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akin-Pressedienst.
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Aussendungszeitpunkt: 8.5.2001 - 17:32
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Haefn:
>Ordnung ist das halbe Leben
Ueber die Zustaende im Wiener
Landl
Im Herbst 2000 gab es nicht zum ersten Mal eine
drastische
Verschaerfung der Bedingungen fuer die Haeftlinge,
besonders in
der Justizanstalt Josefstadt. Alltaegliche Dinge wie
Kleider oder
Handtuecher, die bisher kostenlos an zwei
Wochentagen abgegeben
werden konnten, sowie Zeitschriften,
Buecher und fremdsprachige
Tageszeitungen muessen nun in einem
langwierigen Behoerdenweg
beantragt werden. Sie werden "nur in
ganz besonders
beruecksichtigungswuerdigen Faellen" (siehe
Anhang) bewilligt und
muessen anschlieszend fuer teures Porto mit
der Post ins
Gefaengnis geschickt werden. Diese Bestimmung der
"besonders
beruecksichtigungswuerdigen Faelle" ist aeuszerst vage
und
eroeffnet der Willkuer und unfairen Behandlung Tuer und Tor.
In
der Europaeischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte
und
Grundfreiheiten heiszt es in Artikel 10/1: "Jeder Mensch
hat
Anspruch auf freie Meinungsaeuszerung. Dieses Recht schlieszt
die
Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und
zur
Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe
oeffentlicher
Behoerden und ohne Ruecksicht auf Landesgrenzen
ein."
Diese Deklaration laesst auszer Zweifel, dass es zu
den
Grundrechten gehoeren muss, auch in der U-Haft, waehrend der
noch
die Unschuldsvermutung gilt, weiterhin alle Formen
von
Informationen, sofern sie nicht den Prozess beeinflussen,
beziehen
zu koennen. Den Zugang zu Information zu verwehren, die
der
Unterhaltung oder der Weiterbildung dienen, ist - ob in
U-Haft,
Strafhaft oder Schubhaft - nichts anderes als eine
Beschneidung
der Meinungsfreiheit: "Das Recht auf Bildung darf
niemanden
verwehrt werden." (Artikel 2 des 1.Zusatzprotokolls
zur
Europaeischen Menschenrechtskonvention) Gerade fuer Menschen
mit
nicht-oesterreichischer StaatsbuergerInnenschaft (oder
solche, die
nicht ueber gute Sprachkenntnisse verfuegen) bedeuten
diese neuen
Bestimmungen eine besonders schlimme
Verschlechterung. Sie koennen
die deutschsprachigen Zeitungen
nicht lesen oder Antraege an die
Gefaengnisleitung
formulieren.
Diese Verschlechterungen stehen in einer
laengeren Reihe.
Haeftlinge haben grundsaetzlich keine Ansprueche
auf Besuch oder
Post. Alles, was in einer Haftanstalt zugelassen
wird, beruht im
Wesentlichen auf Beguenstigungen, die die
Anstaltsleitung
gewaehrt. Und Beguenstigungen werden jetzt
zunehmend eingespart.
Dazu braucht gar kein Gesetz geaendert zu
werden, es genuegt, wenn
sich Haltungen und Werteinschaetzungen
aendern. Es geht in der
derzeitigen Gefaengnisdiskussion in
erster Linie nicht um die
Lebenssituation der Haeftlinge, sondern
darum, den Strafvollzug
noch wirksamer machen, die oeffentliche
Aufmerksamkeit auf die
Moeglichkeiten des Strafens zu richten.
Diese Verschlechterungen
sind Ausdruck dessen:
* Fernseher
mit Teletext wurden abgeschafft, "weil der Teletext
vielleicht
von kriminellen Organisationen zur
Nachrichtenuebermittlung
verwendet werden kann".
* Es gibt willkuerlich festgelegte
Arbeitsmoeglichkeiten fuer
Maenner und Frauen, fuer
Drogenabhaengige, fuer AuslaenderInnen,
fuer Farbige, fuer
OesterreicherInnen -- wer sich weigert, die
ihm/ihr bestimmte
Arbeit zu tun, der/dem werden die Tage der
Weigerung nicht an die
Strafzeit angerechnet.
* In manchen Anstalten gibt es
ploetzlich jeden Tag genau die
gleiche Konservenkost. In einer
Situation wo Essen sowieso das
Einzige ist, was kurz von der
Situation der Gefangenschaft
ablenken kann, fuehrt dies dazu,
dass die InsassInnen mehr Geld
fuer zusaetzliches Essen ausgeben
muessen. Das wieder duerfen sie
nicht, wie frueher, auf
begleiteten Ausgaengen kaufen, sondern nur
zum (hohen)
Sonderpreis in der Anstalt selbst.
* Es gibt keine
Moeglichkeit mehr, den Gefangenen Weihnachts-
oder
Geburtstagspakete zu schicken.
* Die oeffentlich
ausgehaengten Regelungen fuer die Abgabe von
Waeschepaketen
werden in einer willkuerlichen Art und Weise
ausgelegt: So heiszt
es in den neuen Bestimmungen unter Punkt 1:
"Waeschepakete
ausschlieszlich per Post, und max. 2 Pakete pro
Monat (nur
Waesche!)." In den letzten Wochen wurden jedoch
viele
Waeschepakete, die vorschriftsmaeszig per Post abgeschickt
wurden,
wieder zurueckgeschickt. Auf Beschwerden erklaerten
die
zustaendigen BeamtInnen, dass fuer die Waesche seitens
der
Haeftlinge um keine Bewilligung angesucht wurde. Auf
Nachfragen,
dass Bewilligungen nach den neuen Bestimmungen doch
blosz fuer
Buecher und Zeitschriften, jedoch nicht fuer Kleidung
eingeholt
werden muessten, meinte ein Beamter woertlich, das sei
"halt bloed
geschrieben". In der Zwischenzeit wurden auch
beantragte,
bewilligte Pakete zurueckgeschickt.
Die
Ruecknahme dieser Hausordung, die das Beziehen von Buechern
zum
"Gnadenakt" von Seiten der Anstaltsleitung und zur
Ausnahme
macht, kann also nur der erste dringlichste Schritt
sein.
Auch die Einrichtung einer, im Minsterrat diskutierten
und
versandeten, Rechtsmittelinstanz fuer Beschwerden
der
Anstaltsinsassen gegen Beschluesse der Leiter von
Justizanstalten
scheint jedenfalls nicht so schnell voranzugehen,
wie die
Realitaet dies verlangen wuerde. (GEMMI & Redaktion
Augustin)
Kontakt: Gesellschaft fuer Menschenrechte von
Marginalisierten und
ImmigrantInnen - GEMMI / Stiftgasse 8
/1070 Wien
M@IL Gesellschaft fuer Menschenrechte von Marginalisierten und ImmigrantInnen :: GEMMI ::
AUGUSTIN
/ Mostgasse 7/3 / 1040 Wien / Tel. 01-587 87
90
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> Sachspenden fuer
"Spring"-Opfer
Unabhaengig von der Frage, ob Geschenke
tatsaechlich auch
ueberbracht werden koennen, sammelt die GEMMI
(Kontakt s.
oben) auch weiterhin Sachspenden fuer die Opfer
der
"Operation Spring". Der Leiter der Haftanstalt, Nowak, machte
den
Vorschlag: "Sachspenden wie orginalverpackte Zahnpasta zu
sammeln,
damit wir sicher gehen koennen, dass die Gefangenen
ausreichend
versorgt werden."
Sachspenden sollen daher bei
der "Botschaft besorgter Buerger"
gesammelt werden, um sie Herrn
Nowak zu ueberbringen. Doch wir
wollen uns nicht darauf
beschraenken. Wir sehen es naemlich nicht
als unsere Aufgabe,
einen Mindeststandard aus privaten Spenden zu
erhalten. Wir
moechten Herrn Nowak viele Dinge ueberbringen, zu
denen die
Gefangenen entgegen der Menschenrechtskonvention nur
willkuerlich
oder gar keinen Zugang haben, BUeCHER, ZEITSCHRIFTEN,
RADIO,
GEBURTSTAGSPAKETE, WAHLZETTEL, ... Bringt bitte alles, von
dem
ihr euch vorstellen koennt, dass es die Gefangenen freut,
und
unterstuetzt uns darin, dass sie es auch bekommen.
(GEMMI/bearb.)
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