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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 7. Mai 2002; 05:40
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Linke:

> Der 1.Mai und die ArbeiterInnenbewegung
> und wie die Gruenen dazu stehen

Nachfolgender Brief bezieht sich auf den von Piet Grusch
gezeichneten Aufruf der GA Brigittenau ("ProletarierInnen aller
Laender, aeussert Euch!", akin 10/02), in dem gebeten wurde,
Texte von maximal einer A4-Seite zu verfassen, um daraus bei
einer Maifeier eine Wandzeitung zu gestalten. Die Themenstellung
lautete: "Gibt es die ArbeiterInnenbewegung heute ueberhaupt
noch? Wer gehoert dazu? Wer nicht? Sind Maidemonstrationen heute
ein sinnentleertes Ritual oder handelt sich beim 1. Mai um einen
hochzuhaltenden Feier- und/oder Kampftag? Welche Bedeutung hat
dieser Tag fuer euch heute?"

***

Der erste Mai ist wichtiger Kampftag der ArbeiterInnenklasse, ob
sie es versteht oder nicht, liegt an der Vermittlung derer, die
darum wissen und ob es praktisch so ist, liegt an der Bewegung.
Die Geschichte des ersten Mai passt jedenfalls sicher nicht auf
eine A4 Seite, was zuerst einmal gegen das Wissen darueber beim
Herrn Grusch spricht. Leider erklaert uns Herr Grusch auch den
Begriff Bewegung nicht und so werde ich es mal versuchen: "Ein
Zusammenschluss von Leuten, die etwas veraendern wollen." Also
eine sehr schwammige Angelegenheit. Bewegungen wird es immer
geben, solange es mehr als eine Person gibt, die etwas veraendern
will. Grusch verwendet hier also - absichtlich? - einen sehr
ungenauen Begriff, der so auch nur zur weiteren Verwirrung
beitraegt, zumal er in seinen einleitenden Worten schreibt: "Die
Situation der ArbeiterInnenbewegung hat sich seit damals sehr
veraendert" - no na net. Jede Bewegung veraendert sich staendig.
Die Frage ist eher, ob sie sich weiter- oder zurueckentwickelt,
also klare Ziele definiert und diesen ueber ihre Handlungen auch
naeher kommt. Grusch weiter: "Von vielen wird ihre Existenz
heute abgestritten, von anderen wird sie nach wie vor als die
einzige fortschrittliche Kraft gesehen, die sich aber zur Zeit
ihrer Staerke nicht bewusst ist." und jetzt spaetestens, ist ihm
diese Ungenauigkeit auf den Kopf gefallen. Wenn es eine Bewegung
gibt, laesst sich ihre Existenz nicht leugnen. Siehe
Donnerstags-Demos und die Bestrebungen von Schuessel. Niemand hat
das je so behauptet. In einer Bewegung, die nicht existiert, wird
niemand eine fortschrittliche Kraft sehen koennen, die sich
irgendwessen nicht bewusst ist. Nein, hier geht es nicht um
Bewegungen, sondern um die Klasse! Klasse ist eine politische
Bezeichnung einer Gesellschaftsschicht. Da gibt es im
Kapitalismus (zur Zeit herrschendes oekonomisches System) die
ArbeiterInnenklasse der Produktionsmittelbesitzlosen und die
herrschende, kapitalistische, bourgeoise Klasse, die
Produktionsmittel- und/oder Kapital-BesitzerInnenund dazischen
das (Klein-)buergertum (Beamte, BildungsbuergerInnen, Bauern und
Baeuerinnen....). Jene, welche die Existenz der
ArbeiterInnenklasse bestreiten, tun dies, um den
Klassenwiderspruch zu leugnen und die Organisierung und
Bewusstwerdung der ArbeiterInnenklasse zu untergraben. Was nicht
ist, kann sich nicht verbuenden. Ist aber trotzdem,
Widerspruechen beweisen laesst. Das zu tun verstehe ich auch als
Aufgabe derer, die darum wissen. Nun gehoeren so Leute wie ich
meiner Meinung nach zu dieser ArbeiterInnenklasse (wenn andere
das anders sehen, soll es mich auch nicht daran hindern, mich
fuer diese einzusetzen) vielleicht auch die eine oder andere bei
den Gruenen, vielleicht sogar ein Grusch? Ganz sicher nicht der
Peter Pilz, und das nicht nur, weil der nicht gezwungen ist, fuer
seine Existenz seine Arbeitskraft zu verkaufen - also
oekonomisch - sondern auch ideologisch nicht, was ich anhand des
Beispiels der Donnerstagsdemo vom 2.3.2000 (auch der
Faschingsumzug gegen den Opernball), bei der ich festgenommen
wurde, beweisen moechte. 14.000 DemonstrantInnen auf der Strasse
gegen die schwarzblaue Regierung, die sie so nie gewaehlt haben,
von der viele soziale Verschlechterungen, viel Repression und ein
massiver ideologischer Rechtsruck in Oesterreichs Politik zu
erwarten ist, ebenso wie Militarisierung, Gleichschaltung und
wirtschaftliche Liberalisierung usw., was sie ja bis heute
anschaulich bewiesen hat. Weiters demonstrierten die Leute gegen
den Opernball, eine praepotente, dekadente Veranstaltung fuer
Reiche, die dort an einem Abend so viel ausgeben, wie ein(e)
ArbeiterIn in einem Jahr nicht verdient, die dort ihre Packeleien
und Trustments im Rausch besiegelt, die wir tags darauf mit
ausbaden muessen. Und nachdem auch die Buettel der Reichen ihr
alljaehrliches Schnorrdebuet mit einem vollkommen illegalen
"Observations- und Zugriffseinsatz" durch das SEK absolviert
hatten, dass jeden faschistischen Polizeistaat in den Schatten
draengt, aber das "demokratische" Oesterreich versteht so, dass
es Lauschangriff und Rasterfahndung, Panzer, Wasserwerfer und
Panzerfaeuste - oder waren's doch Klebebaender? - fuer die
Aufruestung "unserer" armen wehrlosen Polizei braucht. Ja, und
eben auch unser "Freund" Pilz versteht das, als er am naechsten
Tag die Polizei fuer ihren "vorbildlichen friedlichen Einsatz"
gelobt hat. Wahrscheinlich haetten sie in Pilz' Augen abdruecken
auch noch sollen, damit ihm mein Geschmiere erspart geblieben
waere. Aber mit seinem zerebralen Priapismus kann er
wahrscheinlich nicht anders. Trotzdem ein Angriff auf die
Bewegung und die ArbeiterInnenklasse.

Also jetzt wieder zurueck zum Thema: Natuerlich gibt es eine
ArbeiterInnenklasse, solange es einen Kapitalismus gibt, und
natuerlich gibt es auch bei den Gruenen ArbeiterInnen, aber das
macht die Gruenen noch lange nicht zu einer ArbeiterInnenpartei.
Das wird sich auch mit diesem bemuehten Anbiederungsversuch am
1.Mai nicht aendern, aber mit soviel Dilettantismus ist das
hoffentlich transparent. Liebe Gruene, macht bitte lieber
wirklich etwas fuer die ArbeiterInnenklasse, als sie mit noch
dazu falschen Scheindiskussionen zu verarschen. Danke! Oder lasst
es bleiben. *Werner*

***

> Antwort der Tipperin:

Da die Tipperin zufaellig identisch ist mit einer der
VerfasserInnen des Aufrufs zur Diskussion am 1.Mai, muss ich doch
den angegriffenen Herrn Grusch ein bisserl in Schutz nehmen. Er
hat zwar als Vertreter der Bezirksgruppe 20, die das Festl
organisiert hat, seinen Namen unter die Einladung gesetzt, und
daher unter den Aufruf, aber der Aufruf selbst stammt von anderen
Personen.

Uns ist schon klar, dass die Geschichte des 1.Mai nicht auf eine
A4-Seite passt, schliesslich sind Dutzende von Buechern zu diesem
Thema erschienen, ebenso geht die Diskussion um Arbeiterbewegung
und Arbeiterklasse nicht auf eine Wandtafel. Unser
dilettantischer Versuch sollte bloss einen kleinen Anstoss zu
einer kleinen Diskussion auf einem kleinen Fest liefern. Es tut
uns leid, dass daraus nicht gleich die Revolution geworden ist.
Es hat halt nicht sollen sein. Aber schoen waers schon gewesen!
Beim naechsten 1.Mai wirst Du uns halt helfen, es besser zu
machen. Oder meinst Du, dass man den Gruenen Diskussionen dieser
Art ersparen sollte?

Nur bei einem bitte ich Dich, in Zukunft vorsichtiger zu sein:
Wenn Du die Aktivitaeten des SEK so einstufst, dass sie "jeden
faschistischen Polizeistaat in den Schatten draengt", dann bist
Du ueber die Konzentrationslager, Misshandlungen und Morde
tatsaechlicher faschistischer Polizeistaaten entweder nicht
genuegend informiert - was ich zu Deinen Gunsten annehmen will -
oder Du hast einfach nicht nachgedacht beim Schreiben. *Ilse
Grusch*
 

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