Heldenplatz:
> Nachlese zum 8.Mai
Wild ging es zu am Kapitulationstag - allerdings
gluecklicherweise nur bei den eMail-Verteilern und
Nachrichtenagenturen. Zum ganzen weitgespannten Themenkomplex
Demonstrationsrecht, Vermum- mungsverbot, Burschenschaften,
Wehrmachtsausstellung und so weiter hatten alle irgendwas zu
berichten. Ein Rueckblick: Aufgefallen ist...
*
...ein Polizeiuebergriff am Heldentor. Die "Antifaschistische
Linke" (almail@gmx.net) sucht Photos und AugenzeugInnenberichte
von einem Vorfall am 8.5., als Polizisten einen behinderten
Jungen verpruegelt haben sollen. Der Vorfall habe sich gegen Ende
der Demo bei einem der Seitentore des Heldenplatzes (Boehmtor,
vom Ring gesehen links neben dem Heldentor) zugetragen.
*
...dass die Burschenschafter ihr Programm vollkommen umstellten.
Das "unpolitische" Totengedenken fand schon am Vormittag statt.
Der "Fackelzug" verzoegerte sich hingegen auf 20:30 und fuehrte
rund hundert Meter weit - vom Josefsplatz in den Schweizerhof.
Der Vortrag mit Nordbruch fand ueberhaupt erst am Donnerstag
statt. Und der Aerztekongress wurde verlegt. Warum deswegen dann
immer noch den ganzen Tag die halbe Innenstadt abgesperrt werden
musste, kann wohl nur auf den Justamentstandpunkt zurueckgefuehrt
werden: "Wir wollen keine linke Demo am Heldenplatz, punktum!"
Und an dem Verkehrschaos sind nur die boesen Demonstranten
schuld!
*
...dass trotz ablehnender Haltung des Militaerbischofs mit
Militaerdekan Alfred Sammer dennoch ein geistlicher
Wuerdentraeger das burschenschaftliche Heldenbekraenzen mit
seiner Anwesenheit legitimierte.
*
...ein Demo-Block, dessen Farbgebung einem "die Augen einhaut",
aber durchaus eine chromatische Anreicherung bedeuteten. (siehe
Kasten/Anhang)
*
...oder besser: Abgefallen ist die Nase vom Siegfriedskopf. Aber
er wird sicher wieder eine neue Nase bekommen. Denn obwohl schon
1990 der Uni-Senat beschlossen hatte, das Trum aus der Aula zu
entfernen, im Arkadenhof der Universitaet neu aufzustellen und
mit einer erklaerenden, antifaschistisch gesinnten Tafel zu
kommentieren, scheiterte das am Widerstand des Bundesdenkmalamts.
Also wird der Kopf auch sicher wieder restauriert werden. Man
sieht, wenn man in Oesterreich altes Klumpert nicht rechtzeitig
entsorgt, wird man es nie wieder los. Wer soll sich da noch
wundern, dass hierzulande noch immer so manches kaiserliches
Edikt in Kraft ist?
*
...Josef Cap mit seiner Idee eines "deeskalierendes
Vermummungsverbots". Wie ein Verbot auf eine Demonstration
deeskalierend wirken soll, kann uns Herr Cap nicht erklaeren -
war schon wohl lange auf keiner Demo mehr. Aber vielleicht meinte
er, die Polizei solle sich nicht mehr vermummen. Was die einzige
sinnvolle Erklaerung fuer dieses Statement gewesen waere.
*
...die FSG nicht durch besondere Demokratiefreundlichkeit. Bei
der letzten Arbeiterkammer-Vollversammlung hatten die
Alternativen und Gruenen GewerkschafterInnen (AUGE) den Antrag
gestellt, die AK wolle beschliessen: "Die Arbeiterkammer setzt
sich fuer Massnahmen ein, die die Identitaetsfeststellung
amtshandelnder Exekutivbeamter erleichtern. In einem ersten
Schritt fordert die Arbeiterkammer Wien, dass Angehoerige der
Exekutive ihre Dienstnummern offen und gut sichtbar an ihren
Uniformen tragen." Dank der Fraktion Sozialistischer
Gewerkschafter wurde dies abgelehnt.
*
...dass den Wiener Gruenen spaet, aber doch noch "massive
Bedenken" gegen ein Vermummungsverbot gekommen sind. Die
stellvertretende Bundessprecherin der Gruenen, Eva Glawischnig,
verkuendete dies am Dienstag in einer Pressekonferenz. Wer, wie
Westenthaler, die strafrechtliche Ahndung fordere, "muss sich den
Vorwurf gefallen lassen, bewusst eine Eskalationsstrategie zu
verfolgen".
Ein Vermummungsverbot trage nicht zur Deeskalation bei, sondern
"es zwingt eigentlich zur Eskalation", meinte Glawischnig laut
APA.
Eine klare Abgrenzung von den Pilz-Aussagen ueber eine
"Gespraechsbereitschaft" war diesem Statements allerdings nicht
zu entnehmen.
*
...OeKB-Chef Keimel mit einer Stellungnahme links von der
Koalition. Diese APA-Aussendung muss man geniessen:
"Der Oesterreichische Kameradschaftsbund (OeKB) appelliert an das
Sozialministerium, bei der Anrechnung von Pensionsersatzzeiten
fuer Wehrmachtsdeserteure grosszuegig vorzugehen. Nach 57 Jahren
muss man hier sehr gerecht und grosszuegig vorgehen, es waere
falsch in der damaligen Gesetzeslage zu verharren, erklaert Otto
Keimel, Praesident des Veteranenverbandes ehemaliger
oesterreichischer Wehrmachtssoldaten. Nachsatz: In Wirklichkeit
war auch ich ein Deserteur.
Dem Vorschlag, die Motive der Wehrmachtsdeserteure im Einzelfall
zu ueberpruefen, kann Keimel nichts abgewinnen: Wie soll denn
jemand beweisen, nach welchen Gruenden er damals desertiert ist?,
fragt der Chef des 250.000 Mitglieder starken
Kameradschaftsbundes. Ein Deserteur - zumindest der letzten
Stunde - sei schliesslich auch er. Als Ende April 1945 das
allgemeine Chaos ausbrach und auch noch Geruechte ueber den
Selbstmord Adolf Hitlers die Runde machten, hauten wir ab. Sein
einziger Gedanke an der Front in der Naehe des Gardasees sei
damals gewesen: Um Himmels willen - ab durch die Mitte.
Bis heute haben Deserteure, die von der NS-Justiz zu Haftstrafen
in Gefaengnissen oder Konzentrationslagern verurteilt worden
sind, keinen Anspruch auf Anrechnung dieser Zeiten in der
Pensionsversicherung. Laut Sozialministerium waeren die
Verurteilungen auch nach oesterreichischen Gesetzen von 1938
erfolgt und seien daher rechtmaessig. Soldaten und auch
Angehoerigen der Waffen-SS hingegen werden Zeiten einer
Kriegsgefangenschaft angerechnet. Sozialminister Herbert Haupt
(F) hat kuerzlich im Parlament eine Neuregelung in Aussicht
gestellt, allerdings auf noch fehlende Ergebnisse einer
wissenschaftlichen Aufarbeitung zu dem Thema verwiesen.
Auf unsere Ergebnisse muss man nicht warten, das ist eine Frage
des politischen Willens, meint dazu Walter Manoschek, der im
Auftrag des Wissenschaftsministeriums ein Projekt ueber die
oesterreichischen Opfer der NS-Militaerjustiz durchfuehrt. Falls
es hilfreich ist, koennen wir die bereits vorhandenen Datensaetze
jederzeit an die entsprechenden Stellen weitergeben. Dazu brauche
es keinen Forschungsendbericht. Ausserdem ist es nicht Aufgabe
unseres Projektes, politische Entscheidungen vorzubereiten, so
Manoschek zur APA. Sich hinter einem fehlenden Forschungsbericht
zu verschanzen, sei voellig unsinnig." (7.5.2002)
*
...als allerletzte Meldung ein besonders serioeser Kommentator
mit dem Pseudonym "krapfenbaeck" in einem Diskussionsforum auf
der ORF-Website: "Na, dann schau mal nach Holland, wo die
Linksterroristen wieder morden. Zero tolerance gegen die
Antifaprimitivlinge. Ab auf den Stuhl mit den Terroristen. Ein
Appell noch an die Pruegelknaben der Polizei auch bei der
heutigen Demonstration: einfach jeder Sturmhaube eine Kugel in
den Kopf, wozu hams die Dienstwaffen (Glock sei Dank)."
Da kann sich ja sogar noch Herr Westenthaler eine Scheibe
abschneiden. *br*
*****
Kasten:
> pink + silver
Am 8. Mai hat es zum ersten Mal auch in Wien einen
Pink+Silver-Block gegeben. Der Block war zwar noch recht klein,
dafuer, dass die Idee aber eher sehr kurzfristig vor und auf der
Demo aufgegriffen wurde, doch sehr erfolgreich.
Immerhin wollten sich einige Leute gleich mit beteiligen, viele
andere wollten einfach nur wissen, was es denn mit Pink+Silver so
auf sich habe. Gerade auch das Herumgestaenkere von einigen
maennlichen Demoteilnehmern zeigte eigentlich nur, wie wichtig
solche Aktionsformen auch bei hiesigen Demos waeren.
Bei den grossen Demonstrationen sind in den letzten Jahren immer
wieder "Bloecke" von DemonstrantInnen aufgetaucht, die bunt und
bizarr gekleidet sind und mit Samba (oder anderer Musik) vor den
Polizeisperren tanzen. Am haeufigsten nennen sie sich Pink /
Silver, aber auch andere Begriffe kommen vor wie Tactical
Frivolity oder Radical Cheerleading. Dabei geht es darum,
autonome Formen der Auseinandersetzungen zu finden, die sich
weder auf ein machohaftes Strassenkampfritual einlassen noch fuer
Gespraeche mit RepraesentantInnen der Herrschenden zur Verfuegung
stehen. Begruendet wird dieses autonome Konzept einerseits durch
die Ablehnung jeden Kompromisses mit herrschenden Strukturen (und
zwar mehr als die StrassenkaempferInnen, die sich auf
Kommunikationsformen der des Staates einlassen), aber auch damit,
dass jeder Aufstand mit lustvollen und karnevalesken Formen
verbunden ist.
Ein weiterer Punkt, der eine revolutionaere Rolle spielt, ist die
Verwirrung des die Gesellschaft dominierenden maennlichen
Blickes. (Soziale) Geschlechter werden durch die herrschenden
Strukturen immer wieder produziert: das maennlich kodierte ist
das abstrakte, das mit Macht und Geld verbunden ist, das weiblich
kodierte ist das "Koerperliche" und wird mit Erotik und
Sexualitaet verbunden. Diese Art der Produktion von Geschlechtern
soll durch die zu beschreibenden Aktionsformen verwirrt werden.
Durch Kleidung und Auftreten sollen Geschlechtskonstruktionen
laecherlich gemacht werden, aber auch Geschlechtsgrenzen
ueberschritten werden.
Fuer Mittwoch, den 29. Mai ein Pink+Silver Bastelworkshop
geplant. Ort dafuer ist wieder das Que(e)r Beisel, Ernst
Kirchweger Haus, Wielandgasse 2-4, 1100 Wien (U1 Keplerplatz).
Gleichzeitig soll der Anlass dazu benuetzt werden, an dem Konzept
interessierte Menschen zusammenzubringen und gemeinsame Aktionen
zu planen.
Gerade im Hinblick auf das WEF Treffen im September in Salzburg
wird es wohl notwendig sein, neue Konzepte des Widerstands
anzudenken. Viele alte Konzepte werden in einer Festung, die von
tausenden von PolizistInnen bewacht wird, wohl nicht
funktionieren. *arbeitsgruppe kritische kriminelle*
(ag_kritische_kriminelle@gmx.net)
quellen und weitere Infos:
http://www.rhythmsofresistance.co.uk/index1.htm - Homepage einer
Demo-Band
http://www.antiwef.org
http://www.raw.at (Rosa Antifa)
http://at.indymedia.org/front.php3?article_id=11022 - hier gibts
auch schoene Photos in metalissé und knallrosa (die im
Schwarz-Weiss der akin leider nichts hergeben wuerden) sowie
Debatten, wie sinnvoll solches Auftreten sein koennte.
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