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Aussendungszeitpunkt: 27.03.2001 - 15:18
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Naher Osten:

> Der langsame Genozid


Israels Palaestinenser-Politik
Zu: "Wir sahen nicht, wir hoerten nicht", akin 9/01

Tanya Reinharts zieht am Schlusz ihres Briefes aus Israel
Vergleiche von Nazi-Deutschland mit dem heutigen Israel. Die
Bevoelkerungsmehrheit haette damals geschwiegen und es vorgezogen,
nichts zu wissen - ebenso wie dies die Mehrheit der Bevoelkerung
Israels heute zu tun pflege. Es gebe auch nicht sechs Millionen
Palaestinenser, und die Ideologie des Boesen sei nicht dieselbe
wie die der Nazi-Ideologie. Vergleiche dieser Groeszenordnung sind
ohne Zweifel aeuszerst schwierig mit analytischer Konsequenz
durchzufuehren, voellig von der Hand zu weisen sind sie nicht.

Reinhart beschreibt die Rueckkehr zum Konzept der israelischen
Militaerverwaltung vor dem Oslo-Abkommen: Isolation der
palaestinensischen Bevoelkerung in territorialen Zellen. Wie sehen
diese territorialen Zellen aus? Ueber ganze Regionen wird nach
Belieben Ausgangssperre verhaengt, und die Armee schneidet sie von
der politischen und sozialen Kommunikation untereinander ab. Die
palaestinensische Infrastruktur in den besetzten Gebieten wird
zerstoert, aufgrund militaerischer und politischer Willkuer werden
die freie Beweglichkeit und  damit die Arbeitsmoeglichkeiten, aber
auch der gesamte Handel und damit die Lebensadern in diesen
Gebieten abgeschnitten. Die Konsequenz sind exorbitant hohe
Arbeitslosenzahlen, kaum Perspektiven, Repressalien - dies alles
in klimatisch meist halbwuestenaehnlichen Territorien mit
dementsprechendem Wassermangel und Folgekrankheiten. Keinen
Wassermangel haben hingegen oft in Blickweite die aus dem Boden
gestampften juedischen Siedlungen, die unter militaerischem Schutz
der israelischen Armee mit puenktlichen Wassertransporten rechnen
koennen. Wer sollte hier nicht auf die Idee des Steinewerfens auf
die Armee oder die Siedler kommen - allerdings wird von der Armee
scharf zurueckgeschossen. Wundern wen Attentate?

Saemtliche feierlich verkuendete Abkommen von Seiten des
israelischen Staates wurden bisher gebrochen oder je nach
politischer Konstellation ueber Nacht zur Unkenntlichkeit
zurechtgeschrumpft. Die derzeitige israelische Koalition samt dem
neuen Bosz der Schutzmacht USA verspricht eher eine Wende zumSchlechteren, falls dies fuer die Palaestinenser
noch moeglich
erscheint. Die arabischen Staaten stehen teils selbst unter (nicht
immer ganz unverschuldeten) Sanktionen oder sind oekonomisch und
damit politisch an die Industriestaaten gebunden. Die derzeitige
israelische Blockademethode funktioniert einwandfrei, es erscheint
nicht mehr noetig, juedische Terror- und Widerstandsbewegungen wie
Hagana und Irgun Zwai Leumi einzusetzen. Isolation, Ab- und
Aussperren der marginalisierten arabischen Bevoelkerung reicht
voellig. Und marginalisiert wurden sie radikalst. Im 1.Israelisch-
Arabischen Krieg muszten 1948/49 852.000 Araber aus ihrem Land
fluechten, das nun Israel hiesz. Im Land blieben blosz 156.000. Im
Gegenzug kam es in den naechsten Jahrzehnten zu kontinuierlichen
Masseneinwanderungen juedischer Immigranten, die in der
Gesellschaftshierarchie auf zweiter Stufe stehend, schnell die
wenigen Sektoren besetzt hatten, die den Palaestinensern noch
verblieben waren.



Der Friedensvertrag von 1979(!) sah unter anderem israelische
Verhandlungen ueber den Autonomiestatus der Palaestinenser vor.
Geschehen ist das Gegenteil von dem in diesem Abkommen Bezweckten.
Die Siedlungen wurden noch mehr in die palaestinensischen
Kerngebiete hineingebaut, diesmal wurde ganz Jerusalem 1980 per
Gesetz einfach zur israelischen Hauptstadt erklaert. 1982
marschierte die israelische Armee im Libanon ein, wenig spaeter
kam es zu den Massakern an den Palaestinensern in den
libanesischen Fluechtlingslagern Sabra und Schatila durch
christliche Phalange-Milizen. Verwundert es sehr, wenn die
Gruendung der Dschihad Islami (Islamischer Heiliger Krieg) dann
1983 stattfindet? Es ist fast erstaunlich, dasz sich die Hamas
erst 1987 aufgrund der Intifada in den besetzten Gebieten
radikalisiert hatte. Jeder Bruch und jede Verzoegerung des
Autonomieabkommens hatte die Stellung Arafats geschwaecht und die
radikalen Fluegel der Hamas stets gestaerkt. So provoziert Israel
durch Repressalien die palaestinensischen Attentate selbst. Und
der Siedlungsbau wird massiver denn je fortgesetzt - sowohl im
Westjordanland, als auch  im Gaza-Streifen oder Ostjerusalem. Wie
gesagt, der Vergleich von Tanya Reinhart Israels mit Nazi-
Deutschland ist eine Geschmacksfrage - einen Genozid auf Raten
betreibt die israelische Politik mit der palaestinensischen
Bevoelkerung allemal.

Fritz Pletzl

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