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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Maerz 2002; 14:33
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Causa Marcus O.:

> Omofuma heisst der Angeklagte

Berichte vom Prozess gegen drei Fremdenpolizisten

Die Angeklagten B., R., und K. hatten das besondere Privileg ,
durch das Richterzimmer, unbehelligt von den im Foyer wartenden
Kameras, in den Gerichtssaal gefuehrt zu werden. Die Anklage
lautet auf "Quaelen eines Gefangenen mit Todesfolge" gemaess §
312 StGB (Strafmass: 1 - 10 Jahre Freiheitsstrafe): Die
Begruendung der Anklageschrift hoert sich ueber weite Strecken
wie ein Plaedoyer der Verteidigung an: Die bisherigen Aussagen
der Polizei ueber den Tathergang werden unhinterfragt als
Grundlage genommen. Marcus Omofuma habe angekuendigt, dass er
sich nicht freiwillig abschieben lassen werde, daher sei schon am
26.4.1999 ein Erlass des Innenministeriums ergangen, dass ihn 3
Beamte begleiten sollen, und er sei zu Recht schon zu Beginn der
Abschiebung an den Haenden gefesselt worden. Nachdem er auf der
Fahrt zum Flughafen ruhig war, habe er dann - um die Abschiebung
zu verhindern - bei der Ticketkontrolle ploetzlich einen Versuch
der Selbstverletzung unternommen, indem er seinen Kopf gegen die
Scheibe des VW gestossen habe. Den angeblichen
Selbstverletzungsversuch erklaert die Staatsanwaltschaft damit,
dass ein Verletzter nicht transportiert worden waere. Dabei sei
es auch zu Beissversuchen und Treten gegen die Beamten gekommen,
die Marcus Omofuma an der Selbstverletzung hindern und ihn
ruhigstellen wollten. Dass der Angeklagte K von Marcus Omofuma im
Zuge dieser Auseinandersetzung in die Hand gebissen wurde, nimmt
die Staatsanwaltschaft ebenfalls bereits als erwiesen an. Das
kurzfristige Mundverkleben wird somit von der Staatsanwaltschaft
"wenn sie auch nicht der Menschenwuerde entsprechen" als
gerechtfertigt und masshaltend wie bei Notwehr dargestellt
(obwohl es eigentlich eine gegenteilige UVS-Entscheidung gibt).
In einem nicht korrigierten Versprecher bezeichnete die
Staatsanwaltschaft Marcus Omofuma als Angeklagten.

Im Flugzeug habe Marcus Omofuma einen weiteren
Selbstverletzungsversuch unternommen und sei schliesslich in der
vorletzten Sitzreihe mit erheblichem Kraftaufwand ueber den
Brustkorb an den Sitz festgeschnallt worden, sodass er in seiner
Atmung behindert war. (Hier kratzt die Anklageschrift erstmals
die Kurve in Richtung gegen die Angeklagten). Wegen des lauten
Stoehnens des Marcus Omofuma sei er weiter mit Leukoplast ueber
dem Mund und unter den Kinn bis hinten ueber dem Kopf verklebt
worden. Dabei sei auch ein Teil der rechten Nasenoeffnung
verklebt worden. Von einem Crewmitglied der Balkan Air sei
Omofuma fest geohrfeigt worden, weil er mit den Fuessen gegen den
Vordersitz geschlagen habe. Daraufhin seien ihm noch Fussfesseln
angelegt worden. Spaetestens ab diesem Zeitpunkt diente die
Verklebung nicht mehr der Abwehr von Angriffen sondern nur mehr
der Ruhigstellung und der Ungestoertheit der Passagiere und war
deshalb nicht mehr masshaltend und nicht mehr gerechtfertigt.

Die grossen Qualen, die dem Marcus Omofuma dadurch entstanden,
mussten den Angeklagten bewusst sein. Die Fesselung wurde
waehrend des gesamten Fluges aufrecht erhalten, obwohl laut
Meinung der Staatsanwaltschaft kurz nach dem Abflug jeder
Widerstand beendet war. Passagiere haetten die Angeklagten
aufgefordert, zu pruefen, ob Marcus Omofuma noch lebt. Dies
haetten sie nur geprueft, indem sie ihm die Hand unter die Nase g
ehalten haben. Der Todeskampf habe laut medizinischen Gutachten
zwischen 20 und 60 Minuten gedauert. Laut Staatsanwaltschaft sind
die Angeklagten im wesentlichen gestaendig, was sie schon jetzt
als Milderungsgrund wertet. Die Angeklagten haetten die
Abschiebung abbrechen koennen und muessen. Damit reduzierte die
Staatsanwaltschaft das Quaelen konkret auf die Dauer des
Mundverklebens und das voellige Fixieren durch Verschnueren und
Verkleben.

Wer ist hier der Dackel?

Der Verteidiger, der beiden ersten angeklagten Polizisten,
Rifaat, lobt zunaechst die Staatsanwaltschaft fuer ihre
"Sachlichkeit" und plaediert auf "nicht schuldig" im Sinne der
Anklage. Beweis fuer die Unschuld sei, dass die Polizisten nicht
sofort, sondern erst nach Anlaufen einer "medialen und
politischen" Kampagne suspendiert wurden. Das zeige, dass die 3
Polizisten nach Ansicht ihrer Vorgesetzten nicht gesetzwidrig
gehandelt haetten. Er betonte, dass sich die Beamten ueber die
moeglichen Konsequenzen ihres Handelns nicht bewusst gewesen
waeren und dass ein Unrechtsbewusstsein am 1. Mai 1999 noch nicht
gegeben war. Das laengere Mundverkleben sei zur Sicherheit der
Passagiere und zur Gewaehrleistung des ordnungsgemaessen Ablaufs
des Flugbetriebes erfolgt und sei deshalb sehr wohl masshaltend
gewesen.

Weiters versucht Rifaat die Verantwortung auf die bulgarische
Fluglinie abzuwaelzen, da der Pilot das letztes Wort haette und
einer der Flugbediensteten das Mundverkleben als Loesung fuer den
Fall des Widerstands durch Gestik angedeutet haette. Ausserdem
sei das Vorgehen der Polizisten ja nicht aus Jux und Tollerei
passiert, sondern aufgrund der Agressionshandlungen des Marcus
Omofuma, der den Angeklagten K. in die Hand gebissen habe.

Marcus Omofuma habe ein typisches Verhalten an den Tag gelegt, um
die Abschiebung zu verhindern. Wenn die 3 Polizisten in einem
solchen Fall einfach die Abschiebung abbrechen, taumle der Staat
in eine Vollzugsunfaehigkeit. Der qualvolle Zustand des Marcus
Omofuma sei fuer die Beamten nicht erkennbar gewesen, weshalb der
Vorsatz bezueglich des Quaelens fehle. Ohne Vorsatz koenne aber
der Tatbestand des § 312 StGB nicht verwirklicht sein.

Angeblich wurde Marcus Omofuma von einem der
Fluglinienbediensteten geschlagen, was Rifaat zu einem Gleichnis
inspirierte: Wenn 2 Jugendliche in einem Park einen Dackel an den
Ohren und am Schwanz festhalten und ihn rotierend herumschwenken,
dann waere es denkbar, dass der Richter dem eine oder andern
Jugendlichen eine Watschen verpasse, aber doch sicher nicht dem
Dackel. Mit diesem Vergleich will Rifaat nahelegen, dass Marcus
Omofuma in den Augen Dritter nicht der Gequaelte war. Er habe die
Watsche bekommen, weil er sich so renitent verhalten hat. Der
Schlag beweise, dass Omofuma nicht gequaelt wurde, sondern die
begleitetenden Beamten durch seinen Widerstand quaelte. Durch
sein Verhalten habe Omofuma ausserdem eine mitfliegende
Kindergruppe in Panik versetzt. Noch 3 Tage vor dem 1. Mai 1999
sei ein aehnlicher Fall dokumentiert, wo ein Schubhaeftling
randaliert geschrien habe, er werden gekidnappt und wolle zum
Kapitaen.

Man koenne ja nicht wissen, was alles haette passieren koennen,
denn es war eine Gruppe von 28 Kindern zwischen 10 und 14 Jahren
an Bord, die Omofuma haette als Geisel nehmen koennen und
schliesslich koenne man ja mit Flugzeugen auch das World Trade
Center anfliegen. Durch seine Noetigungshandlungen habe Marcus
Omofuma den Flugbetrieb jedenfalls gestoert.

Von den 3 medizinischen Gutachten gehen auch nur 2 von Erstickung
aus. Das oesterreichiche Gutachten von Prof. Reiter zieht auch
einen Tod aufgrund eines Herzleidens in Betracht. International
gebe es nur eine Methode um Erstickung wirklich eindeutig
festzustellen. Diese Blutgas-Methode sei in Sofia nicht zur
Anwendung gekommen und war spaeter nicht mehr moeglich. Insgesamt
koenne also nicht mit der fuer ein Strafverfahren notwendigen
Sicherheit von einem Erstickungstod ausgegangen werden. "Wenn
sich 3 Kapazunder von Aerzten nicht einig sind, ob er erstickt
ist, wie haetten die Polizisten das erkennen koennen". Wenn eine
Gesundheitsgefaehrdung anzunehmen war, dann sei jedenfalls der
Kapitaen des Flugzeuges verantwortlich zu machen. Die gesamte
Crew habe den Zustand des Marcus Omofuma gesehen und haette
gegebenenfalls entsprechend agieren muessen.

Normalfall O.

Am 3. Prozesstag kam es zur Vernehmung weiterer ZeugInnen. An
diesem7.Maerz waren insgesamt 7 ZeugInnen der Crew der
Balkan-Air Maschine, mit der Marcus Omofuma am 1.5.1999 nach
Sofia  abgeschoben werden sollte, vorgeladen.  Die 4 ZeugInnen,
die vormittags erscheinen sollten, kamen nicht. Darunter die
Chefstewardess, die in ihren Aussagen in Sofia, unmittelbar nach
den  Ereignissen, die zum Tod Marcus Omofumas gefuehrt hatten,
die detailliertesten  Angaben gemacht hatte. Sie begruendete ihre
Nichtanwesenheit mit "finanziellen,  beruflichen,
gesundheitlichen und persoenlichen Gruenden."  Am Nachmittag
waren dann doch 3 ZeugInnen da: 1 Stewardess, 1 Steward  und der
Bordingenieur der Balkan-Air Maschine.  Richter Fiala bemerkte
vor der Einvernahme der ZeugInnen noch, dass er ein  Schreiben
von Professor Radanov aus Bulgarien erhalten hatte, in dem dieser
sage, dass er nicht zur Verhandlung kommen werde. Er werde auch
keine  VertreterInnen schicken. Professor Radanov hatte nach dem
Tod von Marcus  Omofuma das erste medizinische Gutachten
angefertigt, in dem er Tod durch Ersticken diagnostizierte.
Rechtsanwalt Ofner bemerkte zur Absage Radanovs: "ein Gericht hat
in diesen  Staaten nicht so ein Gewicht wie bei uns".

Alle 3 ZeugInnen gaben an, damals bei der Protokollierung durch
die bulgarische Polizei die  Wahrheit gesagt zu haben, sich aber
jetzt nach 3 Jahren nicht mehr wirklich  erinnern zu koennen.
Alle drei gaben uebereinstimmend an damals von einem
Balkan-Air-Angestellten in Wien und der  Chefstewardess ueber die
bevorstehende Abschiebung informiert worden zu  sein. Alle drei
meinten, Abschiebungen gehoerten zur Normalitaet des
Berufslebens und man/frau vertraue auf die Obacht der
Sicherheitsbeamten.  Ausserdem stuenden sie meist unter
Zeitdruck, da der Flug von Sofia ueber Wien  nach Amsterdam und
zurueck zeitlich genau geplant waere. Verzoegerungen  wuerden nur
zusaetzliche Kosten fuer die Fluglinie bringen. *no-racism.net /
bearb.*

Mehr: http://www.no-racism.net/racismkills
Medizinisches Gutachten von Prof. Brinkmann:
http://www.8ung.at/gutachten
 
 

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