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Aussendungszeitpunkt:  Dienstag, 30. Oktober 2001;18:51
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Asyl/Rechtsstaat/Korrespondenz:
>Klartext vom Aussenamt
Michael Genner, Geschaeftsfuehrer von "Asyl in Not" hatte schriftlich beim Aussenamt
gegen das Vorgehen des oesterreichischen Botschafters gegen afghanische Asylsuchende
protestiert. Und erhielt eine Antwort, die fuer die doch eher fuer ihre
Zurueckhaltung bekannten Diplomaten eher unueblich ist:

*

Sehr geehrter Herr Genner,

Ihre von jeglicher Orts- und Sachkenntnis unbelastete und schon alleine deswegen
unmassgebliche Meinungsaeusserung vom 12.10. strotzt von einer Mischung aus
unverfrorener Uninformiertheit und dreisten Verleumdungen. Ihre unverantwortlichen
Beschuldigungen, die jeder Grundlage entbehren, benutzen die Not asylsuchender
Menschen zu innenpolitischen Zwecken und schaden damit eben jenen Anliegen, die zu
vertreten Sie faelschlicherweise vorgeben.

Ihre Behauptung von einer "Knueppelorgie pakistanischer Polizisten gegen wehrlose
Fluechtlinge" ist schlicht unwahr. Trotz Warnungen durch die oertlichen
Polizeibehoerden vor einer Stuermung der Botschaft durch Asylwerber wurde die
Konsularabteilung der Botschaft erst am 8.10. auf Weisung des BMaA im Einvernehmen
mit dem BMI geschlossen. Die Menschenmenge vor der Botschaft wurde ohne
Gewaltanwendung durch eine Beamtenkette von der Botschaft weggedraengt und zerstreut
und, soweit feststellbar, hat auch niemand sonst in der Strasse einen gewaltsamen
Kampfstockeinsatz gesehen. Unterdessen sind bereits ueber 3.000 Asylantraege von der
Botschaft entgegengenommen und behandelt worden. Ohne voruebergehende Schliessung der
Konsularabteilung waere angesichts des bedrohlichen Massenandranges ueberhaupt keine
Entgegennahme von Antraegen mehr moeglich gewesen. Diese Umstaende allein zeigen
deutlicher als Worte, wie gleichgueltig Ihnen das Schicksal der Fluechtlinge in
Wirklichkeit ist.  Ihr anmassender Ton wird nur durch Ihre Unkenntnis uebertroffen.
"Asyl in Not" und die Fluechtlinge wuerden sich kompetentere Sprecher verdienen.

Mit besten Gruessen

*Bot. Dr. Christian Prosl, Leiter der Rechts- und Konsularsektion, BMaA*


***

Michael Genner, auch nicht auf den Mund gefallen, antwortete darauf wie folgt:

*

Werter Herr Botschafter!

Ihr Brief hat mir gefallen. Er ist so schoen undiplomatisch - fast ein Beitrag zur
Streitkultur. Sie sagen immerhin, was Sie denken. Manche Passagen koennten beinahe
von mir sein. Nur, wissen Sie: Polemik allein ist nicht genug. Man sollte auch
glaubhaft sein.
Sie schreiben allen Ernstes: "Die Menschenmenge vor der Botschaft wurde ohne
Gewaltanwendung durch eine Beamtenkette von der Botschaft weggedraengt und zerstreut
und, soweit feststellbar, hat auch niemand sonst in der Strasse einen gewaltsamen
Kampfstockeinsatz gesehen."

Also was jetzt? War der Einsatz gewaltfrei - oder hat nur (hoffentlich) niemand,
soweit feststellbar, den Stockeinsatz gesehen?

Wissen Sie wirklich nicht, dass der Korrespondent des "Falter", Klaus Stineder, am
Tatort war und den Schlagstockeinsatz bezeugt? Dass Fotos davon im "Falter"
veroeffentlicht wurden und Herr Stineder einen Artikel ueber diesen "Einsatz" im
"Falter" veroeffentlicht hat?

In diesem Artikel unter der Ueberschrift "Stoecke gegen Fluechtlinge" ("Falter" Nr.
41 vom 12.10.2001) heisst es unter anderem:

"Pakistanische Polizisten verpruegelten die afghanischen Fluechtlinge mit
Holzstuecken." (...) "Ploetzlich schneiden unter Sirenengeheul Polizeiwagen durch die
Menge. Die Polizisten beginnen die Masse mit vorgehaltenen Waffen und Holzstoecken
vor sich herzutreiben. Die Leute protestieren, bleiben aber ruhig. Kaum ist die
Botschaft ausser Sichtweite, fliegen die ersten Holzstoecke. Die Schlaege, die ein
Bursche und eine Frau einstecken muessen, haben die gewuenschte Signalwirkung. Es
kommt Bewegung in die veraengstigte Menge. Ueber drei Strassen werden die Afghanen
bis zum naechsten Markt getrieben. Unter die Polizisten haben sich Beamte in Zivil
gemischt. Sie grinsen, waehrend sie ihre Stoecke drohend in der Luft kreisen lassen."

So weit zu Ihrer Behauptung, es haette keinen Stockeinsatz gegeben (oder es haette
ihn niemand gesehen).

Im gleichen Lichte erscheint die Behauptung des Sprechers des Aussenamtes, Johannes
Peterlik, die Konsularabteilung der oesterreichischen Botschaft habe "unter allen
Vertretungsbehoerden der EU am laengsten fuer Asylsuchende offen gehalten" ("Der
Standard", 16.10.2001).

Wie "Der Standard" am 20./21.10.2001 berichtete, haben die EU-Laender Daenemark,
Frankreich, Schweden, Grossbritannien und Deutschland ihre Botschaften ueberhaupt
nicht geschlossen; offen fuer Asylsuchende sind ausserdem die Schweizer und die
kanadische Botschaft.

In den Botschaften von Daenemark, Frankreich und der Schweiz koennen Asylantraege
direkt gestellt werden.

Letzteres sei auch Herrn Strasser gesagt, der eben meinte, die Botschaftsantraege
gehoerten abgeschafft, weil sie nicht im "europaeischen Gleichklang" seien. Haette er
doch geschwiegen! Bisher hatten wir keinen ganz schlechten Eindruck von ihm.

So weit zu Ihrer Information. Welches Dementi faellt Ihnen jetzt wieder ein? Wir
warten mit Interesse.

Mit freundlichen Gruessen

*Michael Genner, Asyl in Not*

Quelle: Asyl in Not, Waehringerstr. 59, 1090 Wien, Tel.: (01) 408 42 10,
m.genner@asyl-in-not.org ,
URL W³.asyl-in-not.org

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