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Aussendungszeitpunkt: 24.04.2001 - 14:55
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Prinzipielles:

>Wie gesund ist die (verordnete) Gesundheit?

Streiflichter zum Weltgesundheitstag am 7.4.2001, "der erstmals in der
Geschichte der Weltgesundheitsorganisation dem  Thema 'mental health`
gewidmet" war.

Am 6.4.01 fand im ehemaligen "Bundesministerium fuer Arbeit,
Gesundheit und Soziales", von den dort neu Regierenden umstrukturiert
und in "Bundesministerium fuer soziale Sicherheit und Generationen"
(BMSG) umbenannt, eine Veranstaltung zum Thema "psychische Gesundheit"
statt. Veranstaltet vom Staatssekretariat fuer Gesundheit im BMSG "mit
der Universitaetsklinik fuer Psychiatrie" repraesentiert durch
Staatssekretaer Univ. Prof. Dr. Reinhart Waneck und denVorstand der
Universitaetsklinik fuer Psychiatrie am Wiener AKH Univ. Prof. Dr.
Heinz Katschnig.

Es handelte sich um eine gesundheitspolitische
Gleichschaltungsveranstaltung ersten Ranges in drei Akten:

1.Akt: Diskussionsrunde zum Thema "Gegen die Diskriminierung und
Stigmatisierung psychisch Kranker: "Pentalog".  Vertreten waren 5
Personengruppen, die fuer die Hilfe bei psychischen Krankheiten
relevant sind.

2.Akt: Selbsthilfegruppen diskutieren zum Thema Stigmatisierung und
Diskriminierung. Thema: Gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung
psychisch Kranker; Teilnehmer: Alzheimer Angehoerige Austria, Club D&A
(Depression und Angst), Crazy Industries, Hilfe fuer Angehoerige
psychisch Erkrankter (HPE), Hilfe zur Selbsthilfe fuer seelische
Gesundheit (HSSG), Kuckucksnest, Oesterreichische
Interessengemeinschaft fuer Anfallkranke (IFAK), Selbsthilfegruppe
fuer Zwangsstoerungen, Verein netzwerk spinnen, Diskussionsleitung:
Univ. Prof. Dr. Michaela Amering.

3.Akt: Ort: Apollo-Kino, Vorfuehrung des Films "Angel Baby" von
Michael Rymer, 1995 "Die beruehrende und tragische Geschichte einer
jungen Frau und eines jungen Mannes, die beide an Schizophrenie leiden
und sich unsterblich ineinander verlieben."

Anschlieszend: Podiumsdiskussion. Organisation: Staatssekretariat fuer
Gesundheit im Bundesministerium fuer soziale Sicherheit und
Generationen, Universitaetsklinik fuer Psychiatrie am Wiener
Allgemeinen Krankenhaus, Hilfe fuer Angehoerige Psychisch Erkrankter
(HPE). Mit freundlicher Unterstuetzung von "Apollo - Das Kino",
"Polyfilm" und "Cafe Max"...

Was mittels dieser drei relativ aufwendigen Akte zuallererst
gleichgeschaltet werden sollte, war der Unterschied zwischen
psychischen und physischen Krankheiten zu dem Zweck, das medizinische
Modell von den sogenannten Geistes- bzw. psychischen Krankheiten als
einzige Moeglichkeit der Interpretation psychischer Krisen
anzuerkennen, also die psychiatrische Mythologie kritiklos zu
uebernehmen. Davon gleich noch mehr.

1.Pentalog ("Gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung psychisch
Kranker")

Das Motto der Antistigmatisierungskampagne ist juengstes
Steckenpferd des pharmazeutisch-psychiatrischen Komplexes und seiner
RepraesentantInnen. Der "Pentalog" (uebersetzbar etwa mit
"Fuenfergespraech") wurde aus dem "Tetralog" und dieser aus dem
"Trialog" entwickelt. Der "Trialog" ist eine seit Mitte der
Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts existierende halboffizielle
Einrichtung, in der drei Gruppen von Menschen zusammenkommen, um ueber
psychische Krisen, die sich aus ihnen ergebenden sozialen Probleme und
die Loesungsangebote von Psychiatrie und Psychologie zu diskutieren:
1. die Gruppe der (unmittelbar von psychiatrischen Masznahmen)
Betroffenen bzw. Benutzer bzw. Psychiatrieerfahrenen bzw.
Psychiatrieueberlebenden (Terminologie je nach Selbstverstaendnis), 2.
die Gruppe der sogenannten Profis oder Experten wie PsychiaterInnen,
PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und 3. die Gruppe der
Angehoerigen. Mit der Erweiterung zum Tetralog (Gruppe Nr.4:
Politiker) und dann zum Pentalog (Gruppe Nr.5: RepraesentantInnen der
pharmazeutischen Industrie) wurde dem Trialog eine Entwicklung
aufoktroyiert, die seine Existenz in Frage stellt, zumindest seine
Existenz in der Form, dasz in ihm kritische Stimmen in der Perspektive
der Hoffnung auf praktische Umsetzung ihrer Kritik hoerbar bleiben.
Politiker und Vertreter der pharmazeutischen Industrie haben nunmehr
die Macht auch in Bezug auf die Entwicklung des "Trialogs"
uebernommen, was zu erwarten war und den real existierenden
Verhaeltnissen ohnehin entspricht. Es gilt, zu zeigen, dasz es diesen
Geldhahnmagnaten, deren Einflusz gar nicht ueberschaetzt werden kann,
doch nicht gelingt, die kritischen Stimmen zum medizinischen Modell
gaenzlich zum Schweigen zu bringen.

Der Trialog war in Gefahr, im eigenen Saft zu schmoren;
seine Erweiterung zum Tetralog und Pentalog erscheint als logische
Folge. Indiz fuer seinen Niedergang in Wien ist seine Wieder-
Vereinnahmung durch die Angehoerigenorganisation HPE. Der Wiener
Trialog findet nicht mehr wie doch immerhin einige Jahre lang in den
Raeumlichkeiten der Sachwalterschaft und PatientInnenanwaltschaft in
der Mariahilferstrasze 81 statt, sondern neuerdings wieder unterm Dach
der HPE in der Bernardgasse 36/4/14. Was der Glaubwuerdigkeit in seine
Unabhaengigkeit nicht gerade foerderlich ist. Verschiedenen kritischen
Psychiatrieueberlebenden wurde eindringlich nahegelegt, dort nicht zu
erscheinen.

Aber zurueck ins Regierungsgebaeude zur
gesundheitssozialpartnerschaftlichen Veranstaltung des BMSG. Dr.
Martin Dossenbach vom Pharmakonzern Eli Lilly erwaehnt in seinem
Vorstellungsstatement, dasz die Pharmaindustrie weltweit 18% ihres
Umsatzes fuer Forschung ausgibt. Das allermeiste Geld davon fuer die
Erforschung des zentralen Nervensystems: 9O Milliarden oeS !!!!!
weltweit. Dr. Dossenbach setzt diese Forschung in fraglosen
ursaechlichen Zusammenhang mit "Psychoseerkrankungen"(!!!!!). Noch
aufschluszreicher fuer mich, die Politik der Pharmakonzerne
betreffend, ist ein weiteres Statement des Herrn Dr. Dossenbach. Da es
der Pharmaindustrie rechtlich verboten ist, an die Betroffenen direkt
heranzutreten (wohl aber an die Aerzte, was ihr aus Umsatzgruenden
aber offenbar noch immer zu wenig ist), ist sie darauf angewiesen,
dasz wir uns organisieren. Zwecks rechtlich erlaubter Vereinnahmung.
Nun: die heutige Veranstaltung ist eine eindrucksvolle Demonstration
solcher Vereinnahmung. So entbloedet sich z.B. der hier und heute als
"Initiator und Leiter" der Selbsthilfegruppe "Crazy Industries"
angekuendigte Christian Horvath in seinem Vorstellungsstatement nicht,
psychiatriekritisch bis antipsychiatrisch orientierte
Psychiatrieueberlebende in die Naehe des Faschismus zu ruecken.

Der Biologismus, also der Krankheitsbegriff in seiner
klassisch psychiatrischen Form, schiebt die Verantwortung fuer
menschliches Handeln biologischen Prozessen zu und entschuldigt damit
die Handelnden total. Das Motiv der Angehoerigen fuer ihre
Entscheidung fuer die biologistische Option ist leicht erkennbar. Der
Preis, den die Menschen fuer die Errichtung des Tabus vor ihrer
Verantwortung, bezahlen, ist hoch. Denn der Biologismus reduziert die
Menschen auf den Status bloszen Produkt- bzw. Funktionseins
biologischer Prozesse. Der auch am 6.4. von HPE-Seite wiederum
vehement geaeuszerte Schrei nach Stabilisierung der Personen  der
Angehoerigen durch die Psychiatrie richtet sich vor allem gegen deren
"kranke" Angehoerige, zumeist ihre Kinder. Stabil bleibt ein(e)
Angehoerige(r) dann, wenn seine/ihre Kinder der Psychiatrie
aus/geliefert werden, also arme Kranke bleiben. Wodurch ein Groszteil
des familiaeren Theaters seine Loesung findet, indem sich die
Aufmerksamkeit der Familienmitglieder auf ihr armes, von ihnen zum
Suendenbock bestimmtes Familienmitglied und dessen "Krankheit"
konzentriert. Schlieszlich haben die Angehoerigen den Krieg um das
Zurueckschrecken vor der nicht mehr beherrschbaren Krise gegen ihr(e)
Kind(er) gewonnen, und sie wollen im Status der Gewinner verbleiben.
Weshalb sie weiterhin nach psychiatrischer Stabilisierung des
familiaeren status quo rufen.

Ein derartiger Blick auf die Begebenheiten wie der hier
angedeutete kommt der Wahrheit unverhaeltnismaeszig viel naeher als
der ganze Wust biologistischer Abhandlungen zur psychischen
"Krankheit".

Wenn der Krankheitsbegriff bezogen auf Psychisches eine
Metapher ist und mit dem metaphorischen Gebrauch des Begriffs ein
Gegensatz zwischen physischen und psychischen Krankheiten angesprochen
wird (wozu gaebe es sonst den metaphorischen und den woertlichen
Gebrauch des Begriffs?), dann mueszten doch die Verwender des Begriffs
"psychische Krankheit" imstande sein, den Unterschied zu benennen. Was
aber tun sie stattdessen? Sie reduzieren den metaphorischen Gebrauch
des Begriffs wiederum auf seinen woertlichen Gebrauch (O-Ton der
Anhaenger des medizinischen Modells: "wie bei einer physischen
Krankheit"), umgehen also die Benennung des Unterschiedes, also seine
notwendige Formulierung, und lassen diesen, also den Begriff der
psychischen Krankheit im Nebulosen stehen, im Desorientierungsraum der
psychiatrischen Theorie als Mythologie. Zurecht spricht Wolfgang Fritz
Haug in diesem Zusammenhang von mythischer Kategorialitaet und Franco
Basaglia von der Psychiatrie als "Ideologie-Wissenschaft" und
"Institution der Gewalt".

Auf Seiten der PsychiaterInnen ist es wohl vor allem
Ausbildungsblindheit und Karrierestreben, die sie die ruinoesen Mittel
und Methoden der Psychiatrie (vor sich selbst und der Gesellschaft) in
einen Segen fuer die Menschen umluegen laeszt.

Nachdem die Vorstellungsstatements der PodiumsdiskutantInnen ueber die
Buehne des langen Tisches gegangen waren, blieb keine Zeit mehr fuer
eine Diskusion mit dem Publikum. Ist ja auch schon beinahe wurscht,
dachte ich mir, ob kritische Beitraege aus dem Publikum auf die
uebliche konsternierte Abwehr nichts verstehenden Erstaunens stoszen
oder ob sie gar nicht geaeuszert werden koennen. Auf jeden Fall sind
das groszartige Aussichten fuer Kritiker des gesundheitspolitischen
Mainstreams!

Das herausragende Ereignis des 2.Aktes der ministeriell -
universitaetsklinischen Gleichschaltungsinszenierung: am langen Tisch
der Selbsthilfegruppen waren sogar regierungskritische Toene zu
hoeren. Vom Vertreter der Selbsthilfegruppe "Hilfe zur Selbsthilfe
fuer seelische Gesundheit (HSSG)". Alle Achtung!

Cut. Szenenwechsel. Apollo-Kino. 14 Uhr. Gezeigt wird "Angel Baby",
eine Liebesgeschichte zwischen zwei "Schizophrenen", ein australischer
Film, hervorragend gemacht mit hervorragenden HauptdarstellerInnen.
Dennoch: es wird mir ewig ein Raetsel bleiben, dasz viele die blosze
(verdichtete) Verdopplung der Realitaet zu ihrer (aufklaererischen?)
Mission machen. Die ewige Wiederkehr des (v/erdichteten) Gleichen. Das
Deja-vu als Methode. Perspektivlos, gegenwartsleer, zukunftslos. Schon
habe ich mich entschieden zu gehen. Die Auspizien der Szene hier sind
mir zu wohlbekannt, als dasz ich mir noch irgendetwas Zielfuehrendes
erwarten koennte. Ich verlasse diese illustre Runde inbruenstiger
Gesundheitsinzuechtler- und emphatischer
UebervorteilungsempathikerInnen und bin heidenfroh, als ich hinaus ins
Freie trete: An die Luft! An die Luft!  *Ernst Kostal*Prinzipielles:

> Wie gesund ist die (verordnete) Gesundheit?

Streiflichter zum Weltgesundheitstag am 7.4.2001, "der erstmals in der
Geschichte der Weltgesundheitsorganisation dem  Thema 'mental health`
gewidmet" war.

Am 6.4.01 fand im ehemaligen "Bundesministerium fuer Arbeit,
Gesundheit und Soziales", von den dort neu Regierenden umstrukturiert
und in "Bundesministerium fuer soziale Sicherheit und Generationen"
(BMSG) umbenannt, eine Veranstaltung zum Thema "psychische Gesundheit"
statt. Veranstaltet vom Staatssekretariat fuer Gesundheit im BMSG "mit
der Universitaetsklinik fuer Psychiatrie" repraesentiert durch
Staatssekretaer Univ. Prof. Dr. Reinhart Waneck und denVorstand der
Universitaetsklinik fuer Psychiatrie am Wiener AKH Univ. Prof. Dr.
Heinz Katschnig.

Es handelte sich um eine gesundheitspolitische
Gleichschaltungsveranstaltung ersten Ranges in drei Akten:

1.Akt: Diskussionsrunde zum Thema "Gegen die Diskriminierung und
Stigmatisierung psychisch Kranker: "Pentalog".  Vertreten waren 5
Personengruppen, die fuer die Hilfe bei psychischen Krankheiten
relevant sind.

2.Akt: Selbsthilfegruppen diskutieren zum Thema Stigmatisierung und
Diskriminierung. Thema: Gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung
psychisch Kranker; Teilnehmer: Alzheimer Angehoerige Austria, Club D&A
(Depression und Angst), Crazy Industries, Hilfe fuer Angehoerige
psychisch Erkrankter (HPE), Hilfe zur Selbsthilfe fuer seelische
Gesundheit (HSSG), Kuckucksnest, Oesterreichische
Interessengemeinschaft fuer Anfallkranke (IFAK), Selbsthilfegruppe
fuer Zwangsstoerungen, Verein netzwerk spinnen, Diskussionsleitung:
Univ. Prof. Dr. Michaela Amering.

3.Akt: Ort: Apollo-Kino, Vorfuehrung des Films "Angel Baby" von
Michael Rymer, 1995 "Die beruehrende und tragische Geschichte einer
jungen Frau und eines jungen Mannes, die beide an Schizophrenie leiden
und sich unsterblich ineinander verlieben."

Anschlieszend: Podiumsdiskussion. Organisation: Staatssekretariat fuer
Gesundheit im Bundesministerium fuer soziale Sicherheit und
Generationen, Universitaetsklinik fuer Psychiatrie am Wiener
Allgemeinen Krankenhaus, Hilfe fuer Angehoerige Psychisch Erkrankter
(HPE). Mit freundlicher Unterstuetzung von "Apollo - Das Kino",
"Polyfilm" und "Cafe Max"...

Was mittels dieser drei relativ aufwendigen Akte zuallererst
gleichgeschaltet werden sollte, war der Unterschied zwischen
psychischen und physischen Krankheiten zu dem Zweck, das medizinische
Modell von den sogenannten Geistes- bzw. psychischen Krankheiten als
einzige Moeglichkeit der Interpretation psychischer Krisen
anzuerkennen, also die psychiatrische Mythologie kritiklos zu
uebernehmen. Davon gleich noch mehr.

1.Pentalog ("Gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung psychisch
Kranker")

Das Motto der Antistigmatisierungskampagne ist juengstes
Steckenpferd des pharmazeutisch-psychiatrischen Komplexes und seiner
RepraesentantInnen. Der "Pentalog" (uebersetzbar etwa mit
"Fuenfergespraech") wurde aus dem "Tetralog" und dieser aus dem
"Trialog" entwickelt. Der "Trialog" ist eine seit Mitte der
Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts existierende halboffizielle
Einrichtung, in der drei Gruppen von Menschen zusammenkommen, um ueber
psychische Krisen, die sich aus ihnen ergebenden sozialen Probleme und
die Loesungsangebote von Psychiatrie und Psychologie zu diskutieren:
1. die Gruppe der (unmittelbar von psychiatrischen Masznahmen)
Betroffenen bzw. Benutzer bzw. Psychiatrieerfahrenen bzw.
Psychiatrieueberlebenden (Terminologie je nach Selbstverstaendnis), 2.
die Gruppe der sogenannten Profis oder Experten wie PsychiaterInnen,
PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und 3. die Gruppe der
Angehoerigen. Mit der Erweiterung zum Tetralog (Gruppe Nr.4:
Politiker) und dann zum Pentalog (Gruppe Nr.5: RepraesentantInnen der
pharmazeutischen Industrie) wurde dem Trialog eine Entwicklung
aufoktroyiert, die seine Existenz in Frage stellt, zumindest seine
Existenz in der Form, dasz in ihm kritische Stimmen in der Perspektive
der Hoffnung auf praktische Umsetzung ihrer Kritik hoerbar bleiben.
Politiker und Vertreter der pharmazeutischen Industrie haben nunmehr
die Macht auch in Bezug auf die Entwicklung des "Trialogs"
uebernommen, was zu erwarten war und den real existierenden
Verhaeltnissen ohnehin entspricht. Es gilt, zu zeigen, dasz es diesen
Geldhahnmagnaten, deren Einflusz gar nicht ueberschaetzt werden kann,
doch nicht gelingt, die kritischen Stimmen zum medizinischen Modell
gaenzlich zum Schweigen zu bringen.

Der Trialog war in Gefahr, im eigenen Saft zu schmoren;
seine Erweiterung zum Tetralog und Pentalog erscheint als logische
Folge. Indiz fuer seinen Niedergang in Wien ist seine Wieder-
Vereinnahmung durch die Angehoerigenorganisation HPE. Der Wiener
Trialog findet nicht mehr wie doch immerhin einige Jahre lang in den
Raeumlichkeiten der Sachwalterschaft und PatientInnenanwaltschaft in
der Mariahilferstrasze 81 statt, sondern neuerdings wieder unterm Dach
der HPE in der Bernardgasse 36/4/14. Was der Glaubwuerdigkeit in seine
Unabhaengigkeit nicht gerade foerderlich ist. Verschiedenen kritischen
Psychiatrieueberlebenden wurde eindringlich nahegelegt, dort nicht zu
erscheinen.

Aber zurueck ins Regierungsgebaeude zur
gesundheitssozialpartnerschaftlichen Veranstaltung des BMSG. Dr.
Martin Dossenbach vom Pharmakonzern Eli Lilly erwaehnt in seinem
Vorstellungsstatement, dasz die Pharmaindustrie weltweit 18% ihres
Umsatzes fuer Forschung ausgibt. Das allermeiste Geld davon fuer die
Erforschung des zentralen Nervensystems: 9O Milliarden oeS !!!!!
weltweit. Dr. Dossenbach setzt diese Forschung in fraglosen
ursaechlichen Zusammenhang mit "Psychoseerkrankungen"(!!!!!). Noch
aufschluszreicher fuer mich, die Politik der Pharmakonzerne
betreffend, ist ein weiteres Statement des Herrn Dr. Dossenbach. Da es
der Pharmaindustrie rechtlich verboten ist, an die Betroffenen direkt
heranzutreten (wohl aber an die Aerzte, was ihr aus Umsatzgruenden
aber offenbar noch immer zu wenig ist), ist sie darauf angewiesen,
dasz wir uns organisieren. Zwecks rechtlich erlaubter Vereinnahmung.
Nun: die heutige Veranstaltung ist eine eindrucksvolle Demonstration
solcher Vereinnahmung. So entbloedet sich z.B. der hier und heute als
"Initiator und Leiter" der Selbsthilfegruppe "Crazy Industries"
angekuendigte Christian Horvath in seinem Vorstellungsstatement nicht,
psychiatriekritisch bis antipsychiatrisch orientierte
Psychiatrieueberlebende in die Naehe des Faschismus zu ruecken.

Der Biologismus, also der Krankheitsbegriff in seiner
klassisch psychiatrischen Form, schiebt die Verantwortung fuer
menschliches Handeln biologischen Prozessen zu und entschuldigt damit
die Handelnden total. Das Motiv der Angehoerigen fuer ihre
Entscheidung fuer die biologistische Option ist leicht erkennbar. Der
Preis, den die Menschen fuer die Errichtung des Tabus vor ihrer
Verantwortung, bezahlen, ist hoch. Denn der Biologismus reduziert die
Menschen auf den Status bloszen Produkt- bzw. Funktionseins
biologischer Prozesse. Der auch am 6.4. von HPE-Seite wiederum
vehement geaeuszerte Schrei nach Stabilisierung der Personen  der
Angehoerigen durch die Psychiatrie richtet sich vor allem gegen deren
"kranke" Angehoerige, zumeist ihre Kinder. Stabil bleibt ein(e)
Angehoerige(r) dann, wenn seine/ihre Kinder der Psychiatrie
aus/geliefert werden, also arme Kranke bleiben. Wodurch ein Groszteil
des familiaeren Theaters seine Loesung findet, indem sich die
Aufmerksamkeit der Familienmitglieder auf ihr armes, von ihnen zum
Suendenbock bestimmtes Familienmitglied und dessen "Krankheit"
konzentriert. Schlieszlich haben die Angehoerigen den Krieg um das
Zurueckschrecken vor der nicht mehr beherrschbaren Krise gegen ihr(e)
Kind(er) gewonnen, und sie wollen im Status der Gewinner verbleiben.
Weshalb sie weiterhin nach psychiatrischer Stabilisierung des
familiaeren status quo rufen.

Ein derartiger Blick auf die Begebenheiten wie der hier
angedeutete kommt der Wahrheit unverhaeltnismaeszig viel naeher als
der ganze Wust biologistischer Abhandlungen zur psychischen
"Krankheit".

Wenn der Krankheitsbegriff bezogen auf Psychisches eine
Metapher ist und mit dem metaphorischen Gebrauch des Begriffs ein
Gegensatz zwischen physischen und psychischen Krankheiten angesprochen
wird (wozu gaebe es sonst den metaphorischen und den woertlichen
Gebrauch des Begriffs?), dann mueszten doch die Verwender des Begriffs
"psychische Krankheit" imstande sein, den Unterschied zu benennen. Was
aber tun sie stattdessen? Sie reduzieren den metaphorischen Gebrauch
des Begriffs wiederum auf seinen woertlichen Gebrauch (O-Ton der
Anhaenger des medizinischen Modells: "wie bei einer physischen
Krankheit"), umgehen also die Benennung des Unterschiedes, also seine
notwendige Formulierung, und lassen diesen, also den Begriff der
psychischen Krankheit im Nebulosen stehen, im Desorientierungsraum der
psychiatrischen Theorie als Mythologie. Zurecht spricht Wolfgang Fritz
Haug in diesem Zusammenhang von mythischer Kategorialitaet und Franco
Basaglia von der Psychiatrie als "Ideologie-Wissenschaft" und
"Institution der Gewalt".

Auf Seiten der PsychiaterInnen ist es wohl vor allem
Ausbildungsblindheit und Karrierestreben, die sie die ruinoesen Mittel
und Methoden der Psychiatrie (vor sich selbst und der Gesellschaft) in
einen Segen fuer die Menschen umluegen laeszt.

Nachdem die Vorstellungsstatements der PodiumsdiskutantInnen ueber die
Buehne des langen Tisches gegangen waren, blieb keine Zeit mehr fuer
eine Diskusion mit dem Publikum. Ist ja auch schon beinahe wurscht,
dachte ich mir, ob kritische Beitraege aus dem Publikum auf die
uebliche konsternierte Abwehr nichts verstehenden Erstaunens stoszen
oder ob sie gar nicht geaeuszert werden koennen. Auf jeden Fall sind
das groszartige Aussichten fuer Kritiker des gesundheitspolitischen
Mainstreams!

Das herausragende Ereignis des 2.Aktes der ministeriell -
universitaetsklinischen Gleichschaltungsinszenierung: am langen Tisch
der Selbsthilfegruppen waren sogar regierungskritische Toene zu
hoeren. Vom Vertreter der Selbsthilfegruppe "Hilfe zur Selbsthilfe
fuer seelische Gesundheit (HSSG)". Alle Achtung!

Cut. Szenenwechsel. Apollo-Kino. 14 Uhr. Gezeigt wird "Angel Baby",
eine Liebesgeschichte zwischen zwei "Schizophrenen", ein australischer
Film, hervorragend gemacht mit hervorragenden HauptdarstellerInnen.
Dennoch: es wird mir ewig ein Raetsel bleiben, dasz viele die blosze
(verdichtete) Verdopplung der Realitaet zu ihrer (aufklaererischen?)
Mission machen. Die ewige Wiederkehr des (v/erdichteten) Gleichen. Das
Deja-vu als Methode. Perspektivlos, gegenwartsleer, zukunftslos. Schon
habe ich mich entschieden zu gehen. Die Auspizien der Szene hier sind
mir zu wohlbekannt, als dasz ich mir noch irgendetwas Zielfuehrendes
erwarten koennte. Ich verlasse diese illustre Runde inbruenstiger
Gesundheitsinzuechtler- und emphatischer
UebervorteilungsempathikerInnen und bin heidenfroh, als ich hinaus ins
Freie trete: An die Luft! An die Luft!  *Ernst Kostal*


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