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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 22. Oktober 2002; 15:26
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Neuquahlen:
> "Kleinere Uebel" waehlen?
Tausende Linke haben in den letzten 2 Jahren gegen Blau-Schwarz
demonstriert, Komitees gegruendet und Konferenzen abgehalten. "Neuwahl!"
wurde zur Parole dieser Bewegung. Die vorzeitige Neuwahlausschreibung
erfolgte indes durch Blau-Schwarz selber aufgrund der inneren Widersprueche
in Haiders FPOe. Ab diesem Zeitpunkt war "Wahlzeit" angesagt. Da wird dann
wieder weniger demonstriert, werden Streiks abgesagt (Unabhaengige
Bildungsgewerkschaft) und auch die linke Politik tendiert wieder dazu, sich
in die Bahnen der Parlamentsparteien zu begeben. Freilich, die ganz Linken
hoffen auf massenweise Wahlenthaltung bzw. glauben nur an sich selbst
(http://web.utanet.at/labournet.austria/linklili.htm). Aber der andere Teil
der organisierten Linken und vor allem ein Gros der Linken in den
Institutionen hofft jetzt auf "Rot-Gruen"! Die wenigsten begeistern sich
fuer Gusenbauer & Van der Bellen. Diese seien halt das "geringere Uebel".
Aber was soll's, und fortschrittlich Mensch belaesst's beim Noergeln und
braven staatsbuergerlichen Waehlen des ... "kleineren Uebels".
Nun, mangels wirklicher emanzipatorischer Wahlbewegungen kommt auf uns in
der Tat eine Qual der Wahl zu. Ich gehe nach diesen 2 Jahren zudem
grundsaetzlich davon aus, dass es zwischen den buergerlichen Formationen von
OeVP-FPOe auf der einen Seite und jenen der Sozialdemokratie mit oder ohne
Gruene auf absehbare Zeit keinen wesentlichen Unterschied im
Bedrohungspotenzial gibt. Freilich, auf mittlere bis lange Sicht droht ein
Aufwallen eines rechtsradikalisierten Rechtpopulismus, der erfahrungsgemaess
gerade von der neoliberalisierenden Sozialdemokratie seinen Zustrom erhaelt.
Aktive linke Politik in Wahlzeiten, die ich fuer mich auch als
unorganisierter Linker beanspruche, sucht hingegen nach Wahlbewegungen, in
denen sich emanzipatorische Tendenzen der letzten Vergangenheit und
Gegenwart ausdruecken. In Oesterreich waren dies ohne Zweifel die
Protestbewegung im LehrerInnenbereich vor rund 2 Jahren, die Postbusstreiks
und zuletzt der Ueberstundenstreik der EisenbahnerInnen. Als Liste 6 wird
nun die Sozialistische Linkspartei (SLP) in Wien kandidieren, die in ihrem
ersten Wahlaufruf ihre Eigenkandidatur gerade aus dem Scheitern einer
solchen Betriebsratswahlliste von kaempferischen LehrerInnen,
PostbusfahrerInnen u.a. begruendet. Waere also die Wahl der SLP ein Ausweg
aus der Qual der Wahl?
Van der Bellens Gruene
"Fortschrittlich"-realistisch ist eine Abloese von Schwarz-Blau natuerlich
nur durch die Koalitionsvariante von Rot-Gruen vorstellbar. Warum aber
Rot-Gruen fuer mich trotz meines Wunsches, dass Schwarz-Blau abgeloest
werden, nicht in Frage kommt, haengt grundsaetzlich damit zusammen, dass
Gruene und Sozialdemokraten keine Alternative sind!
Die Gruenen unter Van der Bellens Gnaden stehen im Rahmen ihrer absoluten
Prioritaet einer "Oekosteuerreform" unverbluemt fuer eine "funktionierende
Marktwirtschaft", fuer ein moderates EU-"Nulldefizit" bis hin zu Pilz'
Euroarmee. Und auch bei ihren besten Stuecken wie in der Politik gegenueber
unseren Mitmenschen nicht-oesterreichischer Herkunft bleiben sie in
humanistischer Reform der rassistischen Grausamkeiten dieses Oesterreichs
haengen.
SPOe - das kleinere Uebel, das groessere vorbereitet
Am problematischsten fuer eine SPOe-Wahl ist heute aber, dass sich in den
oesterreichischen lohnabhaengigen Bevoelkerungsschichten keine wirkliche
Hinwendung zur Sozialdemokratie abzeichnet. Gusenbauer vermag vielleicht
einige buergerliche Intellektuelle zu entflammen, ruft aber keinerlei
Begeisterung in der Arbeiterklasse und bei den Unterprivilegierten hervor.
"Sind doch die anderen Parteien noch mieser" Wie sollten Gusenbauer und SPOe
auch anders, haben sie ihnen doch ausser ein paar Brosamen nichts
anzubieten?!
KPOe? SLP kandidiert in Wien fuer NR-Wahl auf Liste 6!
Die KPOe kommt traditionell fuer mich nicht in Frage. Eine praktische
Zusammenarbeit mit KP- & GLB-GenossInnen begruesse ich zwar immer wieder.
Aber diese ex-stalinistische Partei ist festgefahren in einem Fuehrungskern
um Baier und einer leicht nationalistischen Linksreformpolitik fuer Anti-EU
und "kaempferischen" OeGB. Vor allem aber hat sie bis auf einige wenige
Betriebsratsstuetzpunkte in Industrie, OeBB und Post einen
vernachlaessigbaren und sinkenden Einfluss auf die oesterreichische
Arbeiterklasse und kriegt einfach nicht das historische stalinistische Flair
los! Dies ist natuerlich keine genaue Analyse der KPOe-Politik. Mir geht es
in der Quintessenz allerdings darum, dass im Gegensatz dazu die SLP eine
bedeutend juengere Organisation ohne historische Last ist. In ihren
Grundlinien steht sie gegen die "herrschenden Zustaende", d.h. gegen den
Kapitalismus und engagiert sich fuer eine Umverteilung von oben nach unten,
30-Stundenwoche bei vollem Lohn, gegen Rechtsextremismus und
Abtreibungsgegner etc.
Ihre falsche Analyse der Sozialdemokratie als voellig buergerliche Partei
(im Gegensatz zu ihrer Militant-Position noch vor wenigen Jahren, wo sie
sich als "linker Fluegel" an Labour oder SPOe anbiederten), eine
kolportierte starke "Partei"-Hierarchie und eben dieses anachronistische
Parteispielen trennen mich politisch-ideologisch von der SLP. Sektierertum
kommt letztlich auch bei dieser NR-Wahlkandidatur zum Ausdruck. In ihrem
ersten Wahlaufruf bedauert die SLP zwar, dass nicht eine
Betriebsrats-Wahlliste der kaempferischen LehrerInnen und PostbusfahrerInnen
zu Stande gekommen sei. Doch neben der heutigen Passivitaet im
LehrerInnenbereich bzw. SP-Fixiertheit bei Robert Wurms BusfahrerInnen ist
es die ganze SLP-Struktur im Vielerlei und Gegeneinander der sektiererischen
Kleinlinken, die dieses Bedauern unglaubwuerdig macht!
In diesem Gegeneinander und Vielerlei linker Wahlprogrammatik unterscheidet
sich die SLP natuerlich kaum von anderen linken Splittergruppen. Aber sie
kandidiert nun mal und die Frage fuer unabhaengige antikapitalistische Linke
und BetriebsaktivistInnen stellt sich, ob jetzt versucht werden sollte, doch
noch eine wirklich Kandidatur von kaempferischen BetriebsraetInnen &
AktivistInnen zu Stande zu bringen: Indem die SLP ihre Wahlplattform auf
regelmaessigen Plena oeffnet! Was natuerlich (etwas unrealistisch) hiesse,
dass ebenso eine SLP-Parlamentspolitik demokratisch auf solchen
Basisversammlungen bestimmt werden wuerde!
*Karl Fischbacher*, LabourNet-Austria (gek.)
wartend auf eine Antwort der SLP bzw.
andere Diskussionsbeitraege
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