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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 1. Oktober 2002; 14:28
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Neuquahlen:

> Neuwahlen oder doch nur Altqualen?

Aus vielen Medien und auch aus dem Artikel von Hermann Dworczak (akin 23/02,
akin-pd 24.9.02) toent die Hoffnung, dass Haider einen Fehler gemacht hat,
also NICHT unbesiegbar ist. Aus dieser Diagnose ergeben sich dann die
beschriebenen und beschworenen Konsequenzen.

Da ich als Voraussetzung fuer eine Gegenwende die Notwendigkeiten von
Analysen, Bilanzen und daraus resultierenden Aenderungen aller Parteien und
"Rucksaecke" auch so aehnlich sehe wie Hermann Dworczak, moechte ich nicht
ausser acht lassen, dass es vielleicht auch anders gewesen sein koennte, als
es sich durch die Brille der Hoffnung oder Schadenfreude darstellt.

Szenario: Haider moechte ins EU-Parlament als Fuehrer der rechten Fraktion,
dazu muss er eine Fuehrungsposition in einer rechten Partei haben und
deutlich rechte (nicht nur populistische) Positionen vertreten. Aus der
bisherigen Erfolgsgeschichte seit Feber 2000 kann ER sich ausrechnen, dass
die FPOe nach den naechsten Wahlen entweder wieder als Koalitionspartner
dasteht, weil alle die liebe Art der lieben Susi-FPOe wieder waehlen bzw.
weil jene, die nur die Art der Regierungspolitik lieben, zur OeVP
zurueckkehren. In beiden Faellen bleiben gleichviele Stimmen fuer die
Koalition und ER wird weder Parteichef werden noch die alte, deftig-rechte
Politik in die FPOe zurueck bringen koennen. Im anderen Fall ist die FPOe
sowieso in der Opposition.

Aus dieser Sicht ist es IHM nur recht, wenn diese Regierung so bald wie
moeglich abtritt. Umso mehr Zeit hat ER fuer eine Imagepflege der FPOe und
ihres wirklichen Fuehrers bis zur Wahl des EU-Parlaments. Wichtig ist nur,
dass ER als Urheber dasteht und spaeter - wenn alle weinen wegen der
verlorenen Macht - als Retter wieder kommt.

Das scheint mir auch die Erklaerung zu sein, warum ER nicht laengst darauf
hingewiesen hat, dass erstens die Susi die Regierung verlassen hat und dass
zweitens der Schuessel das Handtuch geworfen hat, nicht ER.

Demnach war der Putsch, der ja eigentlich von Riess-Passer gegen Haider
gefuehrt wurde, in dem sie ihre Regierungstreue gegen seinen
Fuehrungsanspruch stellte, NICHT erfolgreich.

Ob dies als FPOe-internes Problem oder als die inneren Widersprueche der
Koalition gesehen werden kann, kann auch anhand der OeVP betrachtet werden.

Die vordergruendige Verschiebung der Steuerreform war auch innerhalb der
OeVP Gremien eine Streitfrage. Die Wirtschaftskammer wollte nicht
verzichten, die Ueberflieger wollten nicht die Steuersenkung gegen die
EURO-Flieger ausspielen. Alle meinten, dass ihre jeweilige Position aus
wirtschaftlichen Gruenden vernuenftig sei und niemand wollte das
gescheiterte Nulldefizit in den Mund nehmen..

Darueber hinaus war noch nicht einmal klar, in welcher Form die Reform
kommen sollte. Hofften die einen auf eine Senkung der Lohnnebenkosten,
redeten die anderen von Entlastung der kleinen Einkommen, die eh fast gar
keine Einkommensteuer bezahlen oder - je nach Anlass - der kleinen
Unternehmen, was schon von vornherein nicht dasselbe ist.

Die EU-Erweiterung, das sogenannte Herzstueck der OeVP-Politik, hatte immer
wieder die gewerbliche Wirtschaft, die Bauern und die Industriellen samt
Banken gegeneinander aufgebracht, auch wenn der Schuesselschen Dompteurkunst
als einziges wirklich gelungen ist, den Schein der aeusserlichen Einigkeit
trotz innerer Widersprueche zu wahren.

Da viele WaehlerInnen so wie Hermann Dworczak die Verhinderung von
Schwarz-Blau als oberstes Wahlziel sehen, ruecken die anderen Wuensche nicht
nur weiter nach hinten sondern gleichzeitig in weite Ferne.

Wenn der Waehlerstimmenaustausch nur zwischen OeVP und FPOe passiert, bleibt
die jetzige Koalition. Die moegliche Wanderung zwischen Rot und Gruen
veraendert auf der Regierungsbank auch nichts. Wenn also eine relevante
Anzahl von WaehlerInnen von der jetzigen Regierungspolitik genug hat, dann
bewegen sich nicht die linken Raender bei SPOe oder Gruenen, sondern
diejenigen, die bisher zwischen dem liberalen Rand der FPOe und dem der OeVP
herumgeisterten und eine neue Heimstatt oder Raststelle suchen. Dieses
Kalkuel bedeutet, dass zusaetzliche Waehlerstimmen fuer eine Koalition aus
Rot-Gruen ausschliesslich von Liberal-Konservativen zu erwarten sind. Dem
entsprechend muessen die Roten und die Gruenen im liberalen Teich fischen,
was sie nur mit Angeboten koennen, die den Erwartungen einer Linkswende
diametral entgegenstehen. Die Spitzenpolitiker beider Parteien machen
glaubwuerdige Aussagen in diese Richtung und nichts deutet darauf hin, dass
sie dies nur aus wahltaktischen Ueberlegungen und nicht aus Ueberzeugung
tun.

Da weder der OeGB noch die ganze Sozialpartnerschaft ein Garant fuer soziale
Politik, fuer Armutsbekaempfung und fuer feministische oder gar
pazifistische Projekte waren und sind, sehe ich fuer eine Wende, die diesen
Namen verdient, keine Chance.

Wenn man bis ueber die Nasenspitze in der Kacke steckt, dann sind 10
Zentimeter ein sehr wesentlicher Unterschied. Wenn wir also unsere
links-utopische Republik nicht gleich bekommen, duerfen wir trotzdem nicht
aufhoeren, die eigenen Freunde zu quaelen, denn nix tun bringt uns nicht
einmal diesen kleinen Unterschied. *Robert Reischer*, reischer.robert@aon.at

*

> Wir ticken nicht richtig

Bis zum eingeklammerten Lenin war ich bei Hermann Dvorczaks Text voll dabei,
aber wieso uns gerade einer den Weg weisen soll, aus dessen Schoss Hitlers
Paktpartner Stalin erwuchs, kann ja wohl nur satirisch gemeint sein. Da aber
unsere Bevoelkerung keinen Spass versteht, duerfte das auch als Witz nicht
mehrheitsfaehig sein. Und wenn es der "Ruck nach links" sein soll, wenn der
Autor es schafft, in den 20 folgenden Zeilen ebensoviele Phrasen darueber zu
dreschen, dass man Rotgruen und dem internationalen Rechtspopulismus "die
Suppe kraeftig versalzen" soll, dann ist es wahscheinlich genau unser
Dilemma: wir ticken nicht richtig. Kein Wunder, schliesslich sind wir ja
auch ein Teil dieser Bevoelkerung. *Robert Fidel*



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