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  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. September 2002; 14:50
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  Recht & Ordnung/Schwarz & Weiss: 
> Forensische Erfahrungswelten
  
  Der Rechtsanwalt Markus Petrowsky hat nochmal Glueck gehabt. Die vom Leiter
  der Staatsanwaltschaft Wien bei der Rechtanwaltskammer Wien vorgebrachte
  Disziplinarbeschwerde gegen ihn wurde zurueckgewiesen. Aber dass ueberhaupt
  ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden war, ist doch recht
  verwunderlich. Denn Petrowsky als Vertreter eines wegen eines Drogendeliktes
  angeklagten Schwarzen wollte einfach nur eine recht bedenkliche Bemerkung
  der Staatsanwaltschaft nicht auf sich beruhen lassen. Die StA war naemlich
  in einer Berufungsverhandlung der Meinung gewesen, dass der nach dem
  Suchtmittelgesetz bereits zu 5 Jahren Haft Verurteilte viel zu gut
  weggekommen sei, denn "im Hinblick auf die weiterhin hohe
  Suchtgiftkriminalitaet und die Tatsache, dass gerade im Wiener Raum der
  Strassenhandel mit Heroin und Kokain in zunehmenden Masse von illegal nach
  Oesterreich eingereisten Afrikanern dominiert wird, ist es notwendig,
  insbesondere auch generalpraeventiven Aspekten verstaerkte Beachtung zu
  schenken" und es beduerfe "daher der Verhaengung und Vollziehung drastischer
  Strafen". Petrowsky hatte daraufhin in seiner Gegenschrift angemerkt, dass
  diese Behauptung nicht durch die Sachverhaltsdarstellungen der Erstinstanz
  gedeckt, sondern vielmehr "der politischen Argumentation einer bestimmten
  Partei" entstammen wuerde.
  
  Staatsanwaltschaftsleiter Erich Wetzer reichte daraufhin formelle Beschwerde
  ein (s.a. akin 34/00), die Disziplinarkommission der Rechtsanwaltskammer
  Wien wies diese jedoch zurueck. Nicht deswegen etwa, weil sie Petrowskys
  Einschaetzung geteilt haette oder zumindest seine Empoerung haette verstehen
  koennen, sondern deswegen, weil die Angelegenheit zu belanglos sei und man
  nicht "jedes Wort eines Rechtsanwalts 'auf die Goldwaage' legen muesse. Es
  kam zur Berufungsverhandlung, doch die Oberste Berufungs- und
  Disziplinarkommission schloss sich kuerzlich dem erstinstanzlichen Urteil
  an.
  
  Wie gesagt: Ein Glueck fuer den Anwalt, vielleicht auch der Tatsache zu
  schulden, dass man die heikle Angelegenheit nicht all zu hoch spielen
  wollte. Bedenklich bleibt die explizite Grundhaltung der Staatsanwaltschaft
  dennoch und sie wird nicht dadurch besser, dass in dem Beschluss der
  Berufungsinstanz davon die Rede ist, dass die Staatsanwaltschaft diese
  Grundhaltung aufgrund ihrer "forensischen Erfahrung" entwickelt habe. Denn
  warum die Forderung der Staatsanwaltschaft, dass ausgerechnet wegen der
  Beteiligung von Afrikanern am Drogenhandel besonders hohe Strafen
  ausgesprochen werden sollten, untadelig sei, ist dem Entscheid nicht zu
  entnehmen.
  
  Petrowsky ist nach seinem halbherzigem Freispruch nicht wirklich gluecklich:
  In einem Brief an die akin fragt er sich: "Rueckt ein Verteidiger, der
  unsachliche Argumentation eines Staatsanwaltes -- wenn auch mit
  ueberspitzten Worten -- aufzeigt, den Klaeger in die Naehe verpoenter
  Gesinnung oder bewirkt die unsachliche Argumentation an sich bereits den
  Anschein einer solchen Gesinnung?" Eine Frage, die ueberraschenderweise
  immer noch strittig sein duerfte. -br-
  
  
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