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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 27. November 2001;15:59
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BRD:
>Soligruppen vor den Richter?
Die Folgen des geplanten
Paragraphen 129b StGB in Deutschland sind noch
nicht
absehbar
Der § 129b, der neu in das deutsche
Strafgesetzbuch eingefuegt werden soll, stellt
die Gruendung,
Mitgliedschaft, das Unterstuetzen oder Werben fuer eine
kriminelle
oder terroristische Vereinigung die nur im Ausland
besteht in der BRD unter Strafe.
Er besteht nur aus einem
einzigen Satz: "Die §§ 129 und 129a gelten auch
fuer
Vereinigungen im Ausland". § 129 handelt von kriminellen und
§ 129a von
terroristischen Vereinigungen.
Die
Terroranschlaege in den USA waren nicht die Ursache, sondern nur der
Anlass fuer
diese Gesetzesaenderung. Ein entsprechender
Vor-Entwurf lag bereits seit 1999 beim
Bundesjustizministerium
vor , die Initiative stammt aus dem Jahre 1998 vom Rat der
Innen-
und Justizminister der EU, der in seinem Bereich fuer alle
Mitgliedslaender
eine entsprechende Gesetzesnorm schaffen will.
Dass die Bundesregierung bereits neun
Tage nach dem 11.September
den Gesetzentwurf mit dem Hinweis "eilbeduerftige Vorlage"
bei
den Gesetzgebungsorganen eingereicht hat, zeigt nur das Ausnutzen
der
Anti-Terrorismus-Stimmung.
Eine Strafvorschrift mit
der Zielrichtung wie der jetzige § 129b hat es im
politischen
Strafrecht in Deutschland noch nicht gegeben. 1871 schaffte
das
Reichsstrafgesetzbuch erstmals mit dem § 128 das "Verbot von
Geheimgesellschaften"
und mit dem § 129 eine Vorschrift gegen
staatsfeindliche Vereinigungen. Stuetze der
politischen
Verfolgung im Kaiserdeutschland ist das "Sozialistengesetz" von 1878
bis
1890, das der Bekaempfung und Illegalisierung der damals
revolutionaeren
Sozialdemokratie dient. Schon der Versuch, die
Organisation der SPD
aufrechtzuerhalten, war nach § 129
strafbar.
In der Weimarer Republik wurde die staatliche
Verfassung mit als Schutzgut in den §
129 aufgenommen.
Der
§ 129 spielte in den 70er Jahren noch eine untergeordnete Rolle bei
der
Bekaempfung der RAF, bis 1976 mit dem § 129a eine neue und
die heute wichtigste Norm
des politischen Strafrechts geschaffen
wurde. Der § 129a wurde 1987 noch einmal
erweitert und hat
seither die gueltige Fassung.
Was wird nach § 129a bestraft?
Die Gruendung, Raedelsfuehrerschaft, Mitgliedschaft,
das
Unterstuetzen oder Werben fuer eine terroristische Vereinigung. Eine
Vereinigung
ist nach der Rechtsprechung ein auf eine gewisse
Dauer angelegter Zusammenschluss von
mindestens drei
Personen.
Zweck oder Taetigkeit dieser Vereinigung muss auf
die Begehung einer der folgenden
Straftaten gerichtet sein: Mord,
Totschlag oder Voelkermord. Erpresserischer
Menschenraub und
Geiselnahme. Zerstoerung wichtiger Arbeitsmittel
oeffentlicher
Versorgungsbetriebe sowie von Polizei- und
Bundeswehrfahrzeugen. Schwere
Brandstiftung, Herbeifuehrung von
Atomexplosionen oder Sprengstoffanschlaege,
Missbrauch
ionisierender Strahlen. Herbeifuehrung einer Ueberschwemmung,
gefaehrliche
Eingriffe in den Bahn- Schiffs- und Luftverkehr.
Stoerung oeffentlicher Betriebe.
Angriffe auf den Luft- und
Seeverkehr / Flugzeugentfuehrungen.
Welches
Sonderrechtssystem wurde mit dem § 129a geschaffen? Nach den
gesetzlichen
Bestimmungen liegt die staatsanwaltschaftliche
Zustaendigkeit ausschliesslich beim
Generalbundesanwalt,
Ermittlungsorgan ist das Bundeskriminalamt und gerichtlich
sind
die Staatsschutzsenate der Oberlandesgerichte
zustaendig.
Nach der Strafprozessordnung besteht bei
Ermittlungen nach § 129a die Moeglichkeit zu
grossflaechiger
Telefonueberwachung, zu Grossrazzien in Wohnblocks, zur
Errichtung
von Kontrollstellen im Strassenverkehr und auf
oeffentlichen Plaetzen mit der
Moeglichkeit zur
Identitaetsfeststellung und Durchsuchung auch bei
Unverdaechtigten
sowie zur Anordnung der sog. Schleppnetzfahndung
mit der Moeglichkeit zur
Massenspeicherung von Daten und zur
Rasterfahndung.
Was bedeutet der neue
Paragraph?
Absolut zutreffende Aussagen zu den tatsaechlichen
Auswirkungen des § 129b werden
erst mit einigem zeitlichen
Abstand nach seinem Inkrafttreten getroffen werden
koennen.
Wichtig ist jetzt, ein realistisches Bild zu vermitteln.
In
Medien und im Internet finden sich teilweise recht "reisserisch"
aufgemachte
Beitraege. Wer Szenarien entwirft wie: Jemand geht
mit einer Che-Fahne auf eine Demo
und wird wegen 129b verhaftet,
schreibt Unsinn und erzeugt Unsicherheit. Der Paragraf
ist zwar
neu, er wird aber keine neue Praxis schaffen, sondern den
Erfahrungen mit
dem § 129a entsprechen.
Die Zielrichtung
besteht darin, in der BRD erfolgende Mitgliedschaft,
Unterstuetzung
und Werbung fuer als terroristisch angesehene
Organisationen ausserhalb des Landes zu
kriminalisieren.
Ansonsten bleibt es von der Definition, was eine solche
Vereinigung
ist, bis zum Ermittlungsapparat alles beim alten: Im
Mittelpunkt steht die
Ausforschung politischer Gruppen und
Milieus. Rund 95 Prozent der Verfahren nach den
alten
Bestimmungen enden ohne Verurteilung, ueber 90 Prozent ohne
Untersuchungshaft.
Schwerpunkt der Verfahren sind die Vorwuerfe
Unterstuetzen oder Werben.
Welche Vereinigungen sind
betroffen? Diese Frage ist nicht zu beantworten.
Moeglicherweise
geht es zunaechst gegen islamistische Strukturen, gemeint sind
aber
linke Vereinigungen, deren Landsleute im politischen Exil
und deutsche
Solidaritaetsbewegungen. Albanische UCK-Terroristen
und andere, die im Einklang mit
der deutsche Aussenpolitik
stehen, werden nichts zu fuerchten haben. Das Aufstellen
von
Listen kann man aber dem amerikanischen Aussenministerium und den
deutschen
Verfassungsschutzberichten ueberlassen.
Einige
Gerichtsentscheidungen was nicht kriminalisiert, sondern nach den
bisherigen
Paragraphen als legales Verhalten gewertet wurde:
Herausgabe einer Dokumentation von
Beitraegen der Organisation,
Besitz von zur Werbung geeignetem Material, blosser
Hinweis auf
die Organisation auf einem Plakat, blosser Besitz von Broschueren.
Zu
beachten ist auch, dass viele Solidaritaetsaktionen wie
Kundgebungen, Artikel oder
Internetseiten in der BRD geschuetzte
Grundrechtswahrnehmungen sind.
Die Unterbindung der
"finanziellen Strukturen des Terrorismus" hat in der
aktuellen
Diskussion eine beachtliche Rolle gespielt.
Solidaritaetsspenden stehen dabei - auch
von den Betraegen her -
sicher nicht im Vordergrund. Lockerung des Bankgeheimnisses
und
verstaerkte Meldepflichten der Banken ermoeglichen aber ebenso wie
die
Beschlagnahme von Geld bei einer Wohnungsdurchsuchung oder
die Kontrolle des
internationalen Zahlungsverkehrs einen
staatlichen Zugriff.
Internationale Zusammenarbeit von
Polizei und Geheimdiensten: Fuer EU- Europa (woher
die Initiative
fuer den § 129b ja gekommen ist) gehoert zu dem
eigenen
Anti-Terror-Paket auch die Schaffung einer
Terrorabteilung bei EUROPOL und eines
europaeischen Haftbefehls,
einer erleichterten Auslieferungspraxis und eine
verstaerkten
Kooperation gegen terroristische Bestrebungen. Ein
verstaerkter
Informations- und Datenaustausch von Deutschland mit
Sicherheitsorganen
aussereuropaeischer Laender ist zu erwarten -
unabhaengig von deren rechtsstaatlicher
Grundlage.
Mit der
Verabschiedung des § 129b wird noch in diesem Jahr
gerechnet.
*Rechtsanwalt Heinz-Juergen Schneider, Hamburg /
via Rote Hilfe e.V. / Antiknast
/
bearb.*
Kontakte:
Kontakt zum Autor: M@IL Rechtsanwalt-Schneider@gmx.de
oder
Tel/Fax 004940 - 8513116
Rote Hilfe e.V. - Ortsgruppe Muenchen
Schwanthalerstr. 139, 80339 Muenchen,
M@IL muenchen@rote-hilfe.de
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Gefangene
und staatsliche Repression: M@IL antiprison@anarchistblackcross.org
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