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  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. September 2002; 14:53
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  Wien-Mariahilf/Bewaehrungshilfe: 
> Neustart - und alte Ziele
  
  "Ham S' scho g'heat, Frau Navratil? Im oid'n Postamt auf da
  Gumpendorferstross'n woin s' a Unterkunft moch'n fia entlossane
  Haef'nbriada!"
  
  "Um Gott's Wuen, Herr Pospischil - des deaf do net woah sei! Mia haum eh
  scho glei daneb'n de Giftla vom Ganslwirt und geg'niwa de goschat'n Tschu-,
  i maan, de jungan auslaendisch'n Mitbiaga vo den komisch'n "Echo" - und
  jetzat des aa no!"
  
  "Und net zum Vagess'n de woaman Briada vo dera Lila Villa unt auf da
  Wienzeun, Frau Navratil - und des vaseichte Aids-Haus vuan am Giat'l! A
  Schaund is des!"
  
  "Des vadaunk ma nua der rotgreanan Bruat, de wos jetzat im Bezirk am Ruada
  is! I sog's Eana, Herr Pospischil: Mia in Mariahuef san jo scho da Mistkiwoe
  vo gaunz Wien - vo iwaroi schick'n s' uns in aergst'n Ruass daher!"
  
  "Meinarsoeoe, Frau Navratil - untam Pint haettat's des net geb'n!"
  
  So summt und brummt es zur Zeit angeblich an den Bassenas und Strassenecken
  des sechsten Wiener Gemeindebezirks - zumindest haette es die schwarzblaue
  Opposition gerne so. Die Konservativen, gewappnet mit wehrhafter
  christlicher Grundeinstellung, machen wieder einmal gegen eine soziale
  Einrichtung mobil. Worum geht es denn diesmal?
  
  Im leer stehenden ehemaligen Postgebaeude in der Gumpendorferstrasse 70 wird
  der Verein "Neustart" (vormals "Bewaehrungshilfe") ein
  Tagesbetreuungszentrum fuer Haftentlassene und eine Fahrradwerkstaette
  einrichten. Kaum wurde dieser die innere Sicherheit des Bezirks so
  abgrundtief gefaehrdende Plan ruchbar, warfen sich auch schon die sattsam
  bekannten Scharfmacher der FPOe als schneidige Speerspitze des noch
  schlummernden Volkszornes in die Schlacht - dicht gefolgt von den begeistert
  hechelnden Vertretern der nach ihrer Wahlschlappe noch immer schwer danieder
  liegenden ehemals "christlich-sozialen" Partei.
  
  Das Strickmuster derartiger Kampagnen ist immer das Gleiche und laengst
  schon bis zum Ueberdruss ausgereizt: Populistische Lokalpolitiker versuchen
  sich erst auf Kosten sozial schwacher Mitbuerger zu profilieren und die von
  ihnen geschuerte kuenstliche Erregung sodann in politisches Kleingeld
  umzumuenzen. Ist der Sturm im Wasserglas einmal entfesselt, so leitet man
  das aufgewuehlte Schmutzwasser Haende reibend auf die aufgeregt klappernden
  Muehlen der Medien.
  
  Da ist keine Methode zu mies, keine Unterstellung zu untergriffig:
  Herumlungernde Schwerverbrecher werden womoeglich alten Muaterln mit
  kehligem "Har, har!" die Handtascherln entreissen, schnurrbaertige
  Mannweiber brave Familienvaeter in dunklen Ecken zu schauderhaften
  Perversitaeten missbrauchen und redliche Geschaeftsleute muessen traenenden
  Auges ihre verwaisten Gewoelbe fuer immer schliessen. Die fuerchterliche
  Folge: Eine Art Mini-Bronx in Mariahilf, in der marodierende Gangs von
  Fahrradkettenstraeflingen im Solde der Gruenen johlend Jagd auf die letzten
  spaerlichen Autofahrer machen. Fuerwahr, ein kommunaler Alptraum!
  
  Witzig an dieser miesen Inszenierung ist hoechstens, dass genau dieselbe
  Schmierenkomoedie bereits vor Jahren nur zwei Haeuser weiter vom damaligen
  VP-Bezirksvorsteher Pint aufgefuehrt wurde. Dieser, ein begnadeter Populist
  vor dem Herrn, hetzte damals gegen die im Entstehen begriffene
  sozialmedizinische Drogenberatungsstelle "Ganslwirt". Peinlich fuer ihn war
  allerdings, dass die Schueler des Gymnasiums in der Amerlingstrasse, die er
  vorgeblich vor gefaehrlichen Drogendealern schuetzen wollte, sich mit dem
  Zentrum solidarisierten und eine Gegendemonstration gegen die von Herrn Pint
  angefuehrte "Buergerfront" organisierten ...
  
  Stets an vorderster Front gegen kriminelle Umtriebe und Teufelsdrogen
  kaempfte bis zum unruehmlichen Ende seiner kurzen Politkarriere auch der
  Nachfolger dieses frueh verstorbenen Bezirkskaisers. Schulklassen wurden zu
  Anti-Drogensongs animiert und schaurige Visionen eine den Bezirk in seiner
  gesamten Laenge vom Karlsplatz bis zur U-Bahnstation Gumpendorfer Strasse
  durchziehenden Dealerszene an die Wand gemalt.
  
  Doppelt peinlich, dass dieser unerschrockene Kaempfer fuer Recht und
  Ordnung, der fuer seine ueberschaeumende Trinkfreudigkeit und seinen
  gemeingefaehrlichen Fahrstil bezirksweit bekannt war, einem Alkoholtest nach
  einer Verkehrskontrolle dadurch zu entgehen trachtete, indem er schwankenden
  Schrittes vor der Polizei fluechtete und sich in seinem Wohnhaus einsperrte.
  Tja, das Boese ist eben immer und ueberall!
  
  Einer der Protagonisten dieses buergerlichen Trauerspiels, der Klubobmann
  der Mariahilfer FP, hat sich in der letzten Sitzung der Bezirksvertretung
  auch mutig zum Floriani-Prinzip bekannt. Nach dem informativen und serioesen
  Vortrag einer Vertreterin des Vereins "Neustart" ueber das geplante Projekt
  unversehens in Argumentationsnotstand geraten und obendrein von einem
  gruenen Bezirksrat diskursiv in die Zange genommen, konnte er nicht umhin,
  sich fuer ein derartiges Zentrum auszusprechen - aber, bitte schoen, doch
  gefaelligst in einem anderen Bezirk!
  
  Und wie wird dieses Mikrodrama enden? Nun, so wie noch jedes Mal: Das
  Betreuungszentrum wird seinen Betrieb aufnehmen, die Wogen der
  aufgewiegelten Erregung werden sich glaetten und in einigen Jahren wird die
  Einrichtung allgemein anerkannt und geschaetzt werden. Jene Politdesperados
  aber, deren Asozialpolitik direkt dafuer verantwortlich ist, dass immer mehr
  Menschen an den Rand der Gesellschaft gedraengt werden, halten derweil schon
  mit geierscharfem Auge Ausschau nach neuen Opfern, von denen nicht allzu
  viel Gegenwehr zu erwarten ist.
  
  *Richard Weihs, GA-Bezirksrat in Wien-Mariahilf*
  
  
  
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