**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. September 2002; 14:50
**********************************************************

Recht & Ordnung/Schwarz & Weiss:

> Forensische Erfahrungswelten

Der Rechtsanwalt Markus Petrowsky hat nochmal Glueck gehabt. Die vom Leiter
der Staatsanwaltschaft Wien bei der Rechtanwaltskammer Wien vorgebrachte
Disziplinarbeschwerde gegen ihn wurde zurueckgewiesen. Aber dass ueberhaupt
ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden war, ist doch recht
verwunderlich. Denn Petrowsky als Vertreter eines wegen eines Drogendeliktes
angeklagten Schwarzen wollte einfach nur eine recht bedenkliche Bemerkung
der Staatsanwaltschaft nicht auf sich beruhen lassen. Die StA war naemlich
in einer Berufungsverhandlung der Meinung gewesen, dass der nach dem
Suchtmittelgesetz bereits zu 5 Jahren Haft Verurteilte viel zu gut
weggekommen sei, denn "im Hinblick auf die weiterhin hohe
Suchtgiftkriminalitaet und die Tatsache, dass gerade im Wiener Raum der
Strassenhandel mit Heroin und Kokain in zunehmenden Masse von illegal nach
Oesterreich eingereisten Afrikanern dominiert wird, ist es notwendig,
insbesondere auch generalpraeventiven Aspekten verstaerkte Beachtung zu
schenken" und es beduerfe "daher der Verhaengung und Vollziehung drastischer
Strafen". Petrowsky hatte daraufhin in seiner Gegenschrift angemerkt, dass
diese Behauptung nicht durch die Sachverhaltsdarstellungen der Erstinstanz
gedeckt, sondern vielmehr "der politischen Argumentation einer bestimmten
Partei" entstammen wuerde.

Staatsanwaltschaftsleiter Erich Wetzer reichte daraufhin formelle Beschwerde
ein (s.a. akin 34/00), die Disziplinarkommission der Rechtsanwaltskammer
Wien wies diese jedoch zurueck. Nicht deswegen etwa, weil sie Petrowskys
Einschaetzung geteilt haette oder zumindest seine Empoerung haette verstehen
koennen, sondern deswegen, weil die Angelegenheit zu belanglos sei und man
nicht "jedes Wort eines Rechtsanwalts 'auf die Goldwaage' legen muesse. Es
kam zur Berufungsverhandlung, doch die Oberste Berufungs- und
Disziplinarkommission schloss sich kuerzlich dem erstinstanzlichen Urteil
an.

Wie gesagt: Ein Glueck fuer den Anwalt, vielleicht auch der Tatsache zu
schulden, dass man die heikle Angelegenheit nicht all zu hoch spielen
wollte. Bedenklich bleibt die explizite Grundhaltung der Staatsanwaltschaft
dennoch und sie wird nicht dadurch besser, dass in dem Beschluss der
Berufungsinstanz davon die Rede ist, dass die Staatsanwaltschaft diese
Grundhaltung aufgrund ihrer "forensischen Erfahrung" entwickelt habe. Denn
warum die Forderung der Staatsanwaltschaft, dass ausgerechnet wegen der
Beteiligung von Afrikanern am Drogenhandel besonders hohe Strafen
ausgesprochen werden sollten, untadelig sei, ist dem Entscheid nicht zu
entnehmen.

Petrowsky ist nach seinem halbherzigem Freispruch nicht wirklich gluecklich:
In einem Brief an die akin fragt er sich: "Rueckt ein Verteidiger, der
unsachliche Argumentation eines Staatsanwaltes -- wenn auch mit
ueberspitzten Worten -- aufzeigt, den Klaeger in die Naehe verpoenter
Gesinnung oder bewirkt die unsachliche Argumentation an sich bereits den
Anschein einer solchen Gesinnung?" Eine Frage, die ueberraschenderweise
immer noch strittig sein duerfte. -br-


*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43 (0222) 535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
eMail redaktion und termine: akin.buero@gmx.at
eMail abo: akin.abo@gmx.at
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin