Buecher:
> Ungeliebte Revolutionen
Andreas Exenberger:
Aussenseiter im Weltsystem,
Band 3 der Reihe: Geschichte, Entwicklung, Globalisierung;
Verlag Brandes & Apsel/Suedwind
Frankfurt a.M./Wien 2002
ISBN 3-86099-228-7
158 Seiten; Euro 13,20
Wer ein Schurke ist, bestimme ich! Dies koennte das Motto sein,
das US-Praesidenten in ihr Wappen schreiben. "Schurkenstaaten"
("rogue states") - das sind jene Staaten, von denen die USA
sagen, dass fuer sie das Voelkerrecht nicht gelten duerfe, weil
ihre Fuehrungen undemokratisch, unberechenbar und nicht legitim
seien. Es ist eine Binsenweisheit, dass das natuerlich immer nur
fuer Staaten gilt, deren Politik gegen die Interessen der
US-Politik gerichtet sind und wo man es sich leisten kann, Krieg
zu fuehren oder Wirtschaftsblockaden zu verhaengen.
Dieses Grundprinzip ein neues Buch ueber Kuba, Libyen und den
Iran, drei "Aussenseiter im Weltsystem" - "Schurkenstaaten" eben.
Kuba proklamierte unter Castro einen "socialismo tropical",
Gadafi schuf in Lybien eine islamisch-saekulare, sich
panarabisch-sozialistisch verstehende Raeterepublik, (in der er
selbst als Revolutionsfuehrer aber immer noch ziemlich alleine
die Spielregeln bestimmt) und der Iran wurde unter dem
allgewaltigen Imam und "Obersten Rechtsgelehrten" Khomeini zu
einer "Islamischen Republik". Kuba ist oekonomisch schwer unter
Druck und hat ausser Zucker nicht viel zu bieten, waehrend Libyen
und der Iran mit Hilfe ihres Oels reiche Staaten geworden sind.
Doch wenn auch die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen
in den drei Staaten sehr unterschiedlich sind, so haben sie vor
allem gemein, dass sie alle vom schlechten Verhaeltnis ihrer
Regierungen zu den USA und anderen Imperialmaechten gepraegt
sind. Vor den Revolutionen von 1959, 1969 und 1979 waren diese
drei Staaten in der Hand von Vasallen-Regimen der Supermacht:
Cuba war unter Batista billiger Zucker- und Tabaklieferant und
"der Puff der USA", in Lybien herrschte ein von den
Post-Kolonialmaechten Grossbritannien und USA eingesetzter Koenig
und im Iran die Dynastie der Pahlevis, die sich als lokale
Hegemonialmacht von Washingtons Gnaden gerierte. Diese
Regierungen waren alle auch undemokratisch (selbst im
buergerlichen Sinn des Wortes) und von geringer Legitimitaet,
aber wenigstens einigermassen berechenbar - zumindest was ihre
Lenkbarkeit durch die USA anging. William Wieland, vom State
Department meinte einmal: "Ich weiss, dass viele Batista fuer
einen Hurensohn halten, aber zumindest ist er unser Hurensohn."
Diese Haltung galt wohl gegenueber all diesen drei ancient
regimes als Staatsraeson.
Nicht nur die politischen, sondern auch die sozialen Bedingungen
waren vor den Revolutionen in allen drei Staaten miserabel. Die
vorhandenen Reichtuemer waren extrem ungleich verteilt und die
politisch durchaus sehr heterogenen Revolutionsbewegungen setzten
alle an diesem Missstand an. Die Auspraegung der daraufhin
enstehenden postrevolutionaeren Machtkaempfe und die Ergebnisse
dieser Machtkaempfe waeren aber nicht denkbar ohne das
Verhaeltnis zu den Imperialmaechten.
Beispiel Kuba: Urspruenglich war die neue Regierung alles andere
als rein kommunistisch und wurde sogar von der US-Regierung
anerkannt. Doch diese glaubte, dass sich de facto nichts auf der
Insel aendern wuerde. Dafuer hatte man aber nicht Batista
gestuerzt. Wenn die USA nicht soviel Druck auf die Regierung
gemacht haetten, ihre Vorrechte dort zu sichern, haette sich
Castro nie durchgesetzt. Die Umgestaltung der Wirtschaft hin zu
sozialen Reformen stiess auf den Widerstand der in Kuba
ansaessigen US-Firmen. Haetten die Firmen kooperiert, waere es
wahrscheinlich nie zu den Verstaatlichungen gekommen. Die USA
boykottierten Kuba und die Annaeherung an die Sowjetunion wurde
zur Ueberlebensfrage der kubanischen Regierung. Und bis heute
haelt sich Castro dank seiner Bedeutung als Symbol fuer den
Sozialstaat und die Unabhaengigkeit von den USA.
Ebenso sind in Libyen die Unabhaengigkeit von den westlichen
Imperialmaechten und der proklamierte Panarabismus die einigenden
Elemente der Gesellschaft. Und der Iran stabilisierte seine
Islamische Republik durch die gleichermassen als Bedrohung
empfundenen Hegemonialansprueche der USA und der Sowjetunion.
Das vorliegende Buch beleuchtet sehr ausfuehrlich die Geschichte
der drei Staaten (auch zurueckgehend in fruehere Jahrhunderte),
wie die Revolutionen entstanden und was aus ihren "dritten Wegen"
wurde und ist so auch als Handbuch fuer jede der drei Regionen
brauchbar. Sollte es allerdings eine zweite Auflage geben, was
dem Buch durchaus zu wuenschen waere, so waere der Rezensent sehr
erfreut, wenn es einen brauchbaren Anhang erhielte. Denn
Revolutionen sind nunmal die am wenigsten ueberblickbaren
Abschnitte der Geschichte. Eine brauchbare Zeittafel und ein
Glossar (inclusive einem Who-is-Who der alten und neuen Regime)
braechten zwar eine gewisse Redundanz in das Werk, waeren aber
fuer die Uebersichtlichkeit des ansonsten durchaus leicht
lesbaren Werkes sehr von Nutzen. *Bernhard Redl*
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