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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. September 2002; 16:04
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Neuquahlen:
> Alle lieben Susi
Nachdenken ueber falsche Freunde
Es ist schon spannend: Da haben sozialliberale Kreise zweieinhalb Jahre lang
die Brutalitaet der schwarzblauen Regierung kritisiert. Dann kommt Haider
und kippt Parteifuehrung sowie Regierung und ploetzlich hoert man
versoehnliche Toene aus denselben Kreisen. Ein Van der Bellen streut im
Parlament Susanne Riess-Passer Rosen, was fuer eine kluge
Gespraechspartnerin sie doch gewesen sei, und eine Coudenhove-Kalergie
fordert unter dem Titel "Nachdenken ueber Susi" im "profil" "eine Portion
Respekt" und vergleicht sie mit Heide Schmidt. Was soll das? Nur weil Susi
mit Strolchi, dem Gottseibeiuns der oesterreichischen Innenpolitik,
gebrochen hat? Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde? Oder wie?
Man sollte sich bitteschoen vor Augen fuehren, was diese Regierung
verbrochen hat und man sollte sich auch klar sein, dass diese Regierung
unter anderem deswegen vorzeitig crashte, weil sie eine rigide "Sparpolitik"
und eine militaerische Aufruestung unter einen Hut bringen wollte -- und
Herr Haider hat sich bloederweise vollkommen zu Recht darueber mokiert.
Natuerlich ist er ein ewig Gestriger und ganz bestimmt niemand, mit dem man
politische Koalitionen (in beiderlei Sinn des Wortes) eingehen sollte. Aber
muessen wir deswegen gleich die abtretende Ministerriege loben?
Es stimmt schon, wenn Coudenhove-Kalergie schreibt, Riess-Passer waere "in
der Oeffentlichkeit nie wirklich ernst genommen worden". Und das passiert
immer noch nicht. Denn es war nicht Haider, der uns die liberalistische
Wirtschaftsreligion als Staatskirche verordnete. Nein, das waren zuerst
rotschwarz und dann -- noch um einen Dreh absoluter -- der schweigende
Schuessel, die redende Riess-Passer und der so junge und dynamische Grasser.
Nur dass das von etabliert-oppositionellen Kreisen gerne uebersehen wird.
Wenn der wichtigste Kritikpunkt eines Herrn Gusenbauers an dieser Regierung
ist, dass sie eine "Chaos-Regierung" gewesen sei und Riess-Passer in der
Partei und Schuessel in der Regierung "Leader-ship" haetten vermissen
lassen, dann laesst das Boeses ahnen. Es klingt so, als haette
Gusenbauer kein Problem mit Schuessels und Riess-Passers und
liberalistischen Dogmen in der Regierung, solange nur er selber die Rolle
des Bundeskanzlers geben kann und es keinen Joerg Haider gibt, der
Schwierigkeiten machen kann.
Vielleicht tue ich ja dieser "linken" Haelfte der oesterreichischen classe
politique unrecht, aber ich habe den Verdacht, dass Rotblau oder
Schwarzblaugruen nach den Wahlen gar kein Problem darstellen wuerden, wuerde
die FPOe ihre deutschnationale Schmuddeligkeit los und alle Zwistigkeiten
liessen sich in eurokapitalistischem Wohlgefallen aufloesen. Unter einer
solchen Regierung wuerde man vielleicht die Studiengebuehren ein bisserl
senken, die Ambulanzgebuehren nicht sobald anheben sowie kritisch und unter
Neutralitaetsvorbehalt der NATO beitreten.
Die Vertreter des Neoliberalismus wollen uns immer einreden, es gebe
politisch kein Links und kein Rechts mehr. Fuer unsere politische Klasse
stimmt das wahrscheinlich. Die kennen nur mehr die Unterscheidung zwischen
Haiderfreunden und Haiderfeinden. Und da befinden sich nun Gusenbauer, Van
der Bellen und Riess-Passer -- und demnaechst vielleicht doch auch ein
Mathias Reichhold -- auf derselben Seite der Barrikade.
Und was heisst das fuer uns? Waehlen wir Scylla oder Charibdis? Nein, weder
noch: Eine Linke, die diesen Namen noch verdient, sollte wohl auf diese
Fertigteil-Barrikaden der veroeffentlichten Meinung verzichten und ihre
eigenen bauen. Auch wenn das sehr viel mehr Arbeit ist. *Bernhard Redl*
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