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Aussendungszeitpunkt:  Dienstag,   12.02.2002
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G'schichten aus der Wienerstadt:
>Ein Monument fuer Fritz Gruenbaum
*
" ... Die Hund' auf der Erd' und die
            Voegel in der Luft!
Und hoch ueber mir zieh'n die Schwalben die
            Kreise,
Und am Sockel lehnen die Hunde leise,
Und all das
            Getier wird beim Sterneblitzen
Mein Denkmal bei Nacht zum
            Benetzen benuetzen
So tut das Getier seine Liebe mir kund:
Von
            oben die Voegel, am Sockel die Hund!"
(aus: Fritz Gruenbaum,
            "Entwuerfe fuer ein Gruenbaum-Monument")
*
Ein wohl zu
            jeder Zeit beliebter Gemeinplatz besagt, dass
jegliches Kabarett,
            und sei es auch noch so satirisch ueberhoeht,
durch die real
            existierende Politik immer wieder bei weitem
uebertroffen wird.
            Und die wahre Geschichte der Benennung eines
kleinen Platzes in
            Wien-Mariahilf nach dem grossen Kabarettisten
Fritz Gruenbaum
            scheint mir diese These auch recht anschaulich
            zu
bestaetigen.
Es war im Fruehling des Jahres 1979, als
            ich mit handgemalten
Plakaten gegen die geplante Verbauung eines
            grossen Grundstueckes
an der Linken Wienzeile protestierte. In
            einer dermassen
gruenarmen Wohngegend waere, so dachte ich (und
            spaeter auch
tausende andere MariahilferInnen), die Errichtung
            einer
oeffentlichen Parkanlage viel vordringlicher.
Die
            sich ueber Jahrzehnte erstreckende Geschichte der
            daraufhin
entstandenen "Buergerinitiative Denzelgruende" kann
            hier nicht
naeher abhandelt werden - sie wuerde ein dickes Buch
            fuellen. Es
ist aber sicher kein Zufall, dass nicht nur ich,
            sondern auch das
Gruendungsmitglied Regina Hofer spaeter
            kabarettistisch taetig
wurden ...
Unsere Initiative
            erreichte jedenfalls nach langwierigen
politischen Kaempfen, dass
            auf dem Gelaende ein provisorischer
Park eingerichtet wurde, den
            wir mitgestalteten und in unserer
Freizeit aufopferungsvoll
            betreuten. Und wie es mit Provisorien
in Wien halt so ist: Sie
            tendieren schon nach kurzer Zeit stark
dazu, sich als
            unanfechtbare Dauereinrichtungen zu etablieren.
Als es nach
            einigen Jahren schliesslich so aussah, als ob
            unserem
Park-Provisorium der offizielle Status einer amtlich
            betreuten
staedtischen Anlage zuteil werden wuerde, bot sich im
            Mariahilfer
Bezirksparlament ein interessantes Schauspiel: Die
            Vertreter von
OeVP und SPOe, die bislang anstelle des Parks
            verschiedene
Verbauungsvarianten favorisiert hatten, beeilten
            sich nun, einen
Namen fuer die kuenftige Anlage zu
            bestimmen.
Da im sechsten Wiener Gemeindebezirk der schoene
            Brauch gepflogen
wird, Parks nach Kuenstlern zu benennen, die
            hierorts gewohnt
oder gewirkt haben, beantragten Schwarz und Rot
            eine Namensgebung
nach dem Schauspieler Alexander Girardi oder
            nach der Taenzerin
Fanny Elssler. Dies wurde jedoch von Seiten
            der Gemeinde wegen
bereits existierender Benennungen
            abgelehnt.
Die einzige Stimme gegen diese aufdringlichen
            Patendienste war
die meinige: Ich war damals als erster gruener
            Bezirksrat der
"Alternativen Liste Wien" in die Mariahilfer
            Bezirksvertretung
gewaehlt worden und vertrat dort die Meinung,
            dass die
Namensfindung fuer den Park klarerweise jenen
            BuergerInnen
zustuende, welche diesen durch ihre langjaehrigen
            Bemuehungen
erkaempft hatten.
Gesagt, getan: Ich forschte
            nach moeglichen Namensgebern und
stiess schliesslich auf Fritz
            Gruenbaum. Dieser hatte in
unmittelbarer Nachbarschaft des Parks
            in zwei Lokalitaeten an der
Linken Wienzeile gewirkt: In der
            "Literatur am Naschmarkt" (dem
spaeteren "Ateliertheater") und in
            der "Hoelle", einem
Kleinkunstlokal im Keller des "Theater an der
            Wien".
Gruenbaum war kurze Zeit sogar Direktor der "Hoelle".
            Aus jener
Zeit stammt die beruehmte Szene, in welcher der
            Lokal-Chef
Gruenbaum sich selbst als Conferéncier engagiert.
            Nachdem er in
beinharten Verhandlungen seine Gage auf tiefstes
            Niveau gedrueckt
hat, ruft er sich selbst wutentbrannt zu: "Aber
            eines sag ich
mir: Glueck wird mir das keines bringen!" Und
            sowohl im Sketch
als auch im wirklichen Leben hat er damit recht
            behalten: Bald
darauf ging er mit der "Hoelle" pleite
            ...
Bei einer Buergerversammlung im Café Drechsler schlug ich
            also
vor, den Park nach Fritz Gruenbaum zu benennen. Meine
            Anregung
stiess allgemein auf begeisterte Zustimmung und der
            davon
zumindest kurzfristig beeindruckte OeVP-Bezirksvorsteher
            Kurt
Pint meinte daraufhin leutselig zu mir: "Na schoen, bringen
            S'
das halt in der naechsten Sitzung ein!"
Und das tat ich
            dann auch, nicht aber ohne in der
Antragsbegruendung darauf
            hinzuweisen, dass Gruenbaum auch
Libretti fuer das damalige
            Mariahilfer Revuetheater "Apollo"
verfasst hatte, das heute als
            "Apollo-Kino" weit ueber die
Bezirksgrenzen bekannt ist. Damit,
            so dachte ich, wuerde ich den
Bezirksbezug des Kuenstlers noch
            staerker unterstreichen und die
Chancen meines Antrages
            vergroessern. Jedoch - es sollte ganz
anders kommen.
Bei
            jener denkwuerdigen Bezirksvertretungs-Sitzung brachten
naemlich
            VP und SP gemeinsam den Antrag ein, den Park nicht nach
dem
            Kabarettisten Fritz Gruenbaum, sondern nach dem
            beliebten
"Volksschauspieler" Rudolf Carl zu benennen - er hatte
            in der
unweit des Parks gelegenen Koestlergasse gewohnt.
            Gruenbaum blieb
der Erfolg trotz eines engagierten Plaedoyers
            meinerseits
versagt: Er verlor das Match gegen den echten
            Oesterreicher Carl
haushoch mit 1:29.
Rudolf Carl war mir
            bislang nur aus einem Dialektgedicht von
H.C.Artmann bekannt
            gewesen: In der Bestandsaufnahme "wos an
weana olas en s gmiad
            ged" wird unter anderem auch "da rudoef
koal en da gatehosn"
            aufgezaehlt. Bei meinen nun folgenden
Recherchen wurde mir dann
            allerdings recht schnell klar, wie
zutiefst wienerisch jener Herr
            Carl tatsaechlich gewesen sein
musste: Als selbstdeklarierter
            illegaler Nazi wurde er nach 1945
zwar kurzfristig mit
            Auftrittsverbot belegt, konnte aber schon
bald wieder an seine
            frueheren Erfolge anschliessen und starb
schliesslich allseits
            geachtet eines natuerlichen Todes.
Fritz Gruenbaum hingegen
            hatte sich als Jude und scharfer
Kritiker des NS-Regimes bei den
            Nazis doppelt unbeliebt gemacht.
Folglich wurde er nach der
            Okkupation gleich mit dem ersten
Transport in das KZ Dachau
            gebracht. Noch im Zug wurde seine
"freche Zunge" von den Stiefeln
            eines SS-Mannes dermassen
maltraetiert, dass er das
            angeschwollene Organ fast nicht mehr in
den Mund zurueckziehen
            konnte. Und im KZ ist er dann auch
elendiglich
            gestorben.
Wir schrieben mittlerweile das Jahr 1988 und die
            Besetzung
Oesterreichs jaehrte sich zum fuenfzigsten Male. Also
            war das
Jahr hochoffiziell zum "Gedenkjahr" erklaert worden.
            Dazu
versuchte nun auch ich einen kleinen Beitrag zu leisten,
            indem
ich die Medien ueber die unerquickliche Groteske um
            die
Parkbenennung informierte und eine Unterschriftenaktion
            fuer
einen "Gruenbaum-Park" startete.
Die Aktion war ein
            voller Erfolg: Innerhalb weniger Wochen
unterschrieben nicht nur
            hunderte MariahilferInnen, sondern auch
dutzende prominente
            Kulturschaffende und viele Opfer des
Nationalsozialismus, unter
            ihnen auch Bruno Kreisky, der mit
Fritz Gruenbaum im
            Gestapo-Notgefaengnis Karajangasse den
Strohsack geteilt
            hatte.
Die Wiener SP beeilte sich nun, den peinlichen Fauxpas
            mit dem
Herrn Carl zu bereinigen: Im Gemeinderat wurde
            mehrheitlich der
Beschluss gefasst, den Park (dessen kuenftiges
            Weiterbestehen
mittlerweile sogar feststand) nach Fritz Gruenbaum
            zu benennen.
Und damit war die Angelegenheit nun doch noch zu
            einem guten Ende
gekommen. Dachte ich.
Anders dachte
            allerdings der Mariahilfer Bezirksvorsteher Kurt
Pint: Erbost
            ueber seine Niederlage mit dem voelkischen
Schauspieler gelang es
            ihm, die schon beschlossene Benennung des
Parks eisern so lange
            zu verhindern, bis dieser nach erfolgter
Neugestaltung
            schliesslich - ein in Wien einmaliger
Praezedenzfall - ohne Namen
            eroeffnet werden musste.
Dieser namenlose Zustand war auf
            Dauer natuerlich nicht haltbar.
Inzwischen aber war Helmut Zilk
            Wiener Buergermeister geworden
und beschloss, sich der Sache
            anzunehmen. Da fuegte es sich gut,
dass zu jener Zeit Henry A.
            Grunwald amerikanischer Botschafter
in Wien war, Sohn des von den
            Nazis vertriebenen juedischen
Operetten-Librettisten Alfred
            Gruenwald.
"Ein Gruen-Wald zaehlt doch viel mehr als nur ein
            einzelner
Gruen-Baum - da koennen ja gerade die Gruenen nichts
            dagegen
sagen!" dachte sich wohl der findige Zilk, ignorierte
            die
erbitterten Proteste der Gruenbaum-Anhaenger, liess die
            Wienzeile
festlich beflaggen und taufte die Gruenanlage im
            Beisein des
amerikanischen Botschafters feierlich "Alfred
            Gruenwald - Park".
Aber komplett absaegen konnte man den
            armen Gruenbaum nun auch
wieder nicht - schliesslich war sogar in
            der "Frankfurter
Allgemeinen Zeitung" ein bissiger Artikel ueber
            die bizarre
Angelegenheit erschienen. Also entsann man sich der
            Erwaehnung
des Revuetheaters Apollo als Wirkungsstaette des
            Kuenstlers in
meinem ehedem so schmaehlich niedergestimmten
            Antrag. Und die
Mariahilfer Bezirksvertretung beschloss
            einmuetig, den Platz vor
dem Apollo-Kino "Fritz Gruenbaum -
            Platz" zu nennen.
Dieser "Platz" bestand damals allerdings
            nur aus einer
Verkehrsinsel inmitten einer Kreuzung, auf der sich
            eine
armselige Betonschale mit unansehnlichen Gewaechsen sowie
            ein
Lichtmast befanden. An diesem Lichtmasten wurden nun im
            Winkel
von neunzig Grad zwei Strassenschilder mit dem neuen
            Namen
angebracht, wodurch alle vier Himmelsrichtungen abgedeckt
            waren
und somit der ganzen weiten Welt die grosse Ehrung, die
            dem
Kuenstler widerfahren war, unuebersehbar kundgetan
            wurde.
Die Mickrigkeit dieser Installation fiel auch der
            Bezirks-SPOe
unangenehm auf - ausserdem war auch weit und breit
            kein einziges
Gebaeude zu sehen, dem man ein Taferl mit
            Platznamen und
Hausnummer haette verpassen koennen. Also begab
            man sich auf die
Suche - und wurde, wie schon das alte Sprichwort
            ermutigt,
schliesslich auch fuendig.
In dem an der
            Gruenbaum-Kreuzung gelegenen Esterhazy-Park steht
ein
            unvergaengliches Mahnmal aus der Zeit des
            "Tausendjaehrigen
Reiches", ein Monstrum aus meterdickem
            Stahlbeton: Und dieser
Flakturm traegt nun auf Beschluss des
            Bezirksparlaments die
Nummer "Fritz Gruenbaum Platz
            1".
*
Nachwort
Der Bezirksvorsteher Kurt Pint
            verstarb vor einigen Jahren bei
einem Besuch des Gesundheitsamtes
            ueberraschend an einem
Herzinfarkt. Nach ihm ist nun auch ein
            Platz im sechsten Bezirk
benannt. Sein Nachfolger hat spaeter den
            Versuch unternommen, den
Gruenwald-Park doch noch verbauen zu
            lassen. Die
Buergerinitiative formierte sich erneut zum
            Widerstand und ich
kandidierte bei den letzten Wahlen auf der
            Liste der Gruenen
Alternative. Der Vorsteher wurde abgewaehlt und
            ich bin nach
zwanzig Jahren wieder Bezirksrat in Mariahilf. Auf
            dem Weg von
meiner Wohnung in's Amtshaus gehe ich sehr oft ueber
            den
Gruenbaum-Platz. Und manchmal ist mir, als wuerde ich von
            dort,
wo der Wind die ohrwaschelartigen Ausbuchtungen am oberen
            Ende
des Flakturmes umweht, ein eigenartiges Geraeusch vernehmen:
            Es
klingt fast so, als wuerde da oben jemand leise
            lachen.
*Richard Weihs*
Gratiswerbeeinschaltung:
            Richard Weihs lebt als Autor, Musiker,
Kabarettist (und
            Bezirkspolitiker) in Wien-Mariahilf; Zuletzt
sind von ihm
            erschienen: Die CD "Boeses LiedGut" (Hoanzl);
            Das
Schimpfwoerterbuch "Wiener Wut" (Uhudla Edition); Der Roman
            "Der
Blues-Gustl (Edition
            Aramo)
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