irakischen Fuehrerbunker marschieren? Kaum, gemeint ist natuerlich, Bush
laesst von seinen Soldaten diesen Krieg fuehren und leiden wird darunter wie
in allen Kriegen die irakische Zivilbevoelkerung. Das wissen wir natuerlich,
aber mit der in der medialen Aufarbeitung gebraeuchlichen Sprache sind
"Saddam Hussein" (oder einfach nur "Saddam", das klingt so schoen
diabolisch), "der Irak" und die irakische Bevoelkerung eines. Man bejammert,
was fuer ein schlimmer Diktator der irakische Praesident doch sei, laesst
aber die irakische Bevoelkerung dafuer buessen, dass sie unter diesem
Diktator leidet. In der nationalen Solidargemeinschaft haften auch alle
solidarisch -- ob Mitglied der Staatspartei, politisch Verfolgter oder
Kleinbauernfamilie, die nichts anderes will, als in Ruhe leben zu duerfen.

Einmal abgesehen davon, dass es im Irak-Konflikt natuerlich um
Wirtschaftsinteressen geht, ist es interessant zu beobachten, wie diese
Auseinandersetzung in den offiziellen Aussenpolitiken thematisiert wird: Um
die Bedrohung anderer Staaten, seien es jetzt Kuwait, Israel oder vielleicht
auch Saudi-Arabien.

Die inneren Konflikte, die vielbeschworenen Menschenrechte, gibt es zwar
ausfuehrlichst in den Sonntagsreden, kaum aber im Selbstverstaendnis der
Diplomatie. Das erklaert auch -- trotz der Verdammung des Iraks -- das
Desinteresse an Geschehnissen wie Halabja, wo 1988 in einigen wenigen
Stunden rund 10.000 Kurden mit Giftgas getoetet wurden. Denn das ist eine
"innere Angelegenheit" und geht andere Staaten nichts an -- ebensowenig wie
andere Dinge, die dem europaeischen Verstaendnis von Menschenrechten
widersprechen (die Todesstrafe in den USA oder die Tschetschenienpolitik
Russlands oder das Verhalten der chinesischen Verwaltung in Tibet oder die
Zustaende in tuerkischen Gefaengnissen etc.). Aussenpolitik ist einfach nur
das Gespraech von Voelkerrechtssubjekten mit anderen Voelkerrechtssubjekten.

Zwar sind die Menschenrechte bisweilen Thema von politischen
Zeitungskommentaren und manchmal werden von Aussenpolitikern Pflichtuebungen
absolviert, weil die oeffentliche Meinung es gerne sieht, wenn man, aus
bestimmten Laendern nach Hause zurueckgekehrt sagt: ja, man habe auch die
Frage der Menschenrechte erwaehnt. Das hat dann allerdings auch nichts mehr
mit Aussenpolitik zu tun, sondern ist lediglich wohlfeiles innenpolitisches
Verhalten.

Manchmal wird von Aussenministern dann doch auch offensiv von
Menschenrechten gesprochen; dann naemlich, wenn es um das Land X geht, in
das man nicht faehrt, weil man sich dort nichts erwartet, aber man erklaeren
muss, warum man sich mit dem Land Y, von dem man sich sehr wohl etwas
erwartet und das mit dem Land X verfeindet ist, solidarisch in dieser
Feindschaft verhaelt. Aber auch das ist Innenpolitik -- gerade eben daran,
dass Ferrero-Waldner dies nur sehr selten tut, ist auch zu erkennen, dass
sie eine gewiefte Diplomatin, aber auf dem innenpolitischen Parkett nicht so
bewandert ist.

Aussenpolitik wird immer noch als reines Machtintrigenspiel gesehen, das im
Konkurrenzkampf der Staaten und nationalen Wirtschaften besteht. Von einem
internationalistischen Standpunkt ist derlei natuerlich unbefriedigend. Bei
aller Kritik am realpolitischen Verhalten Bruno Kreiskys auch in der
Aussenpolitik, ist es aber gerade in diesem Lichte zu sehen, dass der
SPOe-Exparteivorsitzende sich einstens gar so immens erregte, als seine
Partei der OeVP das Aussenressort ueberliess.

Oder anders formuliert: Aussenpolitik ist viel zu wichtig, als dass man sie
getrost den Diplomaten ueberlassen koennte... *Bernhard Redl*


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