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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. September 2002; 14:20
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Prinzipielles:

> Den Kapitalismus, nicht die Globalisierung bekaempfen!

"Globalisierung" ist zu einem Zauberwort geworden, fuer jene, die sie
fordern, die sie verteidigen und jene, die sie, wie bei den Protesten gegen
das World Economic Forum (WEF) in Salzburg, angreifen.

Kaum jemand kommt auf die Idee zu fragen, was hinter diesem Modewort steckt,
was damit gemeint sein koennte, bzw. ob es sich dabei ueberhaupt um ein
reales oder neues Phaenomen handelt. Seit sich das warenproduzierende
System, der Kapitalismus, in Europa entwickelt hat, liegt ihm der Impuls zur
Expansion inne. Ohne Expansion ist keine Form des Kapitalismus, sei es der
Fruehkapitalismus, der Manchester-Liberalismus, der voelkisch-faschistische
Kriegskapitalismus, seien es die verschiedenen Formen des
staatsmonopolistischen Kapitalismus, des Keynesianismus oder des
Neoliberalismus, denkbar. "Wachstum" in seinen verschiedensten Formen
gehoert zum Wesen jeder Form warenproduzierender Marktwirtschaft. Denn nur
Betriebe, die konkurrenzfaehig sind, sind in der Lage sich auf Dauer zu
behaupten. Warenproduzierende Systeme, die nicht expandieren, schrumpfen
bereits und verlieren in der Konkurrenz zwischen Betrieben, "Standorten",
"Staaten" oder "Voelkern", je nach aktueller (ideologischer) Form des
warenproduzierenden Systems. Diese Expansion, die jeder Form des
Kapitalismus inne liegt, kann sich auf verschiedenen Ebenen verwirklichen.
Einerseits besteht die Moeglichkeit immer neue gesellschaftliche Felder
innerhalb einer bereits warenproduzierenden Gesellschaft zu erobern, also
Taetigkeiten und Aufgaben, die in dieser Gesellschaft bisher nicht im
Warentausch erfolgt sind, in das System des Warentausches einzubeziehen. Die
zweite Moeglichkeit besteht in der raeumlichen Expansion in Regionen, die
bisher nicht (primaer) auf Warenproduktion und Warentausch aufbauten. Genau
diese raeumliche Expansion des Kapitalismus schuf einerseits zuerst eine
Europaeisierung des Kapitalismus und schliesslich eine weltweite Ausbreitung
dieses Systems, andererseits aber auch innerhalb der kapitalistischen Welt
eine Tendenz zu immer groesseren Binnemaerkten, deren Resultat jener Prozess
ist, der heute "Globalisierung" genannt wird. Was sich unter unseren Augen
abspielt ist also nichts neues, das sich die letzten Jahre entwickelt
haette, sondern lediglich die Fortsetzung eines Prozesses, der mit der
Entstehung des Kapitalismus begonnen hat. Rueckwaertsgewandte
"Globalisierungskritik", die den boesen "internationalen Maerkten" die
kleinen ueberschaubaren Maerkte der Nationalstaaten gegenueberstellt, ist
deshalb nicht nur falsch und reaktionaer, sondern auch ein von vornherein
verlorender Kampf gegen Windmuehlen. Eine fortschrittliche Kritik an der
"Globalisierung" kann dieses Schlagwort bestenfalls benutzen um davon
ausgehend eine radikale Kapitalismuskritik zu entwickeln. Eine solche
radikale Kapitalismuskritik muss das warenproduzierende System auch als
solches kritisieren und darf weder bei der Kritik der Symptome des
Kapitalismus stehen bleiben, noch sich auf die Suche nach vermeintlichen
Schuldigen und Boesewichten begeben. Weder Weltbank, WEF oder IWF, noch
irgendwelche "Multinationalen Konzerne" oder McDonalds haben den
Kapitalismus erfunden. Erstere sind mehr oder weniger adaequate
Institutionen, um gewisse Funktionen in der gegenwaertigen Entwicklung des
Kapitalismus zu erfuellen, letztere eben erfolgreichere Unternehmen als die
Wuerstelbude ums Eck.

Eine personalisierende Kapitalismuskritik verkennt nicht nur den Charakter
des Kapitalismus als System, sondern versucht sich mit der Suche nach
Schuldigen und Boesewichten um eine rationale Analyse herumzudruecken. Eine
solche ist naemlich unbequem und wuerde die eigene Verstrickung in das
System zutage foerdern und zeigen, dass mensch selbst auch nicht ausserhalb
des warenproduzierenden Systems steht. Sie wuerde zudem die z.B. von Attac
betriebene Buendnispolitik mit den Klein- und Mittelbetrieben, die als dem
"globalen Finanzkapital" antagonistisch gegenueberstehend gedacht werden,
verunmoeglichen. Genau diese Analyse ist aber unbedingte Voraussetzung,
damit sich "Globalisierungskritik" zu einer fortschrittlichen
Kapitalismuskritik entwickelt und nicht in Ressentiments gegen eine Gruppe
vermeintlich Schuldiger umschlaegt, seien diese Schuldigen nun als
"internationale Finanzkapitalisten", "Juden" oder in Suedostasien als
"Chinesen" gedacht. Die strukturelle Aehnlichkeit einer solch verkuerzten
Kapitalismuskritik mit einem antisemitischen Weltbild, das einer Gruppe
allmaechtiger Menschen alles Boese dieser Welt zuschreibt, ist
unuebersehbar. Diese personalisierende Kapitalismuskritik foerdert das
Ressentiment und nicht die Kritik. Eine fortschrittliche Kritik an der
Globalisierung muss deshalb eine antikapitalistische sein und darf sich
nicht auf die Feindschaft gegenueber vermeintlichen "Globalisierern"
beschraenken.
*Oekologische Linke (gek.)*

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