**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. November 2001;16:15
**********************************************************
Schoene neue Welt:
In der letzten Ausgabe (akin 28/01) war unter der
Rubrik "Das Vorletzte" eine Kritik
an der aktuellen UPC-Werbung
zu lesen. Nachstehend drei Reaktionen dazu - eine der
UPC
Telekabel auf ein entsprechendes Protestmail, eine eines Lesers und
eine des
LayOuters:
> Stellungnahme zu Ihrer
Beschwerde
Wir beziehen uns auf die per E-mail uebermittelte
Beschwerde gegen das von uns im
Rahmen der Einfuehrung "UPC
Digital" konzipierte und kreierte Plakat "Holen Sie
Ihren
Fernseher aus dem Tiefschlaf!" und erlauben uns, wie folgt
Stellung zu nehmen. Vorweg
versichern wir Ihnen, dass wir
zutiefst bestuerzt sind ueber Ihre Reaktion auf dieses
Sujet und
bitten Sie in aller Form um Entschuldigung fuer die tiefe
Betroffenheit die
dieses Plakat bei Ihnen ausloeste.
1)
Bei der am Plakat dargestellten Dame handelt es sich definitiv NICHT
um eine
Gefaengniswaerterin, die einen gefolterten Menschen
mittels "Kaltwasserguss" wieder
zu Bewusstsein bringen will.
Vielmehr sind wir in der Kreation von einer Art
"Heimleiterin"
ausgegangen (abgeleitet vom Aufwecken eines Zoeglings,
der
offensichtlich verschlafen hat). Im parallel zum Plakat
laufenden TV-Spot ist dies
auch in einer Szene, bei der die
"Heimleiterin" mit strengem Blick auf die 5 Minuten
nach 6
zeigende Wanduhr schaut, deutlich zu erkennen.
Die
Bezeichnung "Gefaengniswaerterin" ist eine persoenliche
Interpretation zu der
Darstellerin im Zweiteiler (sie traegt auch
definitiv keine Uniform!) und ist jedoch
absolut keine die wir
beabsichtigten und auch keine die von der Vielzahl von
Menschen,
die in die Kampagnenentwicklung involviert waren, jemals gesehen
wurde.
2) Selbst wenn der eine oder die andere BetrachterIn
nach eingehender
Auseinandersetzung mit dem Plakatsujet -
wovon nur in Ausnahmefaellen auszugehen
ist - zur Ueberzeugung
gelangt, es handle sich doch um eine Gefaengniswaerterin, ist
die
Assoziation zu "Folter" und "totalitaeren Regimen" nicht schluessig:
Fernseher
werden und wurden zu keinem Zeitpunkt mit Wasser
gefoltert, und schon gar nicht durch
Frauen! Der Fernseher hat
keinerlei Symbolcharakter, es ist was es ist, ein
rein
technisches Geraet.
3) Die Inhaber und alle anderen
beteiligten MitarbeiterInnen der Agentur Haslinger,
Keck
verwehren sich ganz vehement gegen die Unterstellung, mit dieser
Arbeit fuer UPC
Digital "moralisch bedenkliche" Werbung
hergestellt und einem sorglosen Umgang mit
den Themen
Menschenrechte bzw. -wuerde Vorschub geleistet zu haben. Gleiches
gilt
fuer die MitarbeiterInnen der UPC Telekabel.
[...]
*Gustav Soucek*
*Bereichsleiter Kommunikation &
Personal*
*UPC Telekabel*
***
> Kein
Zusammenhang
Vielleicht bin ich schon zu alt oder zu
bloede, aber ich sehe keinen Zusammenhang
zwischen einem
Fernsehapparat und einem Menschen. Und ausserdem kann mensch auch
auf
ein Auto einen Kuebel Wasser schuetten. Wo liegt der
Unterschied?
*Leo Graf*
***
>
Persil
Mehr koennen sie fuer ihre Waesche nicht tun. Guten
Abend!
Meines Erachtens ist die Kritik an der Werbung
verstaendlich und die darauffolgende
Reaktion der Werbefuzzis ist
eine Frechheit - auch Kinder im Heim weckt man besser
nicht mit
einem Kuebel Wasser auf. Das Aufwecken mit einem Wasserschock
ist
bekanntermassen eine aeusserst geeignete Methode, Traumata zu
verursachen. Und ich
sehe auch einen Zusammenhang zwischen einem
Fernseher und einem Menschen. Denn es
macht keinen Sinn, einen
Kuebel Wasser ueber einen Fernseher zu schuetten. Der wacht
davon
nicht auf, sondern wird davon eher kaputt. Einen Menschen aber kann
man so
aufwecken. Die Assoziation ist damit ziemlich
naheliegend.
Aber mir taugt aus ganz anderen Gruenden diese
Kritik nicht. Denn die Kritik, wie sie
in den letzten Jahren an
der Werbung geuebt wird, ist vollkommen in
postmoderner
Oberflaechlichkeit versackt und verkennt den Zweck
von Werbung. Immer wieder laufen
Debatten zur political
correctness statt die Frage zu stellen, ob wir uns
diese
penetranten Ueberflutungen unserer Aufmerksamkeit gefallen
lassen muessen. Uns wird
ins Hirn geschissen und wir beschweren
uns darueber, das die Scheisse nicht nach
Veilchen
riecht.
Wenn ich denke, dass ich schon als kleiner Bub soweit
dressiert war, dass ich
"Calgon, schuetzt ihre Waschmaschine,
Waschmaschine..." getraellert habe, kriege ich
eine Stinkwut. Wir
"Kinder der 70er" kriegen feuchte Augen, wenn wir von einer
CD
wieder die "Faserschmeichler" singen hoeren - diese geistigen
Umweltverschmutzungen
erscheinen uns als unsere nettesten
Kindheitserinnerungen. Wenn ich bedenke, wieviel
Gehirnkapazitaet
von diesem raffinierten Schwachsinn belegt ist, wird mir
uebel.
Okay, waere es nur voellig Sinnloses, haette ich kein
Problem damit - wir brauchen
alle auch ein bisserl Schwachsinn,
um in dieser Wahnsinnswelt nicht durchzudrehen.
Aber Werbung ist
eben nicht sinnlos, nicht frei von Zweck - sie bringt uns
dazu
Dinge, zu kaufen, die wir nicht brauchen, und sie bringt uns
dazu, mehr zu hackeln,
damit wir uns diesen Krimskrams leisten
koennen - und nicht selten genug verdienen
wir unser Geld prompt
wieder damit, genau diese Dinge zu produzieren, die
eigentlich
niemand braucht. Nur damit der Geldumlauf moeglichst
schnell passiert und das
Wirtschaftswachstum gesichert ist - als
reiner Selbstzweck eines irrwitzigen Systems.
Und ohne das
Schmiermittel Werbung laeuft dieses Werkel eben nicht.
Klar,
das ist alles nichts Neues. Laengst formulierte Kritik, was will
denn der da
eigentlich? Sicher, alles schon gehoert. Dennoch habe
ich den Eindruck, dass man
heute so etwas auch in einem linken
Magazin wieder schreiben muss, da diese
naheliegende Kritik doch
sehr in den Hintergrund getreten ist - sosehr haben wir uns
an
diese taegliche Manipulation schon gewoehnt.
Es gibt aber
wohl noch andere Gruende, warum fortschrittliche Kreise sich derart
gut
mit der Werbebranche arrangiert haben - die fast
vollstaendige Okkupation von
oeffentlichkeitseffektivem
Kommunikations- und Kulturschaffen durch die Werbebranche.
Zum
einen sind viele originell denkende Menschen selbst in der
Werbebranche versackt,
um "kreativ" sein zu koennen und auch noch
Geld dafuer zu kriegen. Oder sie sind
Journalisten oder arbeiten
fuer eine Internetfirma - beide Branchen finanzieren sich
zum
Grossteil aus Inseraten. Oder diese Progressiven organisieren
kuenstlerische
Events - und brauchen Sponsoren. Und der Herr
Generaldirektor kann dann im Interview
schildern, was er doch
fuer ein Philantrop und Maezen ist. Wer will denn da noch
Kritik
daran ueben? Schliesslich ist es ja wirklich nicht leicht, in jene
Haende zu
beissen, die einen fuettern.
Jetzt verstehe ich
schon, dass man in einer hochkommerzialisierten Welt
irgendwie
ueberleben muss. Aber man muss (mit einem
Kaestner-Wort) nicht unbedingt noch von dem
Kakao trinken, durch
den man gezogen worden ist? Vielleicht sehe ich das alles
auch
viel zu schwarz und uebertrieben und es ist uns ohnehin
allen klar, dass Werbung ein
Schas ist. Nur: Sind wir nicht alle
der Meinung, dass Werbung bei uns eh nicht
verfaengt? Gut,
moeglicherweise wird die Wirkung der Werbung
fuerchterlich
ueberschaetzt; aber wenn ich mir die Werbeetats
grosser Firmen ansehe, kann ich mir
nicht vorstellen, dass
Legionen von Konzernherren derartig in ihren eigenen
Interessen
irren.
Heutzutage in einer reizueberfluteten Welt haben wir
uns mit der Rundumbedudelung
abgefunden. Wir regen uns mehr
uebers Wetter auf als ueber diese Dauerverbloedung.
Aber muss das
so bleiben. Das kanns doch nicht gewesen sein, dass wir
Briefe
schreiben, um darum zu bitten, dass die Kampagnen der
Werbung doch nur nett und
menschenfreundlich und kindergerecht
unsere Hirne ueberrumpeln sollen. Ich verstehe
schon, dass
bestimmte Darstellungen in der Werbung besonders verletzend oder
auch
bedrohend wirken koennen, und ich hab auch gar nix dagegen,
die "Kriegsverbrechen" in
diesen Werbefeldzuegen zu kritisieren.
Aber wars das auch schon? Wenn ja, dann haben
wir die Form
unserer Werbekritik auf ein systemkompatibles Mass zurueckgeschraubt
und
den Overkill an Hirnkonfektionierung in seiner Gesamtheit
akzeptiert.
*Bernhard
Redl*
**********************************************************
'akin - aktuelle informationen'
wipplingerstrasze 23/20
a-1010 wien
kontakt: bernhard redl
vox: ++43 (0222) 535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
fax: ++43 (0222) 535-38-56
e-mail:akin.büro@gmx.at
Domain:http://akin.mediaweb.at
Bank Austria, BLZ 12000,223-102-976/00, Zweck: akin