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  Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 10. September 2002; 14:48
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  Oekonomie/Widerstand: 
> Wer das Geld hat, hat die Macht
Kann man mit "Local Players" gegen das Grosskapital kaempfen?
  
  Im Zuge des Widerstands gegen das alljaehrliche European Economic Forum in
  Salzburg ist es im letzten Jahren immer wieder zu Gespraechen zwischen
  Salzburger Unternehmern (speziell Vertretern des OeVP-Wirtschaftsbundes) und
  ATTAC-Leuten sowie Gruengewerkschaftern gekommen. Dagegen erhoben sich doch
  einige Stimmen, die verstaendlicherweise recht skeptisch waren, ob das
  sinnvoll und ehrenwert ist. Denn die Frage, wieso eine Salzburger Firma
  gegenueber anderen von kapitalkritischen Kreisen freundlicher behandelt
  werden soll, ist natuerlich berechtigt.
  
  Einmal abgesehen davon, dass die immer wieder kolportierte Behauptung falsch
  ist, dass es gemeinsame Veranstaltungen von ATTAC und Wirtschaftsbund zum
  Wirtschaftsforum gebe, ist natuerlich prinzipiell zu hinterfragen, ob derlei
  Koalitionen sinnvoll sind. Denn ganz so einfach ist die Sache wohl nicht.
  Ein kleiner Einzelhaendler mit einem Angestellten, ein Tischler mit einem
  Gesellen und zwei Lehrbuben, ein kleiner, selbstaendiger
  Computerprogrammierer -- viele von denen waeren zwar gern Grosskapitalisten,
  denken auch so und identifizieren sich lieber mit jenen, denen grosse Firmen
  gehoeren, als mit jenen Angestellten, die das Gleiche verdienen wie sie.
  Fakt ist aber: Sie gehoeren nunmal auch zu jenen, die unter die Raeder von
  Grosskonzernen kommen koennen. Denn sie haben nicht die Moeglichkeit, en
  gros einzukaufen und koennen nicht auf Grosskundenrechte pochen oder sie
  koennen nicht ohne Probleme und zu guenstigen Konditionen Kredite bekommen
  oder sie koennen nicht so einfach ihre Produktionsstaetten auslagern, um
  anderswo billiger zu produzieren. Und sie sind viel staerker unter Druck,
  ihre Angestellten auszubeuten, weil sie sonst von jenen Grossen, die ihre
  Angestellten nur zwecks Profitmaximierung und Konkurrenzausschaltung mies
  behandeln, an die Wand gedrueckt werden. Ihr Denkfehler ist nur, dass die
  kleinen Unternehmer eher ein Einsehen fuer die Notwendigkeit haben, dass die
  Grossen ihre Angestellten mies behandeln, anstatt festzustellen, dass diese
  genauso Opfer der Kapitalakkumulation jener sind wie sie selber.
  
  Die Einbindung der Klein- und Mittelbetriebe in den Widerstand gegen das
  Grosskapital ist daher wichtig, auch wenn man dabei nicht vergessen darf,
  dass diese Unternehmer nunmal wie solche denken -- sich als eigenstaendige
  Wirtschafter verstehen, die im Konkurrenzkampf stehen, im Gegensatz zu den
  Angestellten, die sich ja anscheinend nur jedes Monat ihr Gehalt vom Konto
  holen. Aber gerade deswegen ist es ja notwendig, mit den Klein-Unternehmern
  zu reden.
  
  Die Klein-Unternehmer sind durch ihre traditionellen Denkschemata eine
  politische Stammkundschaft bei Schwarz und Blau -- was aber nicht so bleiben
  muss. Standesdenken ist fehl am Platz, es geht darum, ob Menschen deswegen
  pleite sind, weil andere das grosse Geld haben. Genau hier, zwischen arm und
  reich, und nicht zwischen selbstaendig und unselbstaendig, verlaeuft die
  Grenze zwischen oben und unten. Und auch wenn diese Grenze in der heutigen
  buergerlichen Gesellschaft verschwimmt, aendert das nichts daran, dass sie
  vorhanden ist.
  
  Auch der schon gehoerte Vorwurf einer Unterscheidung zwischen produzierenden
  Firmen und globalisiertem Spekulantentum -- und damit der des "struktuellen
  Antisemitismus" -- steht im Raum, geht diesbezueglich aber wohl ins Leere.
  Es geht nicht um den Unterschied, wie ihn die Nazis postulierten, zwischen
  "schaffenden" und "raffendem" Kapital, es geht nicht um nationalistische
  oder rassistische Unterscheidungen á la Thyssen versus Rothschild. Ja, es
  geht nicht einmal um die damit fuer verbunden gehaltene Frage des
  Unterschieds zwischen Spekulations- und Produktionskapital. Es geht einfach
  nur um die Frage, wer das grosse Knoedel hat und damit die Macht. Und
  lokales, nicht mobiles Unternehmertum ist nunmal in seiner Macht aeusserst
  beschraenkt.
  
  W enn man sich mit der lokalen "Wirtschaft" zusammensetzt, muss man sich
  natuerlich klar sein, dass man sich zumindest mit der OeVP einlaesst. Der
  Widerspruch muss klar sein und er laesst sich nicht unter den Tisch kehren.
  Und selbstverstaendlich kommt man dabei auch mit so manchen oekonomischen
  Platzhirschen in Beruehrung, der kaum Sorgen hat, aber seine Lohnabhaengigen
  trotzdem mies behandelt. Wenn man sich aber dessen bewusst ist, kann man
  sich den Gedanken erlauben, dass dieser Platzhirsch auch nicht so ohne
  weiters wegsiedeln kann, wenn er mehr verdienen moechte, und hier ist ein
  politischer Handlungsansatz. Natuerlich ist dieser Ansatz nicht
  revolutionaer, aber ich habe den Eindruck, dass, bei aller Verteidigung der
  letztendlich sehr wohl machbaren Utopie einer klassenlosen Gesellschaft, ein
  reformistischer Ansatz in der derzeitigen politisch-oekonomischen Situation
  das Mittel der Wahl ist.
  
  Unter lokaler Wirtschaft moechte ich notabene nicht irgendwelche Konzerne
  verstehen, die ueberregional taetig sind, aber halt gerade ihre Zentrale in
  dem betreffenden Gebiet haben. Nein, es geht um diejenigen, die tatsaechlich
  an den Ort gebunden sind und damit von diesem Ort genauso abhaengig sind wie
  die Bevoelkerung dieses Orts von ihnen. Es geht dabei keineswegs um
  Lokalpatriotismus, d.h. ein ueberregionaler Unternehmer oder gar ein Global
  Player, der sich im betreffenden Gebiet ansiedeln will, weil das Entgegenkom
  men der lokalen Verwaltung oder der lokalen Arbeitnehmerschaft besonders
  gross ist, ist genauso als politischer Feind zu betrachten, wie wenn er aus
  dem selben Grund woanders hinzieht. Oder praktisch formuliert: Es geht nicht
  darum oesterreichisches Bier zu trinken, sondern Bier von jenen nur mehr
  wenigen kleinen Brauereien, die noch nicht zum oesterreichischen
  Brauereikartell gehoeren.
  
  Wenn auch die Unterstuetzung lokaler Eigentuemer der Produktionsmittel uns
  etwas ungut vorkommt, so ist klar, dass, auch aus dem Blickwinkel der
  Utopie, lokale Produktion einer territorial nicht gebundenen und damit der
  Standorterpressung faehigen vorzuziehen ist. Wobei natuerlich nicht
  vergessen werden darf, dass die "Local Players" deswegen nicht einfach aus
  ihrer Pflicht entlassen werden koennen, ihren Angestellten einen guten Lohn
  und ihre Rechte zuzugestehen. Wenn man dabei auch klar sagt, dass man
  deswegen nicht auf die Utopie von klassenloser Gesellschaft und Wohlergehen
  fuer alle verzichtet, kann man derlei Koalitionen fuer einen Teil des Weges
  eingehen - wenn die andere Seite dann noch dazu bereit ist, versteht sich.
  
  Die Frage daher lautet nicht: Darf man sich mit dem "Klassenfeind"
  einlassen?, sondern: Unter welchen Bedingungen tut man es? Wenn diese
  Bedingungen allerdings nicht dem politischen Ziel entsprechen, sollte man es
  besser bleiben lassen.
  
  Ob die Gespraeche, die hier vorsichtig angeleiert werden, diesen Bedingungen
  entsprechen, moege jeder selbst entscheiden. Aus prinzipiellen Erwaegungen
  sollten diese Auseinandersetzungen aber wohl nicht abgelehnt werden.
  *Bernhard Redl*
  
  
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