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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 30. April 2002; 15:40
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Schwarzblau/Bildung:

> UG 2002: Worum es geht

Alle reden von der Universitaetsgesetznovelle oder gehen dagegen
sogar auf die Strasse. Wenn aus Elisabeth Gehrers Ministerium ein
Gesetz kommt, kann das nicht ein Ausbund der Weisheit sein,
soweit ist alles klar. Doch viele Uni-Fremde fragen sich: Was
sind die konkreten Kritikpunkte? Hier als Antwort eine
Zusammenfassung der *OeH Salzburg*:

*

Beim UG 2002 handelt es sich um die rechtlichen
Rahmenbedingungen, welche die Struktur der Universitaeten
Oesterreichs, die Studienplaene und nicht zuletzt auch das
Studienrecht regeln sollen.

Das Gesetz soll im Juni 2002 im Nationalrat eingebracht,
debattiert und beschlossen werden. Die Umsetzung
("Implementierung") soll dann am 1. Oktober 2002 begonnen werden,
und laengstens bis Dezember 2003 dauern (Ausnahme:
Kunstuniversitaeten - diese bekommen eine laengere Zeit zur
Umsetzung eingeraeumt)

Wie ist das UG 2002 zustande gekommen?

August 2001: Ministerin Gehrer legt ein Diskussionspapier zur
Universitaetsreform ("Uniautonomie") vor.

Bis 29. November 2001: Moeglichkeit der Begutachtung. Insgesamt
ueber 250 Stellungnahmen zum Diskussionspapier mit grossteils
heftiger Kritik aus versch. Gruenden am Vorschlag.

29. November 2001 bis Ende Februar 2002: Versch.
Verhandlungsrunden zwischen Ministerium und
Interessensvertretungen.

8. Maerz 2002: Vorstellung des vorliegenden Gesetzesentwurfs; bis
19. April erneute Moeglichkeit zur Stellungnahme.

Mitbestimmung/Aufbau

Bis dato sind annaehernd alle Gremien und
EntscheidungstraegerInnen innerhalb der Universitaeten
demokratisch legitimiert. Fuer Institutskonferenz,
Fakultaetskollegium oder fuer den Senat werden alle
VertreterInnen gewaehlt (Studierende: OeH-Wahl, andere Kurien
laut deren Satzung). Diese Gremien sind von den Verhaeltnissen so
geregelt, dass es fuer keine Kurie die absolute Mehrheit gibt.
Auch haben die so besetzen Gremien Entscheidungs- und
Umsetzungsrechte (Bspw. Studienplanerstellung, Habil- und
Berufungsverfahren, Wahl der VizerektorInnen,
InstitutsleiterInnen, etc.).

In Zukunft sollen zwar die Senatsmitglieder auch gewaehlt werden,
jedoch veraendern sich die Mehrheitsverhaeltnisse: 51%
ordentliche Profs, 25% Studierende, 24% teilen sich
Nichtwissenschaftliches Personal und Mittelbau. Die Rechte des
Senats werden auf Satzungsmaterialien und auf Studienplaene
eingeschraenkt. Unterhalb des Senats sind keine verpflichteten
Gremien mehr vorgesehen. Sollten dennoch vom Senat welche
eingesetzt werden, haben diese wie der Senat (also 51%, 25%, 24%)
besetzt zu werden, und haben nur noch Vorschlagsrecht.

Bisher wurden die Rektoren von der Universitaetsversammlung
gewaehlt (also von Delegierten aller Kurien), in Zukunft
uebernimmt dies der neu entstehende Unirat.

Des Weiteren hat der Unirat in Zukunft fast alle Entscheidungen
in der Hand. Von der Bestellung des Rektors bis hin zu
wirtschaftlichen Angelegenheiten. Er kann zwar einzelnes
delegieren, jedoch die Beschluesse fasst dieser Unirat.

Besetzt wird dieser mit voraussichtlich 5 Personen - 2 werden von
der Regierung/Ministerium benannt, 2 von der Universitaet,
die/der 5te wird von diesen 4 Personen bestellt. Sollten sich
diese nicht einigen, so wird auch die 5te Person von
Regierung/Ministerium bestellt!* Alle diese Personen duerfen
keine Angehoerigen der jeweiligen Uni sein.

Studienrichtungen/Institute/Fakultae-ten sind in Zukunft nicht
mehr vorgesehen! Sollte eine Universitaet sich entscheiden,
solche einzufuehren, dann muss der oben beschriebene Unirat
diesem Plan zustimmen. Ungeklaert ist in diesem Zusammenhang, ob
es in dieser Gliederung noch
Studienrichtungsvertretungen/Fakultaetsvertretungen
(Fachschaften) geben wird!

Gleichbehandlung

Zwar beinhaltet das UG 2002 diverse Punkte zur Frauenfoerderung,
hat aber dennoch einige gravierende und versteckte Fallen:

Nachdem nur 4% der ProfessorInnen Frauen sind, ist die Besetzung
des Senates und das Fehlen einer Frauenquote eine versteckte
Diskriminierung in Sachen Mitbestimmung.

Die Karenzzeit (Beurlaubung) fuer Studierende wird auf 2 Semester
eingeschraenkt!

Genderstudies sind im Gegensatz zu frueher nicht mehr vorgesehen.
Dies ist auch im Vergleich mit anderen Staaten der EU ein
Rueckschritt. Der Arbeitskreis fuer Gleichbehandlung wird in
vielen Belangen seiner bisherigen Kompetenzen beraubt.

Studienrechtliche Aenderungen

. In Zukunft nur noch 1 gesetzlich verankerter Pruefungstermin
pro Semester!

. Knock-out-Pruefungen werden gesetzlich ermoeglicht!

. Bei negativer Benotung nur noch 2 Wiederantritte gesetzlich
verankert!

. Keine Begruendungspflicht mehr bei negativer Benotung!

. Studierende aus Nicht-EWR-Laendern koennen zukuenftig vom
Studium ausgeschlossen werden!

. Neue sechsteilige Notenskala - Von "A" bis "F"! Diese ist
grossteils international nicht vergleichbar!

. Keine aktive Mitsprache bei Berufungs- und Habilverfahren.
Gleiches gilt fuer Studienplaene! (vgl. auch Mitbestimmung)

. Alle Studien muessen ein Baccalaureat einfuehren!

. Keine Rechtssicherheit mehr bei Anrechnung von Pruefungen an
anderen Unistandorten oder anderen Studien!

Wirtschaftliches

Laut Ministerium sind die Kosten fuer die Umstellung bis dato
"noch nicht quantifizierbar". Jedoch gehen die meisten von
folgenden Veraenderungen aus:

. Kostensteigerungen im Bereich Personalkosten, da es zukuenftig
nur noch Vertragsprofessuren und -Lehrverhaeltnisse geben wird.
Wahrscheinliche Veraenderung: zwischen 20% und 30% an Mehrkosten!

. Kostensteigerungen im Bereich Betriebskosten, da Unigebaeude
nicht mehr den Unis gehoeren, sondern von der
Bundesimobiliengesellschaft angemietet werden muessen! Zu
erwartende Kostenveraenderung: 20% bis 25% an Mehrkosten!

. Ein Teil der betriebenen Labors entspricht nicht den nun
kommenden Betriebs- und Arbeitsrechtlichen Bestimmungen.
Wahrscheinlich muessen 30% der von Oesterreichs Hochschulen
betriebenen Labors geschlossen und saniert werden. Kostenfaktor
ist hier noch nicht absehbar!

Hinweis: Die beschriebenen Mehrkosten werden NICHT durch das vom
Ministerium verteilte Budget abgedeckt. Es ist daher damit zu
rechnen, dass es zu massiven Personaleinsparungen kommen wird.
Diese gehen natuerlich wieder auf Kosten der Studierenden!

Ausblick

Das Gesetz soll wie oben beschrieben ab Oktober 2002 (also in 5
Monaten!) umgesetzt werden. In diesem Gesetz wird vieles nicht
mehr geregelt, was bisher gerade fuer Studierende - aber auch
fuer Mittelbau, ProfessorInnen, Nichtwissenschaftliches Personal
oder eben die Unileitung - als "normal" gegolten hat. Neben den
beschriebenen Veraenderungen wird damit zu rechnen sein, dass im
Zuge dieses Gesetzes ueber Kurz oder Lang die Studiengebuehren
den Unis zugewiesen werden, und gleichzeitig freigegeben werden.
Die derzeitige Regierung wiederum will dieses Gesetz nutzen, um
die Universitaeten loszuwerden, und die bisher damit verbundenen
Kosten aus dem Budget zu bekommen. Staaten mit aehnlichen
Ausgliederungen (bspw. Australien) haben schlechte Erfahrungen
mit aehnlichen Projekten und Gesetzen gemacht. Die
AkademikerInnenquote ist nachweislich noch weiter gesunken, das
Studium an guten Universitaeten unleistbar geworden.

Einzelne Unistandorte und Institute sind nachweislich durch
Kostendruck von der Schliessung bedroht! Lehre und Forschung
werden qualitativ sinken, da Zuwendungen durch den Staat nur noch
bei Erfuellung von "AbgaengerInnenquoten" gewaehrleistet sind -
Unis, die Prozentuell viele AbsolventInnen durchpeitschen, werden
"belohnt". Jene, die zu wenige AbsolventInnen gemessen an der
Studierendenzahl erreichen, werden dagegen finanziell
beschnitten!

Jedoch ist noch nichts entschieden und noch nichts umgesetzt -
daher ist auch das Motto der kommenden Wochen und Monate
gemeinsam mit den anderen Unigruppen Widerstand zu leisten, wenn
wir uns dies nicht weiter gefallen lassen wollen. Die Einfuehrung
von Studiengebuehren war der Anfang, nun folgt das "dicke" Ende!
(bearb.)

Quelle:
http://www.sbg.ac.at/ver/people/haas/projekte/uni-reform/020411_o
ehsbg-papier_stud.doc

Weitere Infos:
http://www.sbg.ac.at/ver/people/haas/projekte/uni-reform/sprachro
hr.htm

* Anm.d.Red.: Diese Regelung wolle sie sich "noch anschauen", so
Gehrer. Was bei diesem Gehrerblick allerdings herauskommen kann,
ist noch nicht geklaert.
 
 

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