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Aussendungszeitpunkt:  Dienstag, 30. Oktober 2001;18:51
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FPOeVP/Medizin:
>Eine Ethikkommission der Regierung
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schuessel (OeVP) hat eine "Bioethik-Kommission" ins Leben
gerufen, die sich Ende Oktober unter anderem mit der Biomedizin-Konvention
beschaeftigen wird.

In dieser Kommission sind MedizinerInnen, TheologInnen, PhilosophInnen und die
Pharmaindustrie vertreten. Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung - und damit
jenen Menschen, die die Folgen einer Biomedizin-Konvention am eigenen Leib spueren
koennten - ist in dieser Kommission nicht vorgesehen.

Die Plattform "Nein zur Biomedizin-Konvention" (der auch BIZEPS angehoert) startete
eine Internet-Umfrage: "Soll eine Bioethik-Kommission fuer die Bundesregierung aus
dem Personenkreis der Behindertenverbaende gebildet werden?" Das Ergebnis ist
eindeutig: 94,6 % der 205 Abstimmenden antworteten mit "ja".

Bioethik-Kommission

Bekanntlich verabschiedete das Ministerkomitee des Europarates im November 1996 die
Biomedizin-Konvention (siehe Kasten). Einige Punkte werden von der Plattform "Nein
zur Biomedizin-Konvention" abgelehnt, weil damit fundamentale Menschenrechte verletzt
werden. Es wurden am 5. Mai 1998 knapp 50.000 Unterschriften gegen die Konvention von
der Plattform gesammelt und ins Parlament eingebracht. Eine Ratifizierung durch
Oesterreich konnte bisher erfolgreich verhindert werden.

Lange Zeit sah es so aus, als habe Oesterreich von der Ratifizierung der Konvention
Abstand genommen. Nun soll aber offenbar die Bioethik-Kommission des Bundeskanzlers
den Weg fuer eine Ratifizierung bereiten. So wie es derzeit aussieht, soll dies auch
gegen den Willen der betroffenen Menschen - naemlich uns - geschehen. Die Plattform
hat daher beschlossen, eine Ethikkommission FUeR die oesterreichische Bundesregierung
einzurichten. Diese Kommission aus knapp 20 behinderten und nichtbehinderten
ExpertInnen der Plattform "Nein zur Biomedizin-Konvention" versteht sich nicht als
Konkurrenz, sondern als zweite Meinung FUeR die Bundesregierung.

Die konstituierende Sitzung fand am 5.Oktober statt. Eine Vorstellung unserer
Ethikkommission wird Ende Oktober im Rahmen einer Pressekonferenz erfolgen. Ab diesem
Zeitpunkt koennen sich Interessierte unter Ethikkommission fuer die oesterreichische
Bundesregierung, c/o OeAR, Stubenring 2 / 4, 1010 Wien, Tel.: 01 / 513 15 33, Fax: 01
/ 513 15 33-150 informieren.

Vielfach fuehlt sich der/die Einzelne in Fragen der Biomedizin, Genetik, usw.
ueberfordert. Haeufig wird nicht hinterfragt, ob wissenschaftlicher Fortschritt mit
den Grundwerten unserer Ethik vereinbar sind. Nicht alles was machbar ist, sollte
gemacht werden. Unsere Ethikkommission FUeR die Bundesregierung wird daher einerseits
die gesellschaftliche Diskussion in Fragen der Biomedizin begleiten und um den Aspekt
Behinderung bereichern. Andererseits gibt es auch Fragen, die mit dem derzeitigen
Wissen nicht beantwortbar sind; dies ist als Gesellschaft auch zugeben.

Ethik geht alle an

In den naechsten Monaten wird eine Vielzahl von ethischen Fragen auf unsere
Gesellschaft zukommen. Oesterreich hat hier eindeutig einen Diskussionsnachholbedarf.
Wir werden uns tatkraeftig mit unserer Ethikkommission FUeR die Bundesregierung in
diese Diskussion einmischen und fuer behinderte Menschen relevante Fragestellungen
eroertern.

Es ist Zeit damit zu beginnen.

*Martin Ladstaetter, bizeps*

Quelle: URL W³.bizeps.or.at

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Kasten:

>Die Bio-Medizin-Konvention

Eigentlich soll die Konvention erstmals Mindeststandards auf multilateraler Ebene zum
"Schutz der Menschenrechte und Menschenwuerde im Hinblick auf die Anwendung von
Biologie und Medizin" festlegen. Es bleibt jedem Mitgliedsstaat des Europarates
vorbehalten, darueber hinausgehende Schutzbestirnrnungen gesetzlich zu verankern.
Enthalten sind Regelungen zur medizinische Forschung, zur Organentnahme zu
Transplantationszwecken bei lebenden Personen und zur Embryoneuforschung. In manchen
Bereichen hat Oesterreich in der nationalen Gesetzgebung wesentlich strenger
formulierte Schutzbestimmungen.

Die Gefahr dieser Konvention werde erst klar, so die Oesterreichische
Arbeitsgemeinschaft fuer Rehabilitation (OeAR, die Dachorganisation der
oesterreichischen Behindertenverbaende) 1997 in einer Aussendung, wenn man die Folgen
der einzelnen Bestimmungen ueberlegt - als Beispiel der Artikel 17 ueber "Protection
of persons not able to consent to research" [einwilligungsunfaehige Personen], Absatz
2 "Exceptionally and under the protective conditions prescribed by law (...) such
research may be authorised..." ["ln Ausnahmefaehen und nach Massgabe der gesetzlich
vorgeschriebenen Schutzbestimmungen kann Forschung (...) zugelassen werden...' ].
Eine aehnliche Formulierung findet sich auch im Artikel 20 ueber die "Entnahme
regenerierbaren Gewebes".

Durch diese Artikel wird in "Mindeststandards" Forschung und Organentnahme an
"einwilligungsunfaehigen" Personen zugelassen. Die Forschung selbst muss fuer die
betroffenen Personen nicht zwangslaeufig nutzbringend sein, sondern darf sogar
gesundheitliche Risken bergen. Zu diesen Personen zaehlen Kinder, altersdemente,
geistig und psychisch behinderte Menschen und Komapatienten. Noch verhindern
Oesterreichs Gesetze, dass diese beiden Artikel an "einwilligungsunfahigen" Personen
Forschung und Organentnahme zulassen.

Weitere Kritikpunkte betreffen die Forschung an "ueberschuessigen" Embryonen die in
der Bio-Medizin-Konvention nicht eindeutig untersagt werden. Ein gravierender Mangel
sei auch das Fehlen von Datenschutzbestimmungen etwa im Hinblick auf die Ergebnisse
von genetischen Tests, so die OeAR.(OeAR/akin)

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Ein Veranstaltungstip zu einem verwandten Thema:

>Medizin-Ethik in Diskussion

Gruene und Co. diskutieren ueber STERBEBEGLEITUNG oder / und / gegen STERBEHILFE

"Die autonome Entscheidung todkranker Menschen ueber ein Sterben in Wuerde stellt
fuer die Gruenen einen hohen Wert dar", betont das am 7./8. Juli d. J. in Linz
beschlossene Grundsatzprogramm der Gruenen. Ob daraus eine Bejahung der Sterbehilfe
oder ausschliesslich ein Eintreten fuer eine moeglichst ausgebaute und
flaechendeckende Sterbebegleitung als "Palliative Care" abzuleiten ist, blieb in Linz
offen. Betont wurde aber in dem neuen Programm, dass ehebaldigst auf breiter Ebene
eine Gruene Diskussion ueber Fragen der medizinischen Ethik zu fuehren sei.

Im Sommer dieses Jahres trat diese Diskussion - gefuehrt von Einzelpersonen wie
Alexander van der Bellen, Kurt Gruenewald oder Stefan Schennach und manchen anderen -
vehement hervor.

Dieser Debatte wird jetzt mit einer Paneldiskussion fortgesetzt - mit:

Theresia Haidlmayr (NR-Abgeordnete - Gruene Behindertensprecherin)
Sigrid Pilz (Landtagsabg. - Gesundheitssprecherin im Gruenen Rathausklub)
Martin Salzer (Orthopaede - ao. Universitaetsprofessor)
Kurt Gruenewald (NR-Abg., Arzt, Gruener Gesundheitssprecher)
Moderation: Dieter Schrage, (Sprecher der Initiative Gruener SeniorInnen)

Termin: Dienstag, der 6.November 2001, 18h

Ort: Im Gruenen Haus, 1070 Wien, Lindengasse 40 (Grosser Saal)

Infos: Die Initiativen Gruenen SeniorInnen (IGS-Wien) Lindengasse 40, A-1070 Wien,
Tel 52125-246 (225), landesbuero.wien@gruene.at , URL W³.seniorinnen.gruene.at,
URL W³.gruene.at

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