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Aussendungszeitpunkt: 22.5.2001 -17:54
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Kommentar/Italien:
>Bella Italia
Bloedheit kann sehrwehtun
Anlaeszlich der italienischen Parlamentswahlen
1992 kam die DC,
die grosze alte korrupte Democrazia Cristiana,
unter 30%. Eine der
Folgen war, dasz 1994 die Freiheitsallianz
von Silvio Berlusconi
den Sieg erringen konnte. Diese wurde 1996
vom Links-Mitte-
Buendnis Ulivo abgeloest, das zuletzt unter
D'Alema zwar nicht
unbedingt rasend schlechte Erfolge vorweisen
konnte, sich aber der
Waehlerschaft gegenueber der zunehmenden
Medien-Omnipraesenz von
Berlusconi offensichtlich nicht genug
attraktiv praesentieren
konnte.
Der italienische Wahlmodus
orientiert sich in einer komplizierten
Variante an einer Mischung
aus Verhaeltniswahlrecht und
Mandatsbestimmung nach Mehrheiten in
einer Region. So wiesen die
jetzigen Wahlen nach Stimmen nur
unbedeutend, aber nach Mandaten
eindeutig das
Mitte-Rechts-Buendnis als Siegerin aus. Berlusconis
Haus der
Freiheiten 'Casa delle liberta', 1995 als 'Pol der
Freiheit'
gegruendet, errang die absolute Mehrheit in beiden
Kammern. In
der Abgeordnetenkammer 368 von 630, im Senat 177 von
315 Sitzen.
Bossis Lega wurde von 10,1 auf 3,9% bundesweit mehr
als halbiert.
Die Alleanza Nazionale muszte Verluste von 4 % von
16 auf unter
12 % hinnehmen. Die zwei kleinen christemokratischen
Parteien im
Rechtsbuendnis, die CCD (Centro Cristiano Democratico
- die
rechten Christdemokraten) und die CDU (Cristiani
Cemocratici
Uniti) wurden von Berlusconi unterstuetzt. Als rechte
Hochburgen
erwiesen sich die Lombardei, Piemont und das
Veneto. Im Sueden
ueberraschenderweise Sizilien, dann Apulien und
Kampanien. Nicht
im Buendnis, aber erwaehnenswert: auf die
extremen Faschisten
"Flamma Tricolore" fielen nur 0,5
%.
Obwohl unter dem Ulivo-Spitzenkandidaten Rutelli Rom einen
starken
Aufschwung genommen hatte, kann das Mitte-Links-Buendnis
nur ueber
242 Sitze in der Abgeordnetenkammer und 125 im Senat
verfuegen. Zu
Rutellis Gruppe 'Margherita' gehoeren Demokraten,
die Volkspartei
und Republikaner. Als 'rote' Bastionen stellten
sich die Toscana,
die Emilia Romagna, die Marken, Umbrien und
Basilikata heraus. Im
Sueden war es mit Massimo D'Alema von den
Linksdemokraten
lediglich der Sueden Apuliens. Und als
Buendnispartner des Ulivohatte der
Kandidat der SVP in Suedtirol
mit 54,6 % den Wahlsieg
ueber den Rechtsblock
errungen.
Die getrennte Kandidatur der Blockfreien hatte
schlieszlich rein
rechnerisch den Wahlsieg Berlusconis
ermoeglicht. Politisch mag es
manchen durchaus verstaendlich
sein. Da waren einerseits die
Radikal-Liberalen von Emma Bonino,
dann 'Italia dei valori' von Di
Pietro mit 3,5% und die
'Democrazia Europea' von Gulio Andreotti
mit ebenfalls 3,5 %.
Schlieszlich die "Rifundazione Communista"
mit 5 %, und
dann noch die Kommunisten von Fausto Bertinotti. Mit
80 % war die
Wahlbeteiligung ziemlich hoch, und da 20 Regionen, 95
Provinzen,
die Buergermeister und Regionalpraesidenten in
Direktwahl
bestimmt werden sollten, gab's das
dementsprechende
Chaos.
Das offizielle Programm
Berlusconis beschraenkte sich im
wesentlichen auf Staatsabbau.
Steuern verringern, Abschaffung der
Erbschafts- und
Schenkungssteuern, buerokratische Huerden
abschaffen, fuer
effizientere Infrastrukturen sorgen. Erreicht
soll dies werden
durch Privatisierungen, wobei das Volumen auf
1066 Mrd. OeS
geschaetzt wird. Nicht so laut veroeffentlicht
wurden die
weiteren Schritte, naemlich drastische Einschraenkungen
im
Pensions- und Gesundheitssystem. Der Euro-Stat zufolge
gehen
italienische Arbeitnehmer derzeit mit durchschnittlich
55-56 Jahre
in Pension. In Italien lautet die bisherige
Faustregel, je ein
Drittel der Staatsausgaben geht ans
Gesundheitswesen, an das
Pensionssystem und fuer Beamte. Die
Privatisierung des
Rentensystems wuerde Berlusconis
Versicherungskonzern ebenso
nuetzen wie ihm ganz persoenlich eine
Justizreform - keine
unbotmaeszigen Staatsanwaelte mehr. Die
angekuendigte
Beschaeftigungsoffensive wird bisher gewoehnte
soziale Standards
aufweichen und den Kuendigungsschutz
marginalisieren.
Das inoffizielle Programm Berlusconis ist
weniger medienwirksam
und wahlkampffoerdernd, was ein kurzer
Blick zurueck darlegt: Ein
gewisser Berlusconi wird im April 1996
zu einer Haftstrafe von
zweieinhalb Jahren verurteilt. Wegen
illegaler
Parteienfinanzierung der Christdemokraten hatte er
bereits 1994
sieben Monate ausgefaszt. Dazu kamen noch Vorwuerfe
der Mailaender
Korruptionsermittler 'Mani pulite', Steuerbeamte
bestochen zu
haben. Es war Paolo, der Bruder des damaligen und
heutigen
Ministerpraesidenten. Gegen Silvio selbst wurden
dieselben
Vorwuerfe erhoben, es kam auch 1996 zu einem Prozesz.
Er bestritt
dies alles, Paolo muszte allein ins Gefaengnis. Die
Verfahren
wegen Steuerhinterziehung gegen Silvio sind bis zur
jetzigen Wahl
weitgehend auf Sand gelaufen. Die beiden
Berlusconi-Anwaelte
Pecorella und Coppi bekommen sichere Mandate
in die
Abgeordnetenkammer, Berlusconi selbst erhaelt durch die
absolute
Mehrheit ungeahnte Machtfuelle - auch ueber das
Justizressort. Nur
Naive koennen damit rechnen, dasz die
Verfahren gegen ihn jemals
zu einem Urteil fuehren
werden.
Na gut, Steuerhinterziehung, in Italien ist dies kein
allzu
groszes Verbrechen. Es sind da allerdings noch ein
paar
Kleinigkeiten.
Ermittlungen zufolge hat Silvio den
Vorsitzenden des seine
Verfahren behandelnden
Untersuchungsgerichtes mit regelmaeszigen
Zahlungen auf
Auslandskonten versorgt. Dieser wurde 1996verhaftet. Paolo
wurde
vorgeworfen, in Gemeinschaft mit dem
fruehreren
Verteidigungsminister Berlusconis, Erpressungen
begangen und ein
Komplott gegen den Ermittler Di Pietro
geschmiedet zu haben.
Gegen drei Manager des Fininvest-Konzerns
von Berlusconi ergingen
1995 Haftbefehle wegen Bilanzfaelschung.
Von dem allen hat Silvio
Berlusconi selbst nichts gewuszt, meint
er bis heute. Der
wahrscheinlich reichste Mafiosi der Welt ist nun
wieder
Ministerpraesident, er beherrscht den Medienbereich und
durch
seine Agenda auch bald die RAI.
Der mehr als bedenkliche
Wahlausgang hatte aufgrund der
Erfahrungen mit Oesterreich
EU-weit sehr gemaeszigte Reaktionen
hervorgerufen. Bisher konnten
sich allein die Gruenen im
Europaeischen Parlament zu einem
Antrag durchringen, die Regierung
Berlusconis unter Beobachtung
stellen zu lassen. In Italien ist
auszer dem Ulivo und der Linken
noch jemand schlecht auf Silvio zu
sprechen: Staatspraesident
Carlo Azlegio Ciampi. Sein Verhaeltnis
zu Berlusconi ruehrt
bereits aus der Vergangenheit. Er war 1993
Regierungschef, als
der Hoehepunkt der 'mani puliti'- Jahre zu
verzeichnen war. Es
war auch die Zeit, als die beiden groszen
Leader, Andreotti und
Craxi, aus dem mafioesen Machtparadies
vertrieben
wurden.
Berlusconi ist beiden ein mehr als wuerdiger Erbe,
der aber
saemtliche Machenschaften noch bei weitem uebertrifft.
Der
aufgrund seiner Macht ueber eine ungeheure
Medienkonzentration
demokratiepolitisch fuer Italien und Europa
noch gefaehrlicher
werden wird, als es Craxi und Andreotti fuer
das italienische
politische System je haetten sein koennen.
Beguenstigt wurde sein
triumphaler Aufstieg auch durch das
konsequente Ersetzen von
Ideologie und Programm durch mediale
Showelemente und dem
exzessiven Ausweiten des
Persoenlichkeitswahlrechts. Selbstredend
hatte Berlusconi jede
Moeglichkeit und einen kleinen Teil seines
Vermoegens genutzt, in
saemtlichen Medien und nicht nur in seiner
MEDIASET staendig
praesent zu sein. Wie sehr die
Persoenlichkeitswahl vor dem
Parteiprogramm einzureihen ist,
zeigte der Fall des
Spitzenkandidaten der Linken, Carpani, in
Turin. Er erlitt vor
der Wahl einen Herzinfarkt, Ulivo muszte
daraufhin schwere
Verluste einstecken. Diese Wahlen waren
Talkshow-Wahlen mit einem
perfekten Showmaster Berlusconi. Der
ueber ungeheure Macht,
Reichtum, Eloquenz und Skrupellosigkeit
verfuegt, dessen
Einschaltquoten durchschnittlich bei 27,3 %
lagen. 'Denver-Clan',
'Dallas' und 'Reich und Schoen' in einem.
Angeblich liest laut
dem Schriftsteller Luciano De Crescenzo nur
ein Zehntel der
italienischen Bevoelkerung regelmaeszig Zeitungen.
Der Rest
schaut fern. Und der wird Berlusconi noch viel oefters
sehen als
bisher. *Fritz
Pletzl*
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