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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. Juni 2002; 14:28
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Gruene/Integration:

> Offener Brief
> an Terezija Stoisits

Liebe Terezija!

Bei den letzten Plena der "Bunten Demokratie Fuer Alle" (BDFA)
und "Oesterreich Fuer Alle Gleich" (OeFAG) wurde ueber das
MigrantInnen-Plenum im Parlament und auch ueber eine
Veranstaltung zum "Integrations?vertrag?" in der Frauenhetz
berichtet. Dabei hat sich gezeigt, dass Unklarheit bezueglich
Deiner Position bzw. der Position der Gruenen zum
"Integrations?vertrag?" besteht. Daher richten BDFA und OeFAG
diesen offenen Brief an Dich in der Hoffnung, dass diese
Unklarheiten durch eine ebenso oeffentliche Antwort Deinerseits
ausgeraeumt werden koennen.

Ein Vertreter von OeFAG hat Dich beim MigrantInnen-Plenum
aufgefordert, eine Erklaerung zur Resolution der Wiener
Integrationskonferenz abzugeben. Die Resolution verlangt von den
Gruenen eine oeffentliche Erklaerung, dass sie im Fall einer
kuenftigen Regierungsverantwortung den "Integrations?vertrag?"
ohne Wenn und Aber zuruecknehmen. In Deiner Antwort hast Du 2
fuer uns wesentliche Punkte so ungenau formuliert, dass wir Dich
um Praezisierung Deiner Aussagen ersuchen.

1. Deine Antwort einleitend hast Du gesagt: "Ich als Gruene
unterstuetze die Resolution". Diese Aussage bezieht sich eher auf
Deine persoenliche Haltung, sagt jedoch nichts darueber aus, ob
und wann die Parteigremien der Gruenen sich mit der Resolution
der Wiener Integrationskonferenz befassen und der
Integrationskonferenz eine Antwort geben werden. Unsere Frage
lautet, ob Du in Deiner Funktion als Menschenrechtssprecherin
bereit bist, einen Beschluss der Gruenen zu erwirken, in dem sich
die Partei und nicht nur Du als Person zur bedingungslosen
Ruecknahme des "Integrations?vertrages?" im Fall einer kuenftigen
Regierungsbeteiligung oeffentlich verpflichtet.

2. Deine Antwort weiterfuehrend hast Du dann gemeint, dass nicht
unbedingt der gesamte "Integrations?vertrag?", jedenfalls aber
die vorgesehenen Sanktionen abzuschaffen sind. Ohne Dir das
unterstellen zu wollen, moechten wir darauf hinweisen, dass durch
die Konzentration auf die Abschaffung der im
"Integrations?vertrag?" vorgesehenen Sanktionen (Geldstrafen,
Verlust der Aufenthaltserlaubnis) der Eindruck erweckt wird, als
sei der "Integrations?Vertrag?" ansonsten in Ordnung. Deine
Aussage hinterlaesst also einen unguten Beigeschmack.
Verpflichtende Deutschkurse werden damit implizit gutgeheissen,
solange nur die Sanktionen nicht zu hart sind. Deine Aussage kann
so verstanden werden.

Die Konzentration auf die Bekaempfung der Sanktionen des
"Integrations?vertrags?" verfehlt den wesentlichsten Punkt: Es
geht beim "Integrations?vertrag?" in erster Linie um ein
rassistisches Signal, das breite WaehlerInnenschichten in ihren
Ressentiments bestaetigt: "Die MigrantInnen sollen (gefaelligst)
Deutsch lernen!" gleichbedeutend mit "Die MigrantInnen sollen
sich (gefaelligst) anpassen!" Dieser "Forderung" nach
Deutschkurspflicht koennen sich wahrscheinlich auch Teile des
gruenen WaehlerInnenpotentials anschliessen. Mit Stossrichtung
gegen dieses rassistische Signal hat die Wiener
Integrationskonferenz den "Integrations?vertrag?" als
rassistische Massnahme bezeichnet und seine restlose Abschaffung
gefordert. Es ging der Integrationskonferenz genau darum, nicht
auf den Diskurs der Bundesregierung einzusteigen. Sobald Du
sagst: "Die MigrantInnen wollen ja Deutsch lernen, aber ..." oder
"Deutschkurse sind prinzipiell gut, aber ...", relativierst Du
den Diskurs der Bundesregierung und bestaerkst ihn dadurch. Wir
wuenschen uns, dass insbesondere gruene PolitikerInnen hier eine
klare Sprache finden und in ihren oeffentlichen Artikulationen
feststellen, dass sie die Forderung nach einer Deutschkurspflicht
wegen Rassismus ablehnen.

Die Konzentration auf die Bekaempfung der Sanktionen des
"Integrations?vertrags?" ist aber auch bezueglich der
Umsetzungsmassnahmen ungenuegend: Ueber die rassistische
Signalwirkung hinaus existieren perfide Nebenwirkungen in der
geplanten Umsetzung des "Integrations?vertrages?". Die
vorgesehenen Umsetzungsmassnahmen werden das Erlernen der
deutschen Sprache eher behindern als foerdern, weil die in
Aussicht genommenen Kurse viel zu kurz sind, die Strafdrohungen
bei Nichtbestehen der Kurse allen Regeln der Lernpsychologie
zuwiderlaufen, keinerlei besondere Foerderungen fuer nicht
lateinisch Alphabetisierte, Aeltere und sonstige dem
Ausbildungsssystem fernere Gruppen vorgesehen sind (wodurch der
"Integrations?vertrag?" fuer diese Gruppen zu einer besonderen
Gefahr wird) und zu befuerchten ist, dass Subventionen von jenen
Organisationen abgezogen werden, die Deutschkurse in guter
Qualitaet anbieten (bzw. die Teilnahme an der Umsetzung des
"Integrations?vertrags?" verweigern), etc.

Wenn Du diesen beiden Punkten (rassistische diskursive
Hauptwirkung und spracherwerbsbehindernde Nebenwirkungen bei der
Umsetzung) in der Analyse des "Integrations?vertrags?" zustimmst,
dann gibt es am "Integrations?vertrag?" rein gar nichts zu retten
und greift die Konzentration auf die Sanktionen viel zu kurz bzw.
geht eine entsprechende Argumentation nach hinten los.

3. Auf die Frage zum "Integrations?vertrags?-Boykott" an
Bildungsinstitutionen, die den Gruenen nahestehen, bzw. auf einen
moeglichen Beitrag der Gruenen zu einem solchen Boykott bist Du
nicht naeher eingegangen. Auch hiezu wuerden wir uns eine
Stellungnahme wuenschen.

Mit freundlichen Gruessen

*Bunte Demokratie Fuer Alle*
und
*Oesterreich Fuer Alle Gleich*
 
 

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