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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 12. Maerz 2002; 14:53
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Staatsrassismus:

> Aamir Ageeb: Deutschlands Omofuma

In Deutschland kommt jetzt endlich der Parallelfall zum Tod von
Marcus Omofuma in die Gaenge. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft
hat Mitte Februar 2002 Anklage wegen des Vorwurfs der
fahrlaessigen Toetung gegen drei Beamte des Bundesgrenzschutzes
erhoben. Die Beamten hatten am 28.Mai 1999 den sich heftig
wehrenden Sudanesen Aamir Ageeb auf dem Flug von Frankfurt nach
Khartum begleitet. Dabei drueckten sie den Ermittlungen zufolge
den Gefesselten so heftig in seinem Sitz nach unten, dass er
erstickte. Die Anklage stuetzt sich auf ein Gutachten der
Muenchner Rechtsmedizin. Den Beamten, die sich zu den Vorwuerfen
bisher nicht aeusserten, drohen Freiheitsstrafen bis zu fuenf
Jahren.

Wie die Ermittlungen ergaben, sollte der bereits seit einigen
Jahren in der Bundesrepublik lebende Aamir Ageeb  gegen seinen
Willen nach Khartum zurueckgebracht werden. Grund dafuer war,
dass der Sudanese nach Scheidung von seiner deutschen Ehefrau
keine Aufenthaltsgenehmigung mehr besass.  Da Ageeb bei den ihn
begleitenden BGS-Beamten im Alter zwischen 31 und 38 Jahren als
"ausgesprochen ausreiseunwillig" galt, war er an Haenden und
Fuessen gefesselt worden. Darueber hinaus wurde er fixiert an
seinem Sitz in der letzten Reihe des Lufthansa-Airbusses. Zudem
hatte man ihm noch einen Motorradhelm verpasst. Trotzdem soll der
Afrikaner ungebrochen weiter Widerstand geleistet haben, worauf
einer der BGS-Maenner - laut Anklage - dessen Kopf nahm und ihn
so nach unten drueckte, dass das Opfer bewusstlos wurde. Mit der
Leiche landete der Airbus zwei Stunden spaeter ausserplanmaessig
in Muenchen. Wie die Obduktion ergab, war der 30-jaehrige
Sudanese durch die Kopfbehandlung erstickt.

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft haben sich die BGS-Maenner
zu dem Vorfall bisher nicht geaeussert. Die drei Beamten sind
nach Angaben des BGS nicht vom Dienst suspendiert, haben aber
seit dem Todesfall nicht mehr an Abschiebungen mitgewirkt. Ein
Termin fuer den Prozess, der vor dem Frankfurter Schoeffengericht
stattfindet, steht noch nicht fest.

Noch eine Parallele zu dem Fall Omofuma: In den Presseberichten
unmittelbar nach seinem Tod wurde Ageeb weitgehend als ein
untergetauchter, krimineller, abgelehnter Asylbewerber
dargestellt. Diese Behauptungen gewannen in den ersten Tagen
einen so hohen Stellenwert, dass Ageebs Tod in den Hintergrund
rueckte. Was blieb, war ein stereotypes, rassistisches Bild eines
unbeherrschten, gefaehrlichen Afrikaners, den man mit Recht
abschiebt, wenn es sein muss, auch mit Gewalt. Die "Frankfurter
Rundschau" vom 30.5.99 berichtete: "In Sicherheitskreisen hiess
es, der Sudanese sei vorbestraft gewesen ... Der Mann sei
gewaltbereit und renitent gewesen." In der "Hamburger Morgenpost"
(31.5.99) war zu lesen von einem "wegen eines umfangreichen
Strafregisters bis hin zur gefaehrlichen Koerperverletzung
abgelehnten Asylbewerber." In der "Welt" (31.5.99) war zu lesen,
"der Sudanese sei mehrfach vorbestraft gewesen, unter anderem
wegen gefaehrlicher Koerperverletzung und Noetigung."

Der Frankfurter Journalist Klingelschmitt schreibt in der "taz"
(31.5.99) von einem "nach der Ablehnung seines Asylantrags
untergetauchten Ageeb", der laut Staatsanwaltschaft 'als
gewalttaetig bekannt' sei. Nach Informationen der taz sass der
Sudanese in der Justizvollzugsanstalt  Mannheim in Abschiebehaft.
Er sei im Regierungsbezirk Karlsruhe polizeibekannt gewesen ...
Ageeb wurde wegen 'gefaehrlicher Koerperverletzung und Diebstahl'
gesucht. Er war auch wegen sexueller Belaestigung aufgefallen."

Corinna Emundts Darstellung war geradezu grauenerregend
(Sueddeutsche Zeitung vom 7.6.99): "Allerdings, sagt BGS-Mann
Mueller, seien es seltener abgelehnte Asylhewerber, die sich
wehrten, sondern ausgewiesene auslaendische Straftaeter. Seinen
Kollegen war Ageeb, verurteilt unter anderem wegen schwerer
Koerperverletzung und Diebstahl, als gewaltbereit angekuendigt
worden. 'Man kann austicken im Kopf, wenn man die Strafregister
sieht, da wird meine Bereitschaft zu Rueckfuehrung groesser.'
Moeglicherweise auch jene, haerter zuzugreifen? 'Die Gefuehle
sind da, die kann man nicht abschalten', sagt Mueller. 'Wenn sich
einer wehrt mit aller Gewalt, da geht es knallhart zu', sagt
Steinke, beim zweiten Mal ist man nicht mehr so empfindlich'."

Amnesty International recherchierte die Behauptungen ueber Ageebs
Gewalttaetigkeit, die grossteils auf Agenturberichte
zurueckgingen, die wiederum auf innenministerielle Quellen
verwiesen. Im Bericht des Ministeriums war von drei
Verurteilungen wegen kleinerer Delikte zu Geldstrafen die Rede -
egal, was wirklich gewesen ist, in Strafhaft war Ageeb nie
gewesen: Der AP-Bericht damals meinte zu wissen: "In
Sicherheitskreisen hiess es, der Sudanese sei wegen Noetigung,
Diebstahls, Hausfriedensbruchs, gefaehrlicher Koerperverletzung
und Beleidigung auf sexueller Basis vorbestraft gewesen (...) Der
Mann sei gewaltbereit und renitent gewesen."

Die taz hingegen berief sich nicht auf den AP-Bericht, dort hatte
man selbstaendig "recherchiert". *akin*

Quellen: FR, 16.2.02, ai-JOURNAL, 11/1999,
beides zit. nach: http://www.aamir-ageeb.de.vu

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Belgien:

> Prozess wegen Aktionen gegen Abschiebungspolitik

Am 18.3. tritt in Bruessel die Chambre du conseil (Ratskammer)
zusammen, um zu entscheiden, ob es gegen 7 Gendarmen, darunter 3
Offiziere, die den Tod von Semira Adamu am 22. September 1998 zu
verantworten haben, einen Prozess geben soll. Aehnlich wie Marcus
Omofuma in Oesterreich, war sie im Zuge ihrer Abschiebung nach
Nigeria im Flugzeug gestorben, erstickt durch ein Kissen, mit dem
ihre Begleiter ihre Schreie unterdruecken wollten.

Am Tag darauf, dem 19. Maerz 2002, werden 18 AktivistInnen des
"Kollektiv gegen Abschiebungen", wegen Teilnahme an 5 Aktionen,
die im Jahr 1998 stattgefunden haben, vor Gericht stehen. In den
beiden Anklagedossiers werden 22 Anklagepunkte auf die 18
Personen verteilt, wobei einige wenige in besonders vielen
Punkten angeklagt sind.

Unter etlichen anderen Aktionen sticht dabei eine heraus, die dem
Staat ganz besonders nicht gefallen hat: Am 21. Juli 1998 konnten
nach einer Kundgebung zur Unterstuetzung von Semira Adamu 25
Inhaftierte aus dem geschlossenen Zentrum in Steenokkerzeel
fliehen. 8 Personen wird die Zerstoerung eines Drahtgitters,
Beihilfe zur Flucht, koerperliche Bedrohung und versuchte
Brandstiftung vorgeworfen. Ebenso 8 Leute und einer der
Inhaftierter sind zudem wegen Koerperverletzung angeklagt.
*Kollektiv gegen Abschiebungen / no-racism.net / bearb.*

Mehr: http://www.no-racism.net/deportatiNO/
bruessel_prozess_deportatiNO090302.htm
 

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