**********************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
**********************************************************
Aussendungszeitpunkt: 16.5.2001 - 01.00
**********************************************************
Globalisierung:

> Offener Brief
an EU-Handelskommissar Lamy betreffend den Dialog der Europaeischen
Kommission mit der Zivilgesellschaft ueber die WTO

*

Sehr geehrter Herr Kommissar Lamy!

Wir schreiben Ihnen im Namen des Netzwerkes “Von Seattle nach Bruessel”,
einem paneuropaeischen Netzwerk von NGO's, die fuer ein nachhaltiges,
demokratisches und berechenbares Handelssystem, das allen nuetzt, eintreten.
Unser Netzwerk umfasst Entwicklungspolitische, Umwelt-, Menschenrechts- und
Bauernorganisationen, Frauenrechtsgruppen und Forschungsinstitute.

Heute, am 10. Mai 2001, haben Sie verschiedene NGO- und
WirtschaftsvertreterInnen zur Teilnahme an einem allgemein oeffentlichen
Treffen eingeladen, um den Beginn einer neuen Runde und die sogenannte
Konsultation der Zivilgesellschaft (organisiert durch die EU-Kommission) zu
diskutieren. Aus diesem Anlass bringen wir unsere tiefe Besorgnis ueber
diese Konsultation und die Position der EU zum Ausdruck. Z.B. scheint es so,
als ob mehr als ein Jahr nach dem Scheitern der WTO-Ministerkonferenz in
Seattle und trotz der Opposition gegen eine neue Runde von mehr als 1500
NGO's aus mehr als 89 Laendern und vieler Entwicklungslaender:

* die EU nach wie vor sich nicht zu einer Ueberpruefung der Folgen der
Uruguay-Runde verpflichtet hat:

* dass die EU weiterhin Druck macht fuer eine umfassende neue WTO-Runde, die
sich auf Investitionen und Wettbewerb konzentriert

* die EU-Konsultationen zielen auf die Modalitaeten fuer eine neue Runde
anstatt sich in einer breiten und oeffentlichen Debatte ueber alternative
und nachhaltige Formen des Handels zu engagieren;

* in speziellen thematischen Gruppen werden die Themen Investitionen und
Wettbewerb diskutiert, die von Gruppen auf der ganzen Welt und von vielen

* Entwicklungslaendern als neue Bereiche der WTO zurueckgewiesen werden
(eine neue plurilaterale Herangehensweise an Investitionen und
Wettbewerbsrecht werden genauso wie eine Behandlung der Investitionen im
Rahmen des GATS von den NGO's abgelehnt);

* die Kontaktgruppe, die von der EU eingerichtet wurde, beinhaltet
Wirtschaftsgruppen wie UNICE, COPA und das Europaeische
Dienstleistungsforum, die fuer die Interessen grosser Konzerne und des
Agrobusiness vertreten, aber gleichzeitig die Anliegen kleiner Unternehmen
und Bauern ausblenden;

* die Kontaktgruppe ist grundsaetzlich exklusiv und intransparent angelegt.
Ihre problematische Struktur ist ein Hindernis fuer eine wirklich offene,
weitere und substantielle Debatte ueber die neoliberale Agenda der EU;

* exklusive Treffen mit Interessensverbaenden der Wirtschaft finden
zusaetzlich zu den Konsultationen statt.

Kurz, es scheint, dass die EU wenig Interesse an einer Revision und
Berichtigung der Maengel des gegenwaertigen WTO-Regimes hat oder dass sie
die Befuerchtungen vieler Kampagnegruppen und Organisationen
beruecksichtigt. Aus diesen Gruenden sind viele Mitglieder von
Organisationen inclusive vieler des Netzwerkes “Von Seattle nach Bruessel”
der Meinung, dass eine Teilnahme an dieses Konsultationen nichts bringt und
sogar kontraproduktiv ist.

Unsere Mitglieder haben das Statement “WTO: Schrumpfe oder geh unter”
unterzeichnet. In diesem Statement rufen wir die Regierungen auf, elf klaren
Schritten nachzukommen, um die Macht und die Autoritaet der WTO
zurueckzudraengen und eine nachhaltiges, sozial gerechtes und demokratisch
Handelssystem zu entwickeln (siehe
http//:www.citizen.org/pctrade/gattwto/shrinksink/shrinksink.htm).

Wir glauben, dass die EU ihre Vorschlaege fuer eine umfassende neue Runde
zurueckziehen soll. Bereits laufende Verhandlungen (betreffend
Landwirtschaft, geistige Eigentumsrechte und Dienstleistungen) sind bereits
jetzt genuegend kontroversiell und haben das Potential, ernste negative
Folgen fuer Menschen und ihre Umwelt zu zeitigen.

Wir wiederholen unseren Aufruf nach einem Stopp von weiteren Verhandlungen,
die die Reichweite und die Macht der WTO ausdehnen wuerden, insbesondere was
Investitionen, Wettbewerb, Oeffentliches Beschaffungswesen,
Handelserleichterungen, Biotechnologie und fortschreitende Zollsenkungen
betrifft.

Insbesondere die Bedenken der Entwicklungslaender muessen bedacht werden.
Wenn nicht, koennte sich das naechste WTO-Ministertreffen in Quatar als
neues Seattle erweisen.

Die Kommission sollte alle Anstrengungen unternehmen, um eine bedeutsame
Politik fuer ein gerechtes und nachhaltiges Handelssystem zu entwickeln.
Solch eine Politik kann nur nach einer umfassenden oeffentlichen Debatte und
nach einem anerkannten und oeffentlichen Dialog mit WTO-Mitgliedern und
Gruppen aus allen Kontinenten ueber die Konsequenzen der Uruguay-Runde
formuliert werden.

Mit freundlichen Gruessen

*VertreterInnen von NGOs*
aus Oesterreich, Belgien, Kroatien, Daenemark, Estland, Finnland,
Frankreich, Georgien, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Luxemburg,
den Niederlanden, Spanien, der Slovakei, Groszbritannien und der Schweiz
sowie europaweiten Organisationen

**********************************************************
'akin - aktuelle informationen'
wipplingerstrasze 23/20
a-1010 wien
kontakt: bernhard redl
vox: ++43 (0222) 535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
fax: ++43 (0222) 535-38-56
e-mail:akin.büro@gmx.at
Domain:http://akin.mediaweb.at
Bank Austria, BLZ 12000,223-102-976/00, Zweck: akin