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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. September 2002; 15:34
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Neuquahlen:

> Irrungen und Wirrungen

... wo bleibt die Wende von der Wende?

Der Blau-Schwarze Spuk ist vorerst einmal zu Ende. Das rechts-rechtsextreme
Regierungsbuendnis ist an den Widerspruechen innerhalb der FPOe zerbrochen,
die extreme Rechte ist am zerbroeseln - noch ist es allerdings zu frueh sich
zu freuen. Insbesondere angesichts der Performance jener Parteien, die jetzt
die Wende wenden und eine Neuauflage von Schwarz-Blau verhindern wollen: die
wenden und winden sich naemlich ihrerseits derzeit solchermassen, dass einem
schon selbst ganz schwindlig wird. So fordert die SPOe ploetzlich einen
Dienstleistungsscheck (von rot-gruen in der BRD uebrigens abgeschafft),
ehedem ein blau-schwarzes Regierungsvorhaben. Ungeheuer fortschrittlich
dieses Comeback von Nannys und Dienstmaedchen. Liebe Frauen, willkommen im
naechsten Niedrigstlohnsektor, diesesmal garantiert steuerlich absetzbar!
Stolze Leistung dieser ehemaligen ArbeiterInnenpartei, das
GrossbuergerInnentum wird's danken. Das ist dann moderne Frauenpolitik -
persoenliche Dienstleistungen werden vollends privatisiert, mies bezahlt.
Ein sicherer Weg, halbe-halbe oder gar einen Ausbau oeffentlicher
Dienstleistungen zu erschweren. Danke, Gusi! Und die Gruenen? Die wollten
urspruenglich auf jeden Fall eine rot-gruene Mehrheit um schwarz-blau zu
verhindern und dann einmal weiterschauen, ob eine Koalition moeglich ist,
oder doch der Weg in die Opposition eingeschlagen wird. So weit, so gut.
Jetzt sind aber ein paar ganz Findige auf die Idee gekommen, dass drei
Optionen besser sind als nur zwei: Ploetzlich wird da auch schon
dahergeredet ob es denn nicht doch auch unter Umstaenden, vielleicht,
eventuell ... mit einer ganz anderen OeVP auch gehen wuerde. Schliesslich
will mann/frau signalisieren, dass frau/mann auch regierungswillig
und -bereit ist - pure Taktik, denn wollen tut diese Koalition in
Wirklichkeit ohnehin kein/e Gruene/r. Schuessel und seine OeVP, einst Buh,
weil sie schliesslich die Rechtsextremen in die Regierung holten und immer
dann schwiegen, wenn ein Aufschrei noetig gewesen waere, ist ploetzlich
nicht mehr ganz so Buh. Mit ihm will frau/mann zwar nicht unbedingt, aber
"die Tueren zur OeVP zuschlagen" auch nicht ... alles wahltaktische
Ueberlegungen, wollen die Gruenen doch schliesslich auch buergerliche
WaehlerInnen gewinnen, die mit der OeVP seit der Hochzeit mit der FPOe nicht
mehr koennen. Nun, sollen auch Buergerliche gruen waehlen, gar nichts
dagegen. Was allerdings die andere OeVP sein sollte, die weniger
konservativ, homophob, arbeitnehmerInnenfeindlich, reaktionaer und
machtbesessen ist als die derzeitige, bleibt schleierhaft: Proell, Strasser,
Van Staa, Puehringer und wie sie alle heissen gelten ja allesamt als Hort
des Fortschritts und sind selbstverstaendlich auch ganz anders halt als, na
ja irgendwer halt. Warum frau/mann also ploetzlich diese Partei in gruene
Koalitionsspielereien miteinbezieht, wissen wohl nur die besonders klugen
und wifen ParteistrategInnen in ihren War-Kaemmerchen. Und dann stellen die
Gruenen noch ehemaligen F-WaehlerInnen ein Angebot, ein Stueck des Weges
diesesmal doch gruen zu gehen. Gemeint und angesprochen sind ArbeiterInnen
mit niedrigem Einkommen, benannt wurden sie allerdings nicht als solche,
sondern eben als F-WaehlerInnen. Es ist ja ausserordentlich begruessenswert,
wenn die Gruenen nun die ArbeiterInnen als WaehlerInnenpotential entdecken
und auch ihre Interessen wahrnehmen wollen. So wie dieses Angebot allerdings
gestellt wurde, war es notwendig wie ein Kropf! So lassen sich
ArbeitnehmerInnen sicher gut ansprechen. An Angeboten der Gruenen an
ehemalige OeVP und F-WaehlerInnen ein Stueck des Weges mit den Gruenen zu
gehen mangelts also nicht, attraktive Angebote an bisherige
KernwaehlerInnenschichten und Linke blieben allerdings bislang aus: Wo bitte
ist das Angebot an all jene, die ueber zwei Jahre lang dafuer demonstriert
haben, nie wieder einen Schuessel im Kanzleramt, eine OeVP und eine FPOe an
der Macht zu sehen? Wo wird GlobalisierungskritikerInnen ein
programmatisches und politisches Angebot gemacht, die Wende von der Wende zu
unterstuetzen? Wo bleiben inhaltliche Angebote an ArbeitnehmerInnen, Frauen,
kritische GewerkschafterInnen, Jugendliche? Die wahltaktischen Manoever
nerven nicht nur, sie demotivieren auch, verunsichern potentielle
WaehlerInnen die einen Kurswechsel in Wirtschaft und Politik erhoffen.
Derzeit exerzieren die Oppositionsparteien auf wundervolle Art und Weise
vor, wie eine weit verbreitete Stimmung fuer ein Ende rechts-konservativer
Experimente mit wahltaktischen, unsinnigen Manoevern gedaempft wird. Meine
Stimme werden jedenfalls nur jene bekommen, die klare inhaltliche und
glaubwuerdige Alternativen in der Beschaeftigungs-, Frauen-, Umwelt- und
Sozialpolitik praesentieren, die Wahltaktik nicht zum obersten Gebot
politischen Handelns erheben. Niemand soll sich darauf verlassen koennen,
dass bisherige StammwaehlerInnen bereit sind, alles zu schlucken, was ihnen
auf dem Teller praesentiert wird. Denn auch StammwaehlerInnen sind nur
begrenzt leidensfaehig... *Markus Koza*


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