ANMERKUNG und Nachtrag (Oktober 2011): Wir begruessen nun auch unsere neuhinzugekommenen Leser, die wir der Site "unzensuriert.at" verdanken. Wenn ihr mehr ueber unser wissen wollt, sei Euch auch die Startseite unserer Webpraesenz empfohlen: http://akin.mediaweb.at
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  akin-Pressedienst.
  Elektronische Teilwiedergabe der
  nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
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  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. Oktober 2002; 14:37
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  Nachfolgender Text von ERICH HACKL erschien kuerzlich im "Spektrum", der
  Beilage der "Presse". Da er sich auf ein Buch ueber die Herausgeberin der
  akin, die FOeJ, bezieht, drucken wir den Artikel komplett nach:
  
  > Von Vielleicht bis Hoffentlich
  
  Die Freie Oesterreichische Jugend: Eine Geschichte in Geschichten
  
  Der Fachterminus lautet graue Literatur. Ein Buch also ohne Verlag, ohne
  ausgewiesenen Erscheinungsort, ohne Handelsnummer, ohne Preisangabe. Aber
  sauber gesetzt, gut redigiert, 250 Seiten im Grossformat, vorne drauf die
  Initialen einer Organisation, die wenige kennen, obwohl sie - nach dem
  Vereinsrecht - immer noch existiert: FOeJ.
  
  Die Geschichte der Freien Oesterreichischen Jugend spiegelt ein Oesterreich,
  das im oeffentlichen Bewusstsein untergegangen ist. Offiziell gegruendet
  wurde sie am 16.Mai 1945 in einer Wiener Hauptschule als ueberparteiliche
  Vereinigung. "Die Jugend hat gemeinsame Interessen", heisst es im Manifest
  der 600 Gruendungsdelegierten. "Die Jugenderziehung soll nicht
  parteipolitisch, sondern oesterreichisch und antifaschistisch sein. Geeint
  sind wir stark!"
  
  Mit der beschworenen Einheit war es allerdings bald vorbei. Noch im Herbst
  desselben Jahres ging die SPOe daran, ihren eigenen Jugendverband
  wiederzubeleben, im Fruehjahr 1946 zogen sich auch christliche und
  parteilose Aktivisten zurueck. Die FOeJ wurde, auch wenn sie formal
  unabhaengig blieb, zu einer kommunistischen Teilorganisation.
  Selbstaendigkeit erlangte sie erst im Zuge der "Normalisierung" 1968/69,
  nachdem sich in der KPOe die Verfechter der Breschnew-Doktrin durchgesetzt
  hatten. Die Freie Oesterreichische Jugend war ebenso wenig wie der
  Intellektuellenzirkel um das "Tagebuch" und die "Gewerkschaftliche Einheit"
  bereit, die Kursaenderung der Partei mitzumachen. 1971 kandidierte sie im
  Wahlkreis Wien auf der Liste Offensiv links, spaeter engagierte sie sich in
  der Kampagne gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf. Sie hat die
  Alternativbewegung mitgetragen, die dann von den Gruenen aufgezehrt wurde.
  Von der ehemaligen Mutterpartei wurde die FOeJ noch jahrzehntelang
  angefeindet und totgeschwiegen. Die KJOe, die sie ersetzen sollte, fuehrt
  bis heute ein Schattendasein. Aber auch die Freie Oesterreichische Jugend -
  seit langem mit dem Zusatz "Bewegung fuer Sozialismus" - hat ihre
  Organisationsdichte eingebuesst. Geblieben ist ihr ein Buero in der Wiener
  Belvederegasse, eine Sommerkolonie am Neufeldersee und ein Informations- und
  Verlautbarungsorgan, die "Akin".
  
  Und da sind die Erinnerungen aelterer Maenner und Frauen, deren Jugendjahre
  von der FOeJ gepraegt worden sind. Einer von ihnen, der gelernte Feinoptiker
  Erich Makomaski, hat Ende der neunziger Jahre angefangen, sie zu sammeln.
  Unter den Befragten finden sich auffallend viele Arbeiter,
  Funktionaerskinder, Angehoerige von Widerstandskaempferinnen und
  Reemigranten. Bis auf den Gruender und langjaehrigen Leiter des Wiener
  Integrationsfonds, Max Koch, sind prominente FOeJler ausschliesslich auf
  kuenstlerischem und publizistischem Gebiet zu finden: der Maler Arik Brauer,
  die Schriftsteller Ernst Hinterberger, Thomas Rothschild und Robert
  Schindel, die Fotografin und Filmemacherin Lisl Ponger, der Rockmusiker
  Stefan Weber, der Regisseur und Autor Conny Hannes Meyer, der Schauspieler
  Otto Tausig, die Journalisten Kurt Langbein und Elizabeth T. Spira.
  Politische Karriere hat niemand gemacht. Schon allein deshalb laesst sich
  die Freie Oesterreichische Jugend mit keiner anderen parteipolitischen oder
  konfessionellen Nachwuchsorganisation vergleichen: Was immer man gegen die
  oesterreichischen Kommunisten einwenden mag, sie fuehlten sich einem Ideal
  verpflichtet, tappten deshalb nicht in die Falle des Erfolgs. Anders gesagt,
  der wuetende Antikommunismus liess es erst gar nicht zu, dass sie seinen
  Verlockungen erlagen.
  
  In Makomaskis Buch kommen mehrere Generationen zu Wort. Da er jedoch die
  Berichte weder nach Alter noch nach Wohnort geordnet hat, sich vielmehr ans
  Alphabet haelt, kommt ein Dialog ueber sechzig, siebzig Jahre zustande. Die
  aeltesten Informanten berichten ja auch ueber ihre Kindheit in der Ersten
  Republik, ueber ihre Eltern, den Widerstand in den Jahren des Naziterrors.
  Die FOeJ wurde nicht nur aus taktischem Kalkuel als ueberparteiliche
  Organisation gegruendet; entscheidend war der Wunsch, die politische
  Zersplitterung der dreissiger Jahre zu vermeiden. "Nach den Erfahrungen der
  Vorkriegsperiode war es bestimmt zukunftweisend, die Jugend nicht durch
  Parteigrenzen zu stigmatisieren", schreibt Heinz Badner. Einen Vorlaeufer
  der FOeJ hatte es im uebrigen schon im britischen Exil gegeben: das Young
  Austria, dem rund 2.000 junge Oesterreicher angehoerten, die - wie Ilse
  Aschner feststellt - "alle entwurzelt waren, einen Rueckhalt brauchten und
  sich sozusagen eine Ersatzfamilie wuenschten". Zwischen den Funktionaeren
  des Young Austria, die bald nach 1945 zurueckkehrten, und den im Land
  gebliebenen, aus der Wehrmacht desertierten oder in Zuchthaeusern und
  Konzentrationslagern inhaftiert gewesenen Gruendungsmitgliedern kam es in
  der Folge zu Konflikten - die Widerstandskaempferin Helli Neuhaus erwaehnt
  sie, und von der anderen Seite auch Georg Breuer. "Ich hatte immer das
  Gefuehl, dass sich die Jugendfunktionaere aus England fuer gescheiter und
  besser hielten als wir", sagt Neuhaus, und Breuer meint selbstkritisch: "Wir
  kamen aus einer voellig anderen Welt und haben sicherlich nicht immer den
  richtigen Ton getroffen, um mit Jugendlichen zu sprechen, die unter der
  Hitlerherrschaft aufgewachsen waren."
  
  Immer noch oder wieder ist in Zusammenhang mit dem Kriegsende von
  Zusammenbruch die Rede. Hier in diesem Buch findet sich eine andere
  Einschaetzung. Hilde Fein zum Beispiel war als sogenannte Halbjuedin von
  allem Gemeinschaftsleben ausgeschlossen. "Fuer mich war daher die Befreiung
  1945 wirklich eine Befreiung. Als ich den ersten Russen auf einem Pferd
  ueber die Felder kommen sah und am Domturm in St.Poelten eine weisse Fahne
  wehte, lief ich zu meinem Vater und fragte: Sind wir jetzt auch wieder
  NORMALE Menschen? - Ja, jetzt ist es vorbei, antwortete er. Darum empfand
  ich die Russen (die Rote Armee) nicht als Feinde, sondern wirklich als
  Befreier." Es herrschte eine Aufbruchsstimmung, behauptet auch Margarete
  Cervenka. Dass sie nicht von allen geteilt wurde, ist noch kein Gegenbeweis.
  
  Die Anwesenheit sowjetischer Truppen wirkte sich auf die Freie
  Oesterreichische Jugend - und auch auf die KPOe - gegensaetzlich aus.
  Einerseits verhalf sie ihr in der Besatzungszone und in den USIA-Betrieben
  zu grossem Zulauf, andererseits wurden Vergewaltigung, Diebstahl,
  Menschenraub, Willkuerakt von seiten der Rotarmisten auch den
  oesterreichischen Kommunisten in Rechnung gestellt. Und die Fuehrung der
  FOeJ uebernahm im Kalten Krieg die Position der UdSSR: 1948 Stalins Bruch
  mit Tito-Jugoslawien, 1956 die Verurteilung des "konterrevolutionaeren"
  Aufstandes in Ungarn. Damals wurde, wie man hier erfaehrt, das Hauptquartier
  der FOeJ, das "Haus der Jugend" in der Prinz-Eugen-Strasse, von
  Fluechtlingen aus dem Nachbarland belagert, die Oktoberfeier 56 im Wiener
  Messepalast geriet fuer manche Mitglieder zu einem Spiessrutenlauf zwischen
  aufgebrachten Passanten. Aber noch ueberwog das Gefuehl der Geborgenheit in
  einer vom Gros der Bevoelkerung misstrauisch beaeugten Gruppe. Paul Haber,
  Kind juedischer Eltern, die vor den Nazis in die Schweiz gefluechtet waren,
  blickt mit etwas Wehmut auf seine Jugend zurueck: "Es war auch eine Zeit
  einer weltanschaulichen und geistigen Sicherheit, weil das kommunistische
  Weltbild auf alle Fragen eine Antwort hatte, einen klaren Weg gewiesen hat
  und es keine Zweifel ueber die Richtigkeit des Weges und des Zieles gegeben
  hat." Er habe Jahre gebraucht, um sich "in der Welt da draussen" einordnen
  zu koennen, in der - nach Gretl Carney - "andere Prioritaeten und
  Wahrheiten" galten. "Und mit der musste ich schliesslich zurechtkommen."
  Carney spricht aber noch einen anderen Aspekt an, der die FOeJler von allen
  anderen Jugendbewegten unterscheidet: "die oftmals dramatische, tragische
  und traumatische Vergangenheit vieler unserer Eltern", durch die sich noch
  nach Jahrzehnten "ein spontanes Gefuehl von Vertrautheit" mit den ehemaligen
  Gefaehrten einstellt.
  
  *
  
  In der Rueckprojektion zeigt sich die Zweite Republik, materiell gesehen,
  als Kontinuum. So, als waere der Wohlstand von Anfang an dagewesen:
  Taschengeld, Fernreisen, Freizeitindustrie. Die Stimmen in diesem Buch
  bieten ein nuetzliches Korrektiv zu dieser Anschauung. Allein schon die
  Moeglichkeit, kostenlos Sport betreiben zu koennen, tanzen zu gehen,
  Ausfluege in den Wienerwald, auf die Hohe Wand oder den Schneeberg zu
  unternehmen, auf Sommerlager nach Keutschach zu fahren, das eigene Strandbad
  an der Alten Donau zu benutzen, gar erst an den Weltjugendspielen
  teilzunehmen - das war etwas Besonderes. Ausserordentlich bedeutsam war auch
  das FOeJ-Ensemble, das einen Chor, ein Orchester, eine Tanzgruppe und einen
  Theaterverein umfasste. Es waren nicht die schlechtesten Kuenstler und
  Paedagogen, die hier taetig waren: Hanna Berger, Gerda Pachner, Sally
  Paryla, Silvio Pasch, Otto Tausig. "Ich war sehr introvertiert", sagt Jules
  Chaimowicz, "und das Leben in der FOeJ hat mich etwas geloest, obwohl ich
  immer ein Einzelgaenger war." Gretl Carney betont, dass die in der FOeJ
  erfahrene politische Erziehung auch spaeter "der letzte Anker meines Denkens
  geblieben ist, wenn auch aus heutiger Sicht hinterfragt, reflektiert und
  eigen-interpretiert". Trotzdem - die dogmatische Enge muss manchmal schwer
  auszuhalten gewesen sein. Elizabeth T. Spira zufolge war es zu ihrer Zeit
  verpoent, Jazz zu hoeren, Kafka zu lesen und RocknRoll zu tanzen, Stefan
  Weber erinnert sich, dass Mickey Mouse und Blue Jeans von den Gruppenleitern
  als Agenten des Klassenfeindes bekaempft wurden.
  
  Die Geschichte der Zweiten Republik, die sich mit der Geschichte der FOeJ
  deckt, ist in den letzten Jahren auch von kritischer Seite ideologisch
  verzerrt worden. Sie stellt sich dar, als haette es vor der Affaere Waldheim
  keine Auseinandersetzung mit der Nazivergangenheit gegeben - nicht einmal in
  der "heissen Viertelstunde" 1968. Aber die Menschen in diesem Buch rufen
  eine Kontinuitaet in der Abwehr neonazistischer Umtriebe wach, die freilich
  auf Kommunisten, sozialistische Freiheitskaempfer und Parteilose beschraenkt
  blieb. Erst bei den Protestaktionen gegen den antisemitischen
  Geschichtslehrer Taras Borodajkewycz sprang der Funke ueber die
  Parteigrenzen. Michael Graber erwaehnt die Kundgebung anlaesslich des
  Begraebnisses von Ernst Kirchweger, der von Neonazis erschlagen worden war:
  "Erstens, weil es die groesste Demonstration war, die ich damals politisch
  bewusst miterlebt habe. Und zweitens, weil es eine Demonstration war, wo ich
  zum ersten Mal wahrgenommen habe, dass Kommunisten nicht ausgegrenzt waren.
  Als Kind und Jugendlicher habe ich immer nur an den eigenen Demonstrationen
  teilgenommen."
  
  Fuer die oesterreichischen Kommunisten gilt die Unschuldsvermutung. Das
  verwischt nicht den von ihnen selbst geaeusserten Verdacht, die KPOe haette
  im Fall einer sowjetischen Intervention nicht anders gehandelt als die
  Bruderparteien in der CSSR oder in Ungarn. Aber diese Behauptung gehoert ja
  ohnehin zum Fundus unserer nationalen Requisitenkammer, so wie der Rasen um
  das Einfamilienhaus, der Trimm-dich-fit-Pfad und die Kirchenbeitragsstelle.
  Hingegen steht eine Geschichte der politischen Verfolgung nach 1945 noch
  aus. Einen kurzen Abriss liefert dieses Buch, eine Serie vieler kleiner
  existenzgefaehrdender Demuetigungen. "Bei der Firma Terranova begann ich
  eine kaufmaennische Lehre", erzaehlt Christl Kalischer, "doch als die Chefin
  draufkam, dass ich bei der FOeJ war, erklaerte sie mir, dass sie nicht
  bereit sei, Kommunisten grosszuzuechten." Lisl Pilhatsch berichtet, dass sie
  wegen Spalierstehens bei Chruschtschows Staatsbesuch trotz guter Noten in
  den B-Zug der Hauptschule versetzt wurde. Die Musikerin Erika Donka ist
  ueberzeugt davon, dass ihre Gesinnung der kuenstlerischen Laufbahn
  abkoemmlich war. Weil er die Kandidatur kommunistischer Jugendlicher
  unterstuetzte, waere Adolf Diernberger aus Knittelfeld beinahe gekuendigt
  worden. Und Otto Treml erinnert an die 400 Arbeiter der Steyr-Werke, unter
  ihnen fuenf Funktionaere der FOeJ, die in den Jahren nach dem Oktoberstreik
  auf die Strasse gesetzt wurden. Repression innerhalb der KPOe hat wiederum
  Jeff Engelhardt erlitten: "Nicht auszudenken, was mit mir in einem
  volksdemokratischen Land passiert waere."
  
  Die meisten Autoren und Gespraechspartner Erich Makomaskis sind in Wien
  aufgewachsen. Sie standen nicht allein da, konnten in der Gemeinschaft den
  Anfeindungen widerstehen. Viel schwerer war es fuer die jungen Arbeiter und
  Lehrlinge in der Provinz, vor allem Ende der sechziger Jahre, als sich die
  FOeJ von der Partei loeste: Schon bisher gebrandmarkt, als "Kummerln" eben,
  liefen sie nun Gefahr, den letzten Rueckhalt zu verlieren. Von daher ist es
  verstaendlich, dass viele von ihnen die FOeJ verliessen, um nicht auch noch
  von der kommunistischen Familie verstossen zu werden.
  
  Erich Makomaski hat seiner Sammlung Verse von Bert Brecht vorangestellt:
  "Was ist jetzt falsch von dem / Was wir gesagt haben: / Einiges oder alles?
  / Auf wen rechnen wir noch? / Sind wir Uebriggebliebene, /
  Herausgeschleudert/Aus dem lebenden Fluss? / Werden wir zurueckbleiben, /
  Keinen mehr verstehend / Und von keinem verstanden?" Es geht ihm also um
  Klaerung, die Verstaendigung voraussetzt, nicht um Verklaerung. Tatsaechlich
  schliesst jeder Beitrag mit dem Hier und Heute, einer Einschaetzung der Lage
  (der internationalen und nationalen Kraefteverhaeltnisse, im
  Funktionaersjargon) und einer persoenlichen Zwischenbilanz: Wer bin ich,
  wohin gehe ich noch. Wie Rolf Schwendter in seinem Vorwort schreibt, halten
  sich Pessimismus und Hoffnung die Waage. Vielleicht koennten alle Kochs
  Resumee unterschreiben: "Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist nur
  uebriggeblieben." Ernst Pekny ist vorsichtig optimistisch: "Eine Renaissance
  des Sozialismus (unter anderen Voraussetzungen als bisher) wird es
  VIELLEICHT bis HOFFENTLICH geben, die Frage ist nur, wann und wo."
  Bedrueckend wahr ist freilich, was Andi Malandi, der juengste Befragte (er
  ist Ende der achtziger Jahre der FOeJ beigetreten), anzeigt: "In den letzten
  Jahren hat man uns die Sprache gestohlen. Ausdruecke wie Kapitalismus,
  Sozialismus, Umverteilung wirken antiquiert."
  
  Die politischen Praeferenzen gelten am haeufigsten den Gruenen. Ein paar
  Aeltere halten, mit oder ohne Bauchweh, der KPOe die Treue. Zwei oder drei
  sind bei der Sozialdemokratie gelandet, einer von ihnen, Jeff Engelhardt,
  mit gemischten Gefuehlen: "So wie ich als ehrlicher Kommunist gelebt habe,
  aber von Kommunisten verraten wurde, so ergeht es mir in meinen alten Tagen
  mit einigen der jetzigen Genossen: Am 1.Mai vorne dabei, um ja gesehen zu
  werden, aber am Stammtisch ein rassistisches Arschloch!"
  
  242 Berichte und Erfahrungen. Uebereinstimmungen und Differenzen. Witzige
  Anekdoten und nuechterne Betrachtungen. Eitelkeit gibt es nicht zu
  entdecken, Hingabe und Neugier schon. Die Ziele sind zurueckgeschraubt, die
  Traeume immer noch hochfliegend. "Ich beschaeftige mich jetzt damit, dass
  die Menschen weniger ungluecklich sind", sagte der vor zwei Jahren
  verstorbene Widerstandskaempfer Harry Spiegel. Auch dem koennten die meisten
  zustimmen.
  
  *
  
  In diesem Buch ist alles lesenswert, sogar das Vorwort. Erich Makomaski hat
  es, von Aussenstehenden, gleich dreimal schreiben lassen: vom "agnostischen"
  Schriftsteller Juergen W. Weil, vom schon erwaehnten Devianzforscher Rolf
  Schwendter und vom Wirtschaftswissenschafter Peter Kreisky. Dessen Aufsatz
  ueber die "undogmatische Linke zwischen Tauwetter und neuer autoritaerer
  Wende", respektvoll und genau, geht in seiner Wuerdigung einer "offenen,
  beweglichen, antiautoritaeren Linken" weit ueber den Anlass hinaus. Was
  Kreisky da vorlegt, ist eine hellsichtige Analyse der oesterreichischen
  Politik und des Versagens seiner Partei, genauer derer, die sich ihrer
  bedient haben. Er schreibt kuehl und doch warmherzig, pflegt keine
  Ressentiments, flieht nicht in die gemuetliche Melancholie oder folgenlose
  Verachtung der freischaffenden Sadomaso-Oesterreicher und beamteten
  Wendehaelse. Er konstatiert: die verpassten Moeglichkeiten und die offenen
  Perspektiven. Mit der FOeJ verband ihn, den oppositionellen Sozialisten, die
  Kritik am jeweiligen Parteiapparat. Dort der Reale Sozialismus, hier die
  real existierende Sozialdemokratie. Kreisky vergisst nicht die Unterschiede
  im Umgang mit Dissidenten. Die "repressive Toleranz" in den westlichen
  Demokratien war weniger schlimm als die offene Verfolgung in den
  staatskommunistischen Diktaturen. Gueltig sein Hinweis auf die einstigen
  Parteirebellen und ihr Emporhampeln auf der politischen und beruflichen
  Erfolgsleiter. "Ihr Politikverstaendnis erweist sich als
  staatlich-ins-titutionell verkuerzt und extrem bewegungsfern. Dass der
  Pragmatis- mus von Manfred Matzka, Karl Schloegl oder Josef Cap sie vom
  Stamokap oder Eurokommunismus zur auslaenderfeindlichen Demagogie und
  Kooperationsbereitschaft mit Haiders FPOe Haken schlagen liess, das ist doch
  ueberraschend und befremdlich... Wie wenig reformpolitische Antworten, ueber
  Blairismusund Schroederismus hinaus, viele dieser ehemaligen Linken zu
  bieten haben, ist derzeit wohl mehr als augenscheinlich."
  
  Veraenderungsfeindlich sind fuer Peter Kreisky auch die oesterreichischen
  Medien, die sich durch die Dominanz von Meinung und Kommentar sowie durch
  mangelnde Hintergrundsberichte disqualifizieren. (Das "durchaus
  verdienstvolle Feuilleton des Spectrum" kommt da noch relativ gut weg, auch
  wenn es sich dem "festen Lobe- und Zitierkartell" postmoderner
  Beliebigkeitsapostel nicht entzieht.) Kreisky schliesst mit einem Appell und
  mit einer Vermutung. Es gelte, alle sozialen Energien fuer ein
  emanzipatorisches, radikaldemokratisches, pluralistisches, offenes und
  linkes Projekt zu mobilisieren. Und: Eine neue Mitte-Links-Gruene-Hegemonie
  beduerfe wohl einer dritten politischen Kraft jenseits von Sozialdemokratie
  und Gruenen. Ach ja, realistische Tagtraeume eines irrealen Sozialisten.
  
  *
  
  "Die Freie Oesterreichische Jugend" ist graue Literatur, habe ich eingangs
  behauptet. Ein halb klandestines Lesebuch, das es nirgendwo zu kaufen gibt.
  Wer ein Exemplar haben will, muss dem Herausgeber ueber den Weg laufen, zum
  Beispiel beim Begraebnis eines ehemaligen Spanienkaempfers (wie ich) oder
  beim Volksstimme-Fest (wieder ich). Oder er, oder sie, bittet um Zusendung:
  Erich Makomaski, Alaudagasse 7/29/14, 1100 Wien. Spenden werden angenommen.
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