**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 9. April 2002; 16:30
**********************************************************

USA/Afghanistan:

> Hilfe zum Kotzen

Die amerikanische Nahrungsmittelpakete in Afghanistan waren nicht
nur sinnlos fuer die Bevoelkerung -- sie waren
gesundheitsschaedlich. Das belegen nun auch Berichte von
militaerischen und zivilen US-Experten.

Der von der Bush-Administration propagierte Abwurf von
Essensrationen in Nord-Afghanistan, begeistert aufgenommen vom
Pentagon als Moeglichkeit, hungernden Einwohnern zu helfen und
gleichzeitig ihre Loyalitaet zu erreichen, hat in vielen
Zielgebieten keines der anvisierten Ziele erreicht. Zu diesem
Schluss kommen militaerische Experten, Angehoerige von
Hilfsorganisationen und ein Bericht von ehemaligen Offizieren.

Der Bericht der Offiziere, der kuerzlich im
Verteidigungsministerium und im Kapitol zirkulierte, hielt den
Abwurf der Nahrungsmittelpakete fuer so problematisch, dass er
ihren Stopp verlangte. Die hellgelben, in Plastik verpackten
Mahlzeiten platzten durch den Aufschlag auf, weil sie aus zu
grosser Hoehe abgeworfen worden waren, und verdarben, sodass sie
fuer die Hungernden eine Gefahr darstellten, anstatt sie zu
ernaehren.

Leutnant Colonel Greg Long, ein ehemaliger Offizier, der einen
Beitrag zu einem kritischen Bericht der nonprofit-Organisation
Partners International Foundation lieferte,  hatte mindestens 500
der gelben Pakete geprueft, die im November in Nord-Afghanistan
abgeworfen worden waren. Davon waren fast 70 % aufgerissen und
von diesen waren insgesamt 90 % verdorben. "Die Mehrzahl davon
hatte einen gasartigen Geruch und einen faulen Geschmack," sagte
er. Der Bericht der Foundation konstatierte: "Essenspakete, die
die Menschen krank machen, sind nur noch ein weiterer Grund, die
Vereinigten Staaten zu hassen."

Sprecher des Aussenministeriums verteidigen das "Hilfsprojekt",
geben aber zu, dass Verbesserungen noetig sind. Waehrend das
Pentagon noch behauptete, dass der Abwurf der Pakete aus grosser
Hoehe "effektiv" gewesen sei, wurde von einem anderen Sprecher
aus dem Verteidigungsministerium zugegeben, dass die Mahlzeiten
ueberhaupt nicht fuer den Abwurf aus Flugzeugen vorgesehen
gewesen waren.

Von Oktober bis Dezember warfen Transportflugzeuge zwischen
34.000 und 70.000 Essensrationen ab, vorwiegend in Regionen
Nord-Afghanistans, die von Hilfsorganisationen damals nicht
erreicht werden konnten. Von Anfang an kritisierten die
Hilfsorganisationen die Aktion als Propaganda-Kampagne, die ihre
Arbeit erschwerte, indem sie humanitaere Erfordernisse mit
miliaerischen Zielen mixte.

Als der afghanische Luftraum fuer amerikanische Maschinen
sicherer wurde, warf man die Hilfspakete aus geringerer
Entfernung ab. Aber verdorbenes Essen war nicht das einzige
Problem. Einige Beobachter gaben an, dass hungrige Afghanen
kleine Paeckchen einer Substanz assen, die dazu diente,
Feuchtigkeit zu absorbieren, aber nicht essbar war. Die Afghanen
konnten das aufgedruckte Warnsignal nicht verstehen. Nach dem
Bericht von  Colonel Long klagten 35 Personen ueber Beschwerden
nach dem Verzehr der Paeckchen.

Waehrend die amerikanischen humanitaeren Rationen einige Afghanen
krank machte, machten sie andere reich: Viele der gelben
Essenspakete wurden von Warlords und sogar von Kommandeuren der
Nordallianz gesammelt und auf lokalen Maerkten verkauft - nach
dem Bericht von Angehoerigen von Hilfsorganisationen und dem
Bericht der Partners International Foundation. "Gerade die
Beduerftigsten konnten nicht an die Hilfspakete kommen", sagte
Christopher Stokes (Aerzte ohne Grenzen).

Auch die gelbe Verpackung erzeugte Schwierigkeiten. Die
Hilfsorganisation Staff with Oxfam und afghanische
Entminungsgruppen beklagten, dass Kinder durch die froehliche
Farbe der Pakete in Minenfelder gelockt wurden. Zur weiteren
Verwirrung trug bei, dass die Farbe der Lebensmittelpakete der
Farbe von nicht explodierten Splitterbomben  aehnelte. "Durch
Aufklaerung zur Minenerkennung sind die Menschen dazu angehalten
worden, gelbe Pakete zu meiden," sagte einer der Forscher von
Human Rights Watch in Washington.

Timothy G. Conolly, der waehrend der Clinton Administration fuer
den Abwurf von Essenspakteten zustaendig war, kritisierte die
Praxis waehrend des Afghanistan-Krieges:

"Diese Operation hatte nur ein Ziel: internationale
Unterstuetzung fuer ein Bombardement gegen ein Land zu erreichen,
das schon halb in die Steinzeit zurueckgefallen war. Dass ein
paar Leute dadurch tatsaechlich Hilfe bekommen haben, war nur ein
Nebeneffekt". ###

*

Das Original dieses Textes von Elizabeth A. Neuffer erschien im
"Boston Globe" vom 26.3.2002.  Quelle:
http://www.commondreams.org/headlines02/0326-02.htm ; Ue. und
Bearb: akin

**********************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1010 wien, wipplingerstrasze 23/20
vox: ++43 (0222) 535-62-00
(anrufbeantworter, buero mo + di)
fax: ++43 (0222) 535-38-56
Redaktion: akin.buero@gmx.at
Abo: akin.abo@gmx.at
http://akin.mediaweb.at
Bank Austria, BLZ 12000, 223-102-976/00, Zweck: akin