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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Maerz 2002; 14:42
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Verkehr:

> Offener Brief

an Othmar Thann, Direktor des Kuratoriums fuer Verkehrssicherheit
(KfV)

Betrifft: Radfahrunfaelle

Sehr geehrter Herr Thann!

"Oesterreichweit verungluecken etwa 50% der Radfahrer auf
Kreuzungen im Ortsgebiet. Der Grossteil der Radverkehrsunfaelle -
rund 80% ereignet sich im Ortsgebiet. Ein entscheidender Beitrag
zur Erhoehung der Verkehrssicherheit waere die Errichtung eines
zusammenhaengenden, engmaschigen Radverkehrsnetzes" schreiben Sie
in einer Aussendung des Kuratoriums.

Eine Frage haette ich an Sie: Sind sie zuweilen mit dem Fahrrad
im Ortsgebiet unterwegs? Oder - mit Verlaub - vielleicht doch nur
auf der Donauinsel? Wenn Sie zum Beispiel mehr in Wien per Rad
unterwegs waeren, so wuessten Sie, dass gerade im
Kreuzungsbereich Radwege absolute Radlerfallen darstellen. Sehen
sich zum Beispiel das neueste mustergueltige Unding an der Wiener
"Zweierlinie" vor dem Museumsquartier an: Das sind 3 Autospuren
und rechts davon der Radweg: Koennen Sie mir verraten, wie ich da
ungefaehrdet geradeausfahren soll, wenn links von mir die
Rechtsabbiegerspur ist, auf der Autofahrer darauf eingestellt
sind, dass von rechts nichts kommt? Also wenn ich nicht nach
rechts in die Mariahilferstrasse fahren moechte, sondern
frecherweise zum Karlsplatz, fuehrt mich der Radweg prompt auf
Kollisionskurs mit dem Autoverkehr.

Die Zweierlinie ist sicher fuer uns Velocipedisten alles andere
als ungefaehrlich, aber es ist sicherer, nicht den Radweg zu
nehmen - nur, dass ich dann eben eine Verwaltungsuebertretung
begehe, weil ich nach dem Gesetz den Radweg benuetzen muesste.
Ich habe also, wenn an solchen Strassen Radwege existieren, nur
die Wahlfreiheit zwischen den Gefahren eines Unfalls und der
einer Verwaltungsstrafe. Von den Gehsteigradwegen, wo wir immer
in Konflikte mit Fussgaengern gejagt werden, einmal ganz
abgesehen. Und Sie fordern mehr Radwege zum Zwecke der
Verkehrsicherheit. Na, ich danke schoen.

Radwege sind noch nie fuer Menschen auf Fahrraedern gebaut
worden. Schon Verkehrskonzepte aus den 30er-Jahren belegen, dass
diese Ghettos vor allem dafuer gedacht waren, Fahrraeder von der
Fahrbahn zu verdammen, damit sie dem Autoverkehr nicht im Weg
sind. Spaeter kamen dann Umweltgruppen daher und vertraten dieses
voellig verkehrte Konzept, weil sie glaubten, damit den
Autoverkehr verringern zu koennen. Das autofahrende Establishment
zoegerte eine Weile, bis es begriff, dass man bequemerweise damit
drei Fliegen mit einer Klappe erschlagen kann: Die Interessen der
Autofahrer gewaehrleisten, der Verkehrskritik den Wind aus den
Segeln nehmen und die Radfahrer zum Hassobjekt der Fussgaenger zu
machen, auf deren Wege wir gezwungen werden. Nein, solange es die
Radwegbenuetzungspflicht gibt, glaube ich keinem Buergermeister,
dass er Radwege zur Verbesserung der Situation der
Verkehrssicherheit baut. Auch wenn er dann von Ihnen dafuer mit
dem Praedikat "Fahrradfreundliche Gemeinde" belohnt wird.

Mir ist durchaus bekannt, dass das KfV die Praxis des Radwegebaus
kritisiert, aber erstens steht davon nichts in der zitierten
Aussendung und zweitens gibt es prinzipiell keine
verkehrssicheren Radwege, weil jeder Radweg schon wegen der Logik
eines zweidimensionalen Verkehrssystems an jeder Kreuzung in
einen Konflikt mit dem Autoverkehr kommen muss.

Ich moechte Sie daher bitten, ein bisschen mehr mit dem Fahrrad
in der Stadt unterwegs zu sein. Dann werden vielleicht in Zukunft
weniger derartige Statements des KfV passieren. Und entschuldigen
Sie bitte meinen harschen Ton, aber ich habe in den letzten zehn
Jahren erlebt, wie die Situation sich fuer die von mir
praeferierte Verkehrsart immer mehr verschlimmert hat und es mir
langsam reicht, diesen Unfug dazu noch als "fahrradfreundlich"
praesentiert zu bekommen.

Veraergert, aber durchaus mit freundlichen Gruessen

*Bernhard Redl*

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