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Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 23. Oktober 2001 23:58
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Kosovo:
>Durchs Land der Gorani
Ein balkanisches Tagebuch, Teil
XVI
Von Andreas Jordan
*
Die Sonntage sind hier
angesichts unserer Sechstagewoche die einzige Unterbrechung
der
(ganz-) taeglichen Arbeitsroutine und insofern die
hochgeschaetzten
Spitzenereignisse der Woche. Der vorige war
besonders interessant: Eine hollaendische
Bekannte hat mich
eingeladen, mit ihr nach Dragash zu fahren, eine Gegend, die
mich
immer schon aeusserst interessiert hat, wohin zu kommen mir
aber mangels eigenen
Fahrzeugs bisher nicht moeglich
war.
Die Fahrt geht zuerst aus der Ebene am Fuss der
Sharri-Berge, in der Prizren liegt,
zu einem Pass hoch und folgt
dann einem Fluss durch eine Landschaft, die mehr als
alles, was
ich bisher im Kosovo gesehen habe, alpin wirkt, etwa in der
Obersteiermark
liegen koennte: Maechtige Fichten an den Haengen
ueber dem schaeumenden
Gebirgsfluss - das erstemal, dass ich
einen Wald sehe, der NICHT aus regelmaessig
(d.h. alle paar
Jahre) abgeholzten Buchen, Eschen usw. besteht und es deshalb nie
auf
ein ueber ein paar Meter Hoehe hinausgehendes
Erscheinungsbild von krueppelwuechsigem
Buschwerk hinausbringt.
Hier hingegen wachsen zwanzig, dreissig und mehr Meter
hohe
Fichten an den Haengen an beiden Seiten des Tales, in
groesserer Hoehe abgeloest von
Almen, auf denen vereinzelt Kuehe
grasen. Ein Gefuehl von Heimat kommt auf, selten
genug im Kosovo,
leicht beeintraechtigt nur durch die Strasse bzw. deren
Zustand
(eine eineinhalbspurige Sammlung von Schlagloechern,
gelegentlich durch
Schotterpassagen unterbrochen).
Dragash
ist ein langer, schmaler Streifen Landes, der zwischen der
albanischen und
der mazedonischen Grenze nach Sueden verlaeuft,
der suedlichste Zipfel des Kosovo,
und hauptsaechlich von Gorani
bewohnt, was auf Serbisch schlicht "Bergbewohner"
bedeutet. Diese
ethnische Gruppe, etliche zehntausend Menschen, hatte immer
schon
eine extreme Sonderstellung in Jugoslawien inne - was sich
auch jetzt im Kosovo nicht
geaendert hat. Die Menschen sprechen
eine slawische Sprache (bzw. diverse regionale,
maessig
voneinander abweichende Dialekte) auf halbem Wege zwischen Serbisch
und
Mazedonisch, sind aber Moslems, und haben, was sie einmal
mehr zu Aussenseitern
stempelt, immer schon das lateinische
Alphabet verwendet, im Gegensatz zu den sie
umgebenden Serben und
Mazedoniern, die kyrillisch schreiben (was offiziell auch
die
Albaner tun mussten, zumindest seit Aufhebung der Autonomie
1989).
Je weiter wir nach Sueden fahren, desto alpiner wird
die Landschaft - erlengesaeumte
Baeche, die durch Wiesensenken
maeandern, schoene Nadelwaelder an den Haengen, gruene
Bergkuppen
darueber. Als wir hoeher kommen, endet der Wald - stattdessen
erstrecken
sich kahle gruene teilweise gruen-braune oder auch
graubraune Bergkuppen um uns.
Die Doerfer, die wir bisher
durchfahren haben, waren offensichtlich arm - aus
Bruchsteinen
erbaute Haeuser, oft mit verrosteten Blechplatten gedeckt; bei den
alten
Haeusern leben die Kuehe im Erdgeschoss, waehrend die
Menschen im Stock darueber,
erreichbar ueber eine Aussentreppe,
wohnen. (ist bei den hiesigen Wintertemperaturen
sicher eine
sinnvolle Abwaermenutzung des Kuhstalls.)
Was auffaellt, ist
der Umstand, dass die Moscheen in den Doerfern hier NICHT
neu
sind, d. h. waehrend des Krieges nicht zerstoert wurden. In
der Tat ist in Dragash
nicht gekaempft worden - die Gorani waren
fuer die Serben keine so prononcierten
Gegner wie die
kaempferischeren Albaner - sie waeren als "islamische
Ueberlaeufer"
wohl erst als naechste, irgendwann in der Zukunft,
drangekommen, wenn die
milosevic'sche Taktik ethnischer
Saeuberungen aufgegangen waere. (Obwohl, irgendwie
ist sie eh
ziemlich aufgegangen, nur halt schlussendlich in die umgekehrte
Richtung.)
Die Gorani, habe ich nachgelesen, sind erst vor
ca. 200 Jahren zum Islam konvertiert,
also viel spaeter als z. B.
die Bosniaken, und zwar, nachdem der
(griechisch-orthodoxe)
Patriarch von Konstantinopel nach Abschaffung
des
serbisch-orthodoxen Patriarchats in Pec/Peja Ende des
18.Jahrhunderts angefangen
hatte, griechischsprechende Priester
fuer serbischsprechende Doerfer einzusetzen.
Wiewohl die
Gorani als Moslems also keinen Grund hatten, die serbische Sache
zu
vertreten und sich aus dem Krieg erfolgreich herausgehalten
haben, fuehlen sie sich
unter der nunmehr uneingeschraenkten
Dominanz ihrer albanischen Glaubensbrueder jetzt
aber ebenfalls
nicht besonders wohl, wie wir an diesem Tag noch erfahren
werden.
*
Restelica, das letzte Dorf am Ende der
Strasse, ist erstaunlich gross - viel groesser
als die anderen
Orte, die wir durchfahren haben, und offensichtlich
viel
wohlhabender. Es wirkt eher wie eine Kleinstadt. Was kann
die Grundlage des Reichtums
dieses Dorfes sein?, frage ich mich.
Tourismus? Aber ich sehe keine Hotels. Handel?
Aber mit wem, in
einer dermassen abgeschnittenen Lage zwischen zwei Grenzen, am
Ende
des Tals? Schmuggel? (Es heisst, dass ein Grossteil der
Waffen fuer die mazedonische
UCK von Albanien ueber Dragash nach
Mazedonien geschmuggelt wuerde.) - Obwohl, nach
allem, was ich
gehoert habe (und noch sehen werde), sympathisieren die Gorani
nicht
gerade mit der albanischen Causa - warum sollten sie also
Waffen dafuer schmuggeln?
(Da waeren die Bewohner der albanischen
Doerfer in Dragash, von denen es auch etliche
gibt, viel
praedestinierter dafuer.)
Meine Bekannte parkt den Wagen am
Ortsende, und wir machen uns zu Fuss auf den Weg
durch die Berge,
entlang eines Baechleins hoch in Richtung mazedonische Grenze.
Sie
war hier bereits mehrmals mit Ortskundigen wandern und weiss
daher genau, welche
Gegenden mit voelliger Sicherheit minenfrei
sind.
Nach einer guten Stunde Weges kommen wir auf eine Alm -
eine Quelle, darum herum ein
paar kleine Huetten, Pferche fuer
die Tiere, Hirtenhunde, ein paar frei
herumschweifende Pferde,
eine Herde Schafe, ein paar Kuehe. Der Herr der Alm
mitsamt
seiner ganzen Familie, Frau und drei Toechter, stellen
sich vor der einen Huette auf
und schuetteln uns die Haende.
Anschliessend werden wir nach drinnen gebeten und mit
Kaffee
bewirtet.
Die Huette ist vielleicht drei mal vier Meter
gross, die Mauern aus groben
Bruchsteinen, das Dach teilweise
eine verrostete Blechflaeche, teilweise eine
Plastikplane ueber
einem Holzgeruest, und die Behausung ist innen so niedrig,
dass
man nur in der Mitte, unterhalb des Firsts, aufrecht stehen
kann. Einzig nennenswerte
Einrichtungsgegenstaende sind eine
Pritsche im Doppelbettformat, ein Tischchen,
drei
selbstgeschnitzte niedrige Hocker und diverse Geraetschaften
zur Kaeseerzeugung, die
an den Dachpfosten haengen oder auf einem
aufgehaengten Holzbrett liegen. Nein, einen
Gaskocher, ein
Kaffeekaennchen fuer Tuerkischen und ein paar Taesschen gibt es
auch
noch. Der wesentlichste Unterschied zu den Hirten auf der
Gjalica in Albanien
drueben, vielleicht 30 km Luftlinie von hier,
bei denen ich voriges Jahr war: In
Dragash ist bereits das
Plastikzeitalter angebrochen - Plastikkuebel und -wannen
sowie
Plastiksiebe finden bei der Kaesezubereitung Verwendung; in Albanien
waren alle
Geraetschaften noch selbsterzeugt und aus
Holz.
Wir bekommen Kaffee serviert, dazu selbstgemachtes
Joghurt, Kaymak (eine cremige
Masse, irgendwo in der Mitte
zwischen Joghurt, Butter und Obers) und Kaese. Die Leute
haben
offensichtlich kein Brot - sie selber essen den Kaese auch
pur.
Nachdem wir uns wacker durch die Milchprodukte
geschlagen haben, die uns in nicht
geringer Menge serviert worden
sind, werden unsere Gegengeschenke angenommen - ein
paar
Paradeiser, ein paar Gurken, ein bisschen Obst, was man halt so mit
hat fuer
eine Wanderung. Danach Konversation. Mit meinem
rudimentaeren Albanisch komme ich bei
unserem Gastgeber
ueberhaupt nicht weiter, und Serbisch, das der Mann mit
uns
spricht, verstehe ICH wieder nicht. - Zum Glueck reicht mein
Speisekartentschechisch
so weit, dass ich, fuer ihn
verstaendlich, zumindest Speis und Trank loben kann. Der
Rest der
Konversation laeuft eher ueber Haende & Fuesse - gelegentlich
einmal faellt
auch ein mir verstaendliches serbisches
Wort.
Von dem vielen, was er versteht, ist das wenige, was
ich verstehe, folgendes: Er und
viele Bewohner von Restelica und
Umgebung haben traditionell davon gelebt, Tetovo mit
Kaese und
Fleisch zu versorgen. Ab 1990 wurde dann zwar eine Grenze
zwischen
Serbien/Kosovo und dem neuentstandenen Mazedonien
gezogen, aber das war fuer
jemanden, der die Gegend von klein auf
kennt, kein Handelshemmnis. Mit dem Krieg
aber, also ab 1998/99,
wurde die Grenze viel schaerfer bewacht. Und seit
dem
UCK-Aufstand in Mazedonien ist es voellig unmoeglich, nach
Mazedonien
hinueberzukommen, wegen den verschaerften
NATO-(KFOR-)Kontrollen (die ihrerseits den
Waffenschmuggel zur
UCK zu unterbinden suchen) und wegen den Minen. Und so ist er
um
den Absatzmarkt fuer seine Produkte gekommen. Anstatt nach
Tetovo, der zweitgroessten
Stadt Mazedoniens, angeblich ganze
drei Stunden Fussmarsch von seiner Alm entfernt,
muss er seinen
Kaese jetzt nach Prizren liefern, zweieinhalb Stunden von Restelica
in
einem guten Gelaendewagen - oder, in seinem Fall, fuenf
Stunden im Sammeltaxi. Alle
zwei Wochen tut er sich diese Reise
an - morgen wieder zum Beispiel. Er zeigt uns
voll Stolz die
beiden bereits sorgfaeltig in Leinensaecke verpackten Kaeselaibe,
rund
und gelb, jeder wohl 20 kg oder mehr schwer. - Ooops,
anscheinend habe ich den Kaese
zuvor ZU sehr gelobt - unser
Gastgeber haelt ploetzlich ein grosses Messer in der
Hand und
saebelt ein wohl 3 kg schweres Stueck von einem der beiden Laibe ab,
um es
uns mitzugeben. Widerspruch ist sinnlos - nach fuenf
Minuten kapitulieren wir und
lassen uns den Kaese einpacken. (Das
ist ja absolut kein geringer Wert, den er uns da
geschenkt hat -
ich hoffe, ich komme noch einmal auf die Alm, um ihm einen
Kilo
Kaffee und einen Kilo Zucker, beliebte und geschaetzte
Gastgeschenke hierzulande in
den Bergen,
mitzubringen.)
Auf alle Faelle ist mir nun klarer, wieso
Restelica so wohlhabend wirken kann, und
dass wir uns NICHT
notwendigerweise in einem Nest der Waffenschiebermafia
befinden.
(Obwohl, verwunderlich waer's nicht, wenn Menschen,
deren traditionelle
Wirtschaftsnetze ploetzlich zerschnitten
werden, sich der einzigen Aktivitaet
zuwenden wuerden, mit der
sich noch Geld verdienen laesst - der
organisierten
Kriminalitaet.)
Als wir Anstalten machen,
aufzubrechen, deutet unser Gastgeber, wir moechten noch
etwas
warten. Allerdings sind dunkle Wolken aufgezogen, und wir wuerden
uns gern auf
den Rueckweg machen. Der Mann (er wirkt wie ein
ruestiger Sechziger, seine Frau ein
paar Jahre juenger; vorher
hat er uns wissen lassen, dass er 40 ist, seine Frau 38)
faengt
der Reihe nach die Pferde ein - er wird uns doch nicht als Geste
der
Gastfreundschaft zu Pferde ins Tal expedieren? (Ich denke mit
Schaudern an meinen
ersten - und letzten - 30-km-Ausritt, nach
welchem beim Ausziehen der Hose die Haut
am Stoff statt am
Koerper geblieben ist.) Nein, noch einmal davongekommen: Er
belaedt
das eine Packpferd mit dem Kaese, das andere mit seiner
Frau, weitere zwei mit seinen
beiden Toechtern (die Aelteste
bleibt oben, um die Almgeschaefte weiterzufuehren),
und das
restliche freie Pferd wird meiner Kollegin angeboten, welche
allerdings
dankend ablehnt. So werden unsere Rucksaecke auf ihm
transportiert.
Ich nuetze die Zeit, um mir die Alm ein
bisschen anzusehen: Die Huetten sind alle
gleich gebaut, aus
Bruchstein, mit einem Dach aus Plastikplanen oder
ueberlappenden
Steinplatten. Die Huette, in der wir bewirtet
wurden, ist die groesste - auf der
Pritsche schlafen
offensichtlich die weiblichen Familienmitglieder. Daran
angrenzend
die (kleinere) Huette des Familienoberhaupts,
kenntlich an seinen Gummistiefeln vor
einer einfachen Pritsche.
Die weiteren Huetten dienen entweder den Schafen und Kuehen
als
Unterstand, oder sie beherbergen des naechtens die paar Huehner (-
das ist die
kleinste Huette, kaum drei Quadratmeter gross -). Und
in einer brennt auf einem aus
Steinplatten erbauten,
behelfsmaessigen Herd ein Feuer unter einem grossen Kessel
mit
kochender Milch - die Kaeserei. Als Brennmaterial dienen
getrocknete Kuhfladen und
einige trockene Zweige des
Kriechwacholder, der hier heroben an manchen Stellen
waechst. In
den Ortschaften, die wir auf der Fahrt nach Restelica durchquert
haben,
sind mir die Holzgerueste am Strassenrand aufgefallen, auf
denen Kuhfladen vor sich
hintrocknen. Hier heroben machen sie's
aber anders, so, wie ich das auch in Kurdistan
gesehen habe: Die
Fladen werden an die Steinwaende der Huetten geklebt, und wenn
sie
so trocken sind, dass sie herunterfallen, werden sie
eingesammelt und gelagert.
*
Auf die Pferde, fertig,
los - es beginnt bereits zu regnen. Die Frauen reiten so, wie
ich
es mir bei der Lektuere von Romanen aus dem 18. Jahrhundert
vorstelle, wenn vom
"Damensattel" die Rede ist - seitlich auf dem
Pferd sitzend, beide Beine auf einer
Seite herabhaengen lassend,
um sie nicht unsittlich zu spreizen. Koennte ich ja
verstehen,
wenn sie Roecke tragen wuerden - aber sie haben eh (total weite,
sich im
Wind bauschende) Pluderhosen an.
Nach einer halben
Stunde sind wir pitschnass, und der Regen geht in ein
veritables
Gewitter ueber. Die Pferde beginnen zu scheuen, eines
(das mit dem Kaese) geht durch
und kann nur mit Muehe wieder
eingefangen werden - hoch an der Zeit, sich
unterzustellen.
Einige hundert Meter weiter, ein kurzes Stueck vor Restelica,
steht
das erste einzelne Haus am Wegrand - nicht viel groesser
als die Almhuette, von der
wir gerade kommen, und genauso gebaut.
Unser Gastgeber und Fuehrer treibt die Pferde
in den Pferch und
winkt uns in ein Nebengebaeude - eine Huette, wenige
Quadratmeter
gross, mit Waenden aus Erlenzweigen-Flechtwerk, das
mit Kuhfladen als Fuellmaterial
verschmiert ist, und mit einem
Plastikplanendach. Offensichtlich handelt es sich um
den (leeren)
Huehnerstall des Anwesens, der so niedrig ist, dass wir darin
nur
hockerln koennen.
Hockerln ist auf Dauer anstrengend -
hinter mir liegt ein dickes Holzscheit, auf
dessen eine Seite ich
mich setze. Ich gebe der neben mir hockerlnden Frau
unseres
Gastgebers ein Zeichen, sich neben mich auf die andere
Seite des Scheits zu setzen -
sie winkt verlegen laechelnd ab.
Habe ich etwas falsch gemacht? Offensichtlich -
einige Minuten
spaeter winke ich ihren Ehemann an meine Seite, und er laesst
sich,
ohne zu zoegern, auf dem Scheit nieder. Da ist in der
Zwischenzeit aber ein Mann,
scheinbar der hiesige Hausherr,
hereingekommen, hat alle vier anwesenden Frauen in
das Haupthaus
hinuebergewunken und sich seinerseits bei uns beiden
Maennern
niedergelassen, bis es eine Stunde spaeter zu regnen
aufgehoert hat. Die
offensichtlich gebuehrende Trennung der
Geschlechtersphaeren ist wiederhergestellt.
Was mir meine
Bekannte, die auch ins "Frauenhaus" hinuebergebeten worden ist, auf
dem
kurzen Stueck Weges zurueck zum Ort erzaehlt, nachdem es zu
regnen aufgehoert hat,
laesst allerdings tief blicken in die
prekaere Befindlichkeit der Gorani, die vor dem
Krieg als
Nichtserben und Moslems ungeliebte Aussenseiter waren und es jetzt,
nach
dem Krieg, als Nichtalbaner immer noch oder mehr denn je
schon wieder sind: Die
Unterhaltung zwischen den beiden im Haus
wohnenden Frauen und unserer Gastgeberin
plus deren beiden
Toechtern sei auf Gorani, das sie genausowenig spricht wie
ich,
gefuehrt und zunehmend heftiger geworden; das einzige, was
sie verstanden haette,
waeren die Namen von ein paar
mazedonischen Staedten in Grenznaehe, also im
Kampfgebiet,
gewesen, dann die Namen von ein paar serbischen Enklaven im Kosovo,
dann
haetten alle geschwiegen, und die beiden Toechter waeren in
Traenen ausgebrochen.
(Sie weinen immer noch, als es zu regnen
aufhoert, und sie werden weiter weinen, bis
wir uns vor ihrem
"Winterhaus" in Restelica von ihnen verabschieden.)
Eins ist
offensichtlich: Als Gorani sitzen sie zwischen allen Stuehlen,
solange die
Idee eines ethnisch reinen Kosovo durch die Koepfe
der Herrschenden und ihrer
menschlichen Manoevriermasse spukt -
egal ob das die Serben im letzten Jahrzehnt oder
die Albaner
heute sind. (Oder, seien wir exakter: "Viele Serben" und
"VIELE
Albaner".) Und in derselben Situation befinden sich auch
die "Bosnier", die "Kroaten"
und erst recht die "Roma" hier (die
sich ihrerseits in Roma, Ashkali und "Aegypter"
differenzieren,
deshalb die Anfuehrungszeichen.)
*A.J. war bis vor kurzem als
OECD-Wahlbeobachter auf dem Balkan
taetig.*
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