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Aussendungszeitpunkt:  Dienstag,  19.02.2002
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Israel:

>Anfang vom Ende der "nationalen Einheit"?
Ende Jaenner 2002 unterzeichneten rund 50 Offiziere und Soldaten
der Reserve einen Aufruf unter dem Titel. "Der Mut sich zu
verweigern. Brief der Kaempfer" (Anm.d.Red.: Mittlerweile sind es
254; Stand 18.2.). Bevor wir auf den Inhalt des Aufrufs eingehen,
sollte der Leser wissen, dass es in Israel neben dem
Grundwehrdienst (3 Jahre fuer Maenner, 2 fuer Frauen) bis zum
50.Lebensjahr fuer Maenner jaehrlich auch einen mehrwoechigen
Reservedienst gibt. Gemeinsam bilden sie "Zahal" (Zva Hagana
Le'Israel = Israelische Verteidigungsarmee, engl.Abkuerzung:
IDF). Die Armee war besonders seit der 2.Intifada (Herbst 2000)
v.a. mit der Niederhaltung des palaestinensischen Widerstands in
den besetzten Gebieten beschaeftigt.

Die Unterzeichner betonen zu Beginn, dass sie keine Pazifisten
sind. Sie haben den Staat Israel in allen Kriegen und an allen
Fronten verteidigt und waeren dazu auch jederzeit wieder bereit.
In den besetzten Gebieten gehe es jedoch nicht um die
Verteidigung des Landes, sondern um die Perpetuierung der
Herrschaft ueber die palaestinensische Bevoelkerung. Die
Okkupation fordere nicht nur einen hohen Blutzoll von beiden
Seiten, sie zerstoere auch alle positiven Werte  der israelischen
Gesellschaft. Sie diene eigentlich nur der Verteidigung der
Siedlungen, die im Falle eines Friedens sowieso geraeumt werden
muessten. Dazu sind die Unterzeichner nicht mehr bereit. Sie
beenden ihren Aufruf mit starken Saetzen, die dem Sharons
diametral widersprechen: "Wir werden nicht weiter jenseits der
Grenzen von 1967 kaempfen, um ein ganzes Volk zu beherrschen, zu
vertreiben, auszuhungern und zu erniedrigen. Wir erklaeren, dass
wir Zahal bei jeder Mission zur Verteidigung Israels weiter
dienen werden.  Die Aufgaben der Okkupation und Unterdrueckung
dienen diesem Zweck nicht - und wir werden daran nicht
teilnehmen".

Um die Tragweite dieses Aufrufs - und der Reaktionen darauf -
beurteilen zu koennen, sei daran erinnert, dass bei frueheren
Gelegenheiten (Libanonkrieg 1982, 1.Intifada 1987ff) auch die
selektive Wehrdienstverweigerung auf Ablehnung selbst der
(zionistischen) Linken stiess. Zahal galt als "heilige Kuh",
Inbegriff einer demokratisch legitimierten (juedischen)
Volksarmee. Diesmal liess der Widerstand so lange auf sich
warten, weil es Ehud Barak, dem frueheren Premierminister von der
Arbeitspartei, gelungen war den Eindruck zu erwecken er haette in
Camp David (Sommer 2000) ein unheimlich grosszuegiges Angebot
gemacht, das Arafat  bruesk zurueckgewiesen habe. Aus lauter
Undankbarkeit und Heimtuecke haette er darueber hinaus die Al
Aqsa-Intifada gestartet, um Israel schrittweise und durch die
Ueberflutung mit Millionen palaestinensischen Fluechtlingen zu
zerstoeren. Mit Krokodilstraenen wurde der Verlust des "Partners"
Arafat beklagt und die Arbeitspartei begab sich in die Arme des
Wahlsiegers vom Februar 2001: Ariel Sharon. Seither kam Shimon
Peres die zweifelhafte Ehre zu Sharon's Politik nach innen und
aussen "erklaeren" zu duerfen...

Wie immer auch das Scheitern von Camp David nun beurteilt wird -
und inzwischen sind zahlreiche Details bekannt geworden, die den
offiziellen Mythen widersprechen - die Eskalation in den
besetzten Gebieten hat eine derartige blutige Eskalation von
Repression,  Gewalt, Terror (einschliesslich zahlreicher
islamistischer Selbstmordanschlaege) und Aussichtslosigkeit
erreicht, dass selbst jene, die selektive Wehrdienstverweigerung
frueher abgelehnt haben, nun in ihrer Meinung schwanken. Die
Verweigerer sind nicht das einzige Symptom. Letztlich wird auch
offen von Kriegsverbrechen gesprochen, deren Verantwortliche in
Den Haag landen koennten. Trotz einer grossen Koalition des
Schweigens und der Gehirnwaesche, trotz der kurzsichtigen
Unterstuetzung, die George W.Bush  Sharon angedeihen laesst,
scheint die israelische Gesellschaft an einem Wendepunkt
angelangt zu sein.

Der Burgfrieden ist vorbei.

*John Bunzl*

Der jeweils aktuelle Stand der Anzahl an Unterzeichnern sowie
weitere Informationen ueber diese Gruppe sind in englischer
Sprache unter URL W³.seruv.nethost.co.il
nachzulesen.
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