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akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch
mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright
als dem unseren sagt nichts ueber eine
anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
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Aussendungszeitpunkt: 24.04.2001 - 14:55
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Prinzipielles:
>Wie gesund ist die (verordnete) Gesundheit?
Streiflichter zum
Weltgesundheitstag am 7.4.2001, "der erstmals in der
Geschichte
der Weltgesundheitsorganisation dem Thema 'mental
health`
gewidmet" war.
Am 6.4.01 fand im ehemaligen
"Bundesministerium fuer Arbeit,
Gesundheit und Soziales", von den
dort neu Regierenden umstrukturiert
und in "Bundesministerium
fuer soziale Sicherheit und Generationen"
(BMSG) umbenannt, eine
Veranstaltung zum Thema "psychische Gesundheit"
statt.
Veranstaltet vom Staatssekretariat fuer Gesundheit im BMSG
"mit
der Universitaetsklinik fuer Psychiatrie" repraesentiert
durch
Staatssekretaer Univ. Prof. Dr. Reinhart Waneck und
denVorstand der
Universitaetsklinik fuer Psychiatrie am Wiener
AKH Univ. Prof. Dr.
Heinz Katschnig.
Es handelte sich um
eine gesundheitspolitische
Gleichschaltungsveranstaltung ersten
Ranges in drei Akten:
1.Akt: Diskussionsrunde zum Thema
"Gegen die Diskriminierung und
Stigmatisierung psychisch Kranker:
"Pentalog". Vertreten waren 5
Personengruppen, die fuer die
Hilfe bei psychischen Krankheiten
relevant sind.
2.Akt:
Selbsthilfegruppen diskutieren zum Thema Stigmatisierung
und
Diskriminierung. Thema: Gegen die Diskriminierung und
Stigmatisierung
psychisch Kranker; Teilnehmer: Alzheimer
Angehoerige Austria, Club D&A
(Depression und Angst), Crazy
Industries, Hilfe fuer Angehoerige
psychisch Erkrankter (HPE),
Hilfe zur Selbsthilfe fuer seelische
Gesundheit (HSSG),
Kuckucksnest, Oesterreichische
Interessengemeinschaft fuer
Anfallkranke (IFAK), Selbsthilfegruppe
fuer Zwangsstoerungen,
Verein netzwerk spinnen, Diskussionsleitung:
Univ. Prof. Dr.
Michaela Amering.
3.Akt: Ort: Apollo-Kino, Vorfuehrung des
Films "Angel Baby" von
Michael Rymer, 1995 "Die beruehrende und
tragische Geschichte einer
jungen Frau und eines jungen Mannes,
die beide an Schizophrenie leiden
und sich unsterblich ineinander
verlieben."
Anschlieszend: Podiumsdiskussion. Organisation:
Staatssekretariat fuer
Gesundheit im Bundesministerium fuer
soziale Sicherheit und
Generationen, Universitaetsklinik fuer
Psychiatrie am Wiener
Allgemeinen Krankenhaus, Hilfe fuer
Angehoerige Psychisch Erkrankter
(HPE). Mit freundlicher
Unterstuetzung von "Apollo - Das Kino",
"Polyfilm" und "Cafe
Max"...
Was mittels dieser drei relativ aufwendigen Akte
zuallererst
gleichgeschaltet werden sollte, war der Unterschied
zwischen
psychischen und physischen Krankheiten zu dem Zweck, das
medizinische
Modell von den sogenannten Geistes- bzw. psychischen
Krankheiten als
einzige Moeglichkeit der Interpretation
psychischer Krisen
anzuerkennen, also die psychiatrische
Mythologie kritiklos zu
uebernehmen. Davon gleich noch
mehr.
1.Pentalog ("Gegen die Diskriminierung und
Stigmatisierung psychisch
Kranker")
Das Motto der
Antistigmatisierungskampagne ist juengstes
Steckenpferd des
pharmazeutisch-psychiatrischen Komplexes und
seiner
RepraesentantInnen. Der "Pentalog" (uebersetzbar etwa
mit
"Fuenfergespraech") wurde aus dem "Tetralog" und dieser aus
dem
"Trialog" entwickelt. Der "Trialog" ist eine seit Mitte
der
Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts existierende
halboffizielle
Einrichtung, in der drei Gruppen von Menschen
zusammenkommen, um ueber
psychische Krisen, die sich aus ihnen
ergebenden sozialen Probleme und
die Loesungsangebote von
Psychiatrie und Psychologie zu diskutieren:
1. die Gruppe der
(unmittelbar von psychiatrischen Masznahmen)
Betroffenen bzw.
Benutzer bzw. Psychiatrieerfahrenen bzw.
Psychiatrieueberlebenden
(Terminologie je nach Selbstverstaendnis), 2.
die Gruppe der
sogenannten Profis oder Experten wie
PsychiaterInnen,
PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und 3. die
Gruppe der
Angehoerigen. Mit der Erweiterung zum Tetralog (Gruppe
Nr.4:
Politiker) und dann zum Pentalog (Gruppe Nr.5:
RepraesentantInnen der
pharmazeutischen Industrie) wurde dem
Trialog eine Entwicklung
aufoktroyiert, die seine Existenz in
Frage stellt, zumindest seine
Existenz in der Form, dasz in ihm
kritische Stimmen in der Perspektive
der Hoffnung auf praktische
Umsetzung ihrer Kritik hoerbar bleiben.
Politiker und Vertreter
der pharmazeutischen Industrie haben nunmehr
die Macht auch in
Bezug auf die Entwicklung des "Trialogs"
uebernommen, was zu
erwarten war und den real existierenden
Verhaeltnissen ohnehin
entspricht. Es gilt, zu zeigen, dasz es diesen
Geldhahnmagnaten,
deren Einflusz gar nicht ueberschaetzt werden kann,
doch nicht
gelingt, die kritischen Stimmen zum medizinischen
Modell
gaenzlich zum Schweigen zu bringen.
Der Trialog war
in Gefahr, im eigenen Saft zu schmoren;
seine Erweiterung zum
Tetralog und Pentalog erscheint als logische
Folge. Indiz fuer
seinen Niedergang in Wien ist seine Wieder-
Vereinnahmung durch
die Angehoerigenorganisation HPE. Der Wiener
Trialog findet nicht
mehr wie doch immerhin einige Jahre lang in den
Raeumlichkeiten
der Sachwalterschaft und PatientInnenanwaltschaft in
der
Mariahilferstrasze 81 statt, sondern neuerdings wieder unterm
Dach
der HPE in der Bernardgasse 36/4/14. Was der
Glaubwuerdigkeit in seine
Unabhaengigkeit nicht gerade
foerderlich ist. Verschiedenen
kritischen
Psychiatrieueberlebenden wurde eindringlich
nahegelegt, dort nicht zu
erscheinen.
Aber zurueck ins
Regierungsgebaeude zur
gesundheitssozialpartnerschaftlichen
Veranstaltung des BMSG. Dr.
Martin Dossenbach vom Pharmakonzern
Eli Lilly erwaehnt in seinem
Vorstellungsstatement, dasz die
Pharmaindustrie weltweit 18% ihres
Umsatzes fuer Forschung
ausgibt. Das allermeiste Geld davon fuer die
Erforschung des
zentralen Nervensystems: 9O Milliarden oeS !!!!!
weltweit. Dr.
Dossenbach setzt diese Forschung in fraglosen
ursaechlichen
Zusammenhang mit "Psychoseerkrankungen"(!!!!!).
Noch
aufschluszreicher fuer mich, die Politik der
Pharmakonzerne
betreffend, ist ein weiteres Statement des Herrn
Dr. Dossenbach. Da es
der Pharmaindustrie rechtlich verboten ist,
an die Betroffenen direkt
heranzutreten (wohl aber an die Aerzte,
was ihr aus Umsatzgruenden
aber offenbar noch immer zu wenig
ist), ist sie darauf angewiesen,
dasz wir uns organisieren.
Zwecks rechtlich erlaubter Vereinnahmung.
Nun: die heutige
Veranstaltung ist eine eindrucksvolle Demonstration
solcher
Vereinnahmung. So entbloedet sich z.B. der hier und heute
als
"Initiator und Leiter" der Selbsthilfegruppe "Crazy
Industries"
angekuendigte Christian Horvath in seinem
Vorstellungsstatement nicht,
psychiatriekritisch bis
antipsychiatrisch orientierte
Psychiatrieueberlebende in die
Naehe des Faschismus zu ruecken.
Der Biologismus, also der
Krankheitsbegriff in seiner
klassisch psychiatrischen Form,
schiebt die Verantwortung fuer
menschliches Handeln biologischen
Prozessen zu und entschuldigt damit
die Handelnden total. Das
Motiv der Angehoerigen fuer ihre
Entscheidung fuer die
biologistische Option ist leicht erkennbar. Der
Preis, den die
Menschen fuer die Errichtung des Tabus vor ihrer
Verantwortung,
bezahlen, ist hoch. Denn der Biologismus reduziert die
Menschen
auf den Status bloszen Produkt- bzw. Funktionseins
biologischer
Prozesse. Der auch am 6.4. von HPE-Seite wiederum
vehement
geaeuszerte Schrei nach Stabilisierung der Personen
der
Angehoerigen durch die Psychiatrie richtet sich vor
allem gegen deren
"kranke" Angehoerige, zumeist ihre Kinder.
Stabil bleibt ein(e)
Angehoerige(r) dann, wenn seine/ihre Kinder
der Psychiatrie
aus/geliefert werden, also arme Kranke bleiben.
Wodurch ein Groszteil
des familiaeren Theaters seine Loesung
findet, indem sich die
Aufmerksamkeit der Familienmitglieder auf
ihr armes, von ihnen zum
Suendenbock bestimmtes Familienmitglied
und dessen "Krankheit"
konzentriert. Schlieszlich haben die
Angehoerigen den Krieg um das
Zurueckschrecken vor der nicht mehr
beherrschbaren Krise gegen ihr(e)
Kind(er) gewonnen, und sie
wollen im Status der Gewinner verbleiben.
Weshalb sie weiterhin
nach psychiatrischer Stabilisierung des
familiaeren status quo
rufen.
Ein derartiger Blick auf die Begebenheiten wie der
hier
angedeutete kommt der Wahrheit unverhaeltnismaeszig viel
naeher als
der ganze Wust biologistischer Abhandlungen zur
psychischen
"Krankheit".
Wenn der Krankheitsbegriff
bezogen auf Psychisches eine
Metapher ist und mit dem
metaphorischen Gebrauch des Begriffs ein
Gegensatz zwischen
physischen und psychischen Krankheiten angesprochen
wird (wozu
gaebe es sonst den metaphorischen und den woertlichen
Gebrauch
des Begriffs?), dann mueszten doch die Verwender des
Begriffs
"psychische Krankheit" imstande sein, den Unterschied zu
benennen. Was
aber tun sie stattdessen? Sie reduzieren den
metaphorischen Gebrauch
des Begriffs wiederum auf seinen
woertlichen Gebrauch (O-Ton der
Anhaenger des medizinischen
Modells: "wie bei einer physischen
Krankheit"), umgehen also die
Benennung des Unterschiedes, also seine
notwendige Formulierung,
und lassen diesen, also den Begriff der
psychischen Krankheit im
Nebulosen stehen, im Desorientierungsraum der
psychiatrischen
Theorie als Mythologie. Zurecht spricht Wolfgang Fritz
Haug in
diesem Zusammenhang von mythischer Kategorialitaet und
Franco
Basaglia von der Psychiatrie als "Ideologie-Wissenschaft"
und
"Institution der Gewalt".
Auf Seiten der
PsychiaterInnen ist es wohl vor allem
Ausbildungsblindheit und
Karrierestreben, die sie die ruinoesen Mittel
und Methoden der
Psychiatrie (vor sich selbst und der Gesellschaft) in
einen Segen
fuer die Menschen umluegen laeszt.
Nachdem die
Vorstellungsstatements der PodiumsdiskutantInnen ueber die
Buehne
des langen Tisches gegangen waren, blieb keine Zeit mehr
fuer
eine Diskusion mit dem Publikum. Ist ja auch schon beinahe
wurscht,
dachte ich mir, ob kritische Beitraege aus dem Publikum
auf die
uebliche konsternierte Abwehr nichts verstehenden
Erstaunens stoszen
oder ob sie gar nicht geaeuszert werden
koennen. Auf jeden Fall sind
das groszartige Aussichten fuer
Kritiker des gesundheitspolitischen
Mainstreams!
Das
herausragende Ereignis des 2.Aktes der ministeriell
-
universitaetsklinischen Gleichschaltungsinszenierung: am langen
Tisch
der Selbsthilfegruppen waren sogar regierungskritische
Toene zu
hoeren. Vom Vertreter der Selbsthilfegruppe "Hilfe zur
Selbsthilfe
fuer seelische Gesundheit (HSSG)". Alle
Achtung!
Cut. Szenenwechsel. Apollo-Kino. 14 Uhr. Gezeigt
wird "Angel Baby",
eine Liebesgeschichte zwischen zwei
"Schizophrenen", ein australischer
Film, hervorragend gemacht mit
hervorragenden HauptdarstellerInnen.
Dennoch: es wird mir ewig
ein Raetsel bleiben, dasz viele die blosze
(verdichtete)
Verdopplung der Realitaet zu ihrer (aufklaererischen?)
Mission
machen. Die ewige Wiederkehr des (v/erdichteten) Gleichen.
Das
Deja-vu als Methode. Perspektivlos, gegenwartsleer,
zukunftslos. Schon
habe ich mich entschieden zu gehen. Die
Auspizien der Szene hier sind
mir zu wohlbekannt, als dasz ich
mir noch irgendetwas Zielfuehrendes
erwarten koennte. Ich
verlasse diese illustre Runde
inbruenstiger
Gesundheitsinzuechtler- und
emphatischer
UebervorteilungsempathikerInnen und bin heidenfroh,
als ich hinaus ins
Freie trete: An die Luft! An die Luft!
*Ernst
Kostal*Prinzipielles:
>
Wie gesund ist die (verordnete) Gesundheit?
Streiflichter zum
Weltgesundheitstag am 7.4.2001, "der erstmals in der
Geschichte
der Weltgesundheitsorganisation dem Thema 'mental
health`
gewidmet" war.
Am 6.4.01 fand im ehemaligen
"Bundesministerium fuer Arbeit,
Gesundheit und Soziales", von den
dort neu Regierenden umstrukturiert
und in "Bundesministerium
fuer soziale Sicherheit und Generationen"
(BMSG) umbenannt, eine
Veranstaltung zum Thema "psychische Gesundheit"
statt.
Veranstaltet vom Staatssekretariat fuer Gesundheit im BMSG
"mit
der Universitaetsklinik fuer Psychiatrie" repraesentiert
durch
Staatssekretaer Univ. Prof. Dr. Reinhart Waneck und
denVorstand der
Universitaetsklinik fuer Psychiatrie am Wiener
AKH Univ. Prof. Dr.
Heinz Katschnig.
Es handelte sich um
eine gesundheitspolitische
Gleichschaltungsveranstaltung ersten
Ranges in drei Akten:
1.Akt: Diskussionsrunde zum Thema
"Gegen die Diskriminierung und
Stigmatisierung psychisch Kranker:
"Pentalog". Vertreten waren 5
Personengruppen, die fuer die
Hilfe bei psychischen Krankheiten
relevant sind.
2.Akt:
Selbsthilfegruppen diskutieren zum Thema Stigmatisierung
und
Diskriminierung. Thema: Gegen die Diskriminierung und
Stigmatisierung
psychisch Kranker; Teilnehmer: Alzheimer
Angehoerige Austria, Club D&A
(Depression und Angst), Crazy
Industries, Hilfe fuer Angehoerige
psychisch Erkrankter (HPE),
Hilfe zur Selbsthilfe fuer seelische
Gesundheit (HSSG),
Kuckucksnest, Oesterreichische
Interessengemeinschaft fuer
Anfallkranke (IFAK), Selbsthilfegruppe
fuer Zwangsstoerungen,
Verein netzwerk spinnen, Diskussionsleitung:
Univ. Prof. Dr.
Michaela Amering.
3.Akt: Ort: Apollo-Kino, Vorfuehrung des
Films "Angel Baby" von
Michael Rymer, 1995 "Die beruehrende und
tragische Geschichte einer
jungen Frau und eines jungen Mannes,
die beide an Schizophrenie leiden
und sich unsterblich ineinander
verlieben."
Anschlieszend: Podiumsdiskussion. Organisation:
Staatssekretariat fuer
Gesundheit im Bundesministerium fuer
soziale Sicherheit und
Generationen, Universitaetsklinik fuer
Psychiatrie am Wiener
Allgemeinen Krankenhaus, Hilfe fuer
Angehoerige Psychisch Erkrankter
(HPE). Mit freundlicher
Unterstuetzung von "Apollo - Das Kino",
"Polyfilm" und "Cafe
Max"...
Was mittels dieser drei relativ aufwendigen Akte
zuallererst
gleichgeschaltet werden sollte, war der Unterschied
zwischen
psychischen und physischen Krankheiten zu dem Zweck, das
medizinische
Modell von den sogenannten Geistes- bzw. psychischen
Krankheiten als
einzige Moeglichkeit der Interpretation
psychischer Krisen
anzuerkennen, also die psychiatrische
Mythologie kritiklos zu
uebernehmen. Davon gleich noch
mehr.
1.Pentalog ("Gegen die Diskriminierung und
Stigmatisierung psychisch
Kranker")
Das Motto der
Antistigmatisierungskampagne ist juengstes
Steckenpferd des
pharmazeutisch-psychiatrischen Komplexes und
seiner
RepraesentantInnen. Der "Pentalog" (uebersetzbar etwa
mit
"Fuenfergespraech") wurde aus dem "Tetralog" und dieser aus
dem
"Trialog" entwickelt. Der "Trialog" ist eine seit Mitte
der
Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts existierende
halboffizielle
Einrichtung, in der drei Gruppen von Menschen
zusammenkommen, um ueber
psychische Krisen, die sich aus ihnen
ergebenden sozialen Probleme und
die Loesungsangebote von
Psychiatrie und Psychologie zu diskutieren:
1. die Gruppe der
(unmittelbar von psychiatrischen Masznahmen)
Betroffenen bzw.
Benutzer bzw. Psychiatrieerfahrenen bzw.
Psychiatrieueberlebenden
(Terminologie je nach Selbstverstaendnis), 2.
die Gruppe der
sogenannten Profis oder Experten wie
PsychiaterInnen,
PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und 3. die
Gruppe der
Angehoerigen. Mit der Erweiterung zum Tetralog (Gruppe
Nr.4:
Politiker) und dann zum Pentalog (Gruppe Nr.5:
RepraesentantInnen der
pharmazeutischen Industrie) wurde dem
Trialog eine Entwicklung
aufoktroyiert, die seine Existenz in
Frage stellt, zumindest seine
Existenz in der Form, dasz in ihm
kritische Stimmen in der Perspektive
der Hoffnung auf praktische
Umsetzung ihrer Kritik hoerbar bleiben.
Politiker und Vertreter
der pharmazeutischen Industrie haben nunmehr
die Macht auch in
Bezug auf die Entwicklung des "Trialogs"
uebernommen, was zu
erwarten war und den real existierenden
Verhaeltnissen ohnehin
entspricht. Es gilt, zu zeigen, dasz es diesen
Geldhahnmagnaten,
deren Einflusz gar nicht ueberschaetzt werden kann,
doch nicht
gelingt, die kritischen Stimmen zum medizinischen
Modell
gaenzlich zum Schweigen zu bringen.
Der Trialog war
in Gefahr, im eigenen Saft zu schmoren;
seine Erweiterung zum
Tetralog und Pentalog erscheint als logische
Folge. Indiz fuer
seinen Niedergang in Wien ist seine Wieder-
Vereinnahmung durch
die Angehoerigenorganisation HPE. Der Wiener
Trialog findet nicht
mehr wie doch immerhin einige Jahre lang in den
Raeumlichkeiten
der Sachwalterschaft und PatientInnenanwaltschaft in
der
Mariahilferstrasze 81 statt, sondern neuerdings wieder unterm
Dach
der HPE in der Bernardgasse 36/4/14. Was der
Glaubwuerdigkeit in seine
Unabhaengigkeit nicht gerade
foerderlich ist. Verschiedenen
kritischen
Psychiatrieueberlebenden wurde eindringlich
nahegelegt, dort nicht zu
erscheinen.
Aber zurueck ins
Regierungsgebaeude zur
gesundheitssozialpartnerschaftlichen
Veranstaltung des BMSG. Dr.
Martin Dossenbach vom Pharmakonzern
Eli Lilly erwaehnt in seinem
Vorstellungsstatement, dasz die
Pharmaindustrie weltweit 18% ihres
Umsatzes fuer Forschung
ausgibt. Das allermeiste Geld davon fuer die
Erforschung des
zentralen Nervensystems: 9O Milliarden oeS !!!!!
weltweit. Dr.
Dossenbach setzt diese Forschung in fraglosen
ursaechlichen
Zusammenhang mit "Psychoseerkrankungen"(!!!!!).
Noch
aufschluszreicher fuer mich, die Politik der
Pharmakonzerne
betreffend, ist ein weiteres Statement des Herrn
Dr. Dossenbach. Da es
der Pharmaindustrie rechtlich verboten ist,
an die Betroffenen direkt
heranzutreten (wohl aber an die Aerzte,
was ihr aus Umsatzgruenden
aber offenbar noch immer zu wenig
ist), ist sie darauf angewiesen,
dasz wir uns organisieren.
Zwecks rechtlich erlaubter Vereinnahmung.
Nun: die heutige
Veranstaltung ist eine eindrucksvolle Demonstration
solcher
Vereinnahmung. So entbloedet sich z.B. der hier und heute
als
"Initiator und Leiter" der Selbsthilfegruppe "Crazy
Industries"
angekuendigte Christian Horvath in seinem
Vorstellungsstatement nicht,
psychiatriekritisch bis
antipsychiatrisch orientierte
Psychiatrieueberlebende in die
Naehe des Faschismus zu ruecken.
Der Biologismus, also der
Krankheitsbegriff in seiner
klassisch psychiatrischen Form,
schiebt die Verantwortung fuer
menschliches Handeln biologischen
Prozessen zu und entschuldigt damit
die Handelnden total. Das
Motiv der Angehoerigen fuer ihre
Entscheidung fuer die
biologistische Option ist leicht erkennbar. Der
Preis, den die
Menschen fuer die Errichtung des Tabus vor ihrer
Verantwortung,
bezahlen, ist hoch. Denn der Biologismus reduziert die
Menschen
auf den Status bloszen Produkt- bzw. Funktionseins
biologischer
Prozesse. Der auch am 6.4. von HPE-Seite wiederum
vehement
geaeuszerte Schrei nach Stabilisierung der Personen
der
Angehoerigen durch die Psychiatrie richtet sich vor
allem gegen deren
"kranke" Angehoerige, zumeist ihre Kinder.
Stabil bleibt ein(e)
Angehoerige(r) dann, wenn seine/ihre Kinder
der Psychiatrie
aus/geliefert werden, also arme Kranke bleiben.
Wodurch ein Groszteil
des familiaeren Theaters seine Loesung
findet, indem sich die
Aufmerksamkeit der Familienmitglieder auf
ihr armes, von ihnen zum
Suendenbock bestimmtes Familienmitglied
und dessen "Krankheit"
konzentriert. Schlieszlich haben die
Angehoerigen den Krieg um das
Zurueckschrecken vor der nicht mehr
beherrschbaren Krise gegen ihr(e)
Kind(er) gewonnen, und sie
wollen im Status der Gewinner verbleiben.
Weshalb sie weiterhin
nach psychiatrischer Stabilisierung des
familiaeren status quo
rufen.
Ein derartiger Blick auf die Begebenheiten wie der
hier
angedeutete kommt der Wahrheit unverhaeltnismaeszig viel
naeher als
der ganze Wust biologistischer Abhandlungen zur
psychischen
"Krankheit".
Wenn der Krankheitsbegriff
bezogen auf Psychisches eine
Metapher ist und mit dem
metaphorischen Gebrauch des Begriffs ein
Gegensatz zwischen
physischen und psychischen Krankheiten angesprochen
wird (wozu
gaebe es sonst den metaphorischen und den woertlichen
Gebrauch
des Begriffs?), dann mueszten doch die Verwender des
Begriffs
"psychische Krankheit" imstande sein, den Unterschied zu
benennen. Was
aber tun sie stattdessen? Sie reduzieren den
metaphorischen Gebrauch
des Begriffs wiederum auf seinen
woertlichen Gebrauch (O-Ton der
Anhaenger des medizinischen
Modells: "wie bei einer physischen
Krankheit"), umgehen also die
Benennung des Unterschiedes, also seine
notwendige Formulierung,
und lassen diesen, also den Begriff der
psychischen Krankheit im
Nebulosen stehen, im Desorientierungsraum der
psychiatrischen
Theorie als Mythologie. Zurecht spricht Wolfgang Fritz
Haug in
diesem Zusammenhang von mythischer Kategorialitaet und
Franco
Basaglia von der Psychiatrie als "Ideologie-Wissenschaft"
und
"Institution der Gewalt".
Auf Seiten der
PsychiaterInnen ist es wohl vor allem
Ausbildungsblindheit und
Karrierestreben, die sie die ruinoesen Mittel
und Methoden der
Psychiatrie (vor sich selbst und der Gesellschaft) in
einen Segen
fuer die Menschen umluegen laeszt.
Nachdem die
Vorstellungsstatements der PodiumsdiskutantInnen ueber die
Buehne
des langen Tisches gegangen waren, blieb keine Zeit mehr
fuer
eine Diskusion mit dem Publikum. Ist ja auch schon beinahe
wurscht,
dachte ich mir, ob kritische Beitraege aus dem Publikum
auf die
uebliche konsternierte Abwehr nichts verstehenden
Erstaunens stoszen
oder ob sie gar nicht geaeuszert werden
koennen. Auf jeden Fall sind
das groszartige Aussichten fuer
Kritiker des gesundheitspolitischen
Mainstreams!
Das
herausragende Ereignis des 2.Aktes der ministeriell
-
universitaetsklinischen Gleichschaltungsinszenierung: am langen
Tisch
der Selbsthilfegruppen waren sogar regierungskritische
Toene zu
hoeren. Vom Vertreter der Selbsthilfegruppe "Hilfe zur
Selbsthilfe
fuer seelische Gesundheit (HSSG)". Alle
Achtung!
Cut. Szenenwechsel. Apollo-Kino. 14 Uhr. Gezeigt
wird "Angel Baby",
eine Liebesgeschichte zwischen zwei
"Schizophrenen", ein australischer
Film, hervorragend gemacht mit
hervorragenden HauptdarstellerInnen.
Dennoch: es wird mir ewig
ein Raetsel bleiben, dasz viele die blosze
(verdichtete)
Verdopplung der Realitaet zu ihrer (aufklaererischen?)
Mission
machen. Die ewige Wiederkehr des (v/erdichteten) Gleichen.
Das
Deja-vu als Methode. Perspektivlos, gegenwartsleer,
zukunftslos. Schon
habe ich mich entschieden zu gehen. Die
Auspizien der Szene hier sind
mir zu wohlbekannt, als dasz ich
mir noch irgendetwas Zielfuehrendes
erwarten koennte. Ich
verlasse diese illustre Runde
inbruenstiger
Gesundheitsinzuechtler- und
emphatischer
UebervorteilungsempathikerInnen und bin heidenfroh,
als ich hinaus ins
Freie trete: An die Luft! An die Luft!
*Ernst
Kostal*
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