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Aussendungszeitpunkt: 27.03.2001 - 15:16
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Nachwahlwehen:
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"Die Arbeiter von Wien..."
Versuch einer Welt- oder zumindest
Oesterreich oder wenigstens
Wien-Erklaerung nach der ersten
Verwirrung
Jetzt ist es also passiert: Der Absturz der FPOe
in den
klassischen Hackler- und "Auslaender-"bezirken
(10,11,15,16) ist
perfekt. Die Hackler sind intelligenter, als
das die
Meinungsforschung und leider auch viele Linke wahrhaben
wollen:
Der "Auslaenderwahlkampf" der FPOe hat ueberhaupt nicht
gegriffen
und ich wage die Behauptung, er hat das auch bislang
ueberhaupt
nie getan. Jene rund 10% der Waehler in den aermeren
Vierteln der
Stadt, die die FPOe diesmal nicht mehr gewaehlt
haben, sind fuer
die nunmehrige Regierungspartei damit nicht
mehr
zurueckzugewinnen. Dennoch wirken die Hetzparolen -- aber
eben
nicht zum Stimmenfangmoeglichkeit, sondern vielleicht eher,
weil diese damals wie heute gerne uebernommen werden. Stimmen
hatten der FPOe aber bislang hauptsachlich ihre lauthalsigen
und
deftig gewuerzten Proteste gegen Rotschwarz gebracht. Und das
Ende
der Protestpartei war auch das Ende der Gewinnerpartei. Da
nutzte
es auch nichts mehr, dasz sich Partik-Pable zuerst
"Verstaendnis
fuer die Sorgen der Wiener" betreffs "Auslaender"
bezeugte und die
fromme Helene letztendlich sogar januskoepfig
mit Haider als
Zweitgesicht posierte.
Es stimmt schon: In
Wien war die FPOe noch in der Opposition und
schimpfte auch
dementsprechend aufs Rathaus. Nur leider:
Kommunalthemen waren
diesmal voellig wurscht -- unabhaengig von
Wahlausgang und
Parteizugehoerigkeit geben das lokale Politiker
allerdings ungern
zu, weil sie sonst ihre ganze Wichtigkeit
verloeren.
Mit
einer SPOe-Absoluten hatte niemand gerechnet - aber das
Potential
ist weder fuer die Buergermeisterpartie noch fuer die
Gruenen
ausgeschoepft. Die Waehlerstromanalysen behaupten, dasz
die
SPOe-Stimmen zu einem nicht unerheblichen Teil von
letztmaligen
Nichtwaehlern stammen und viele ehemalige FPOe-Fans
dafuer den
Urnen fernblieben. Wenn das mehr ist als das
uebliche
Kaffeesudlesen -- und ausnahmsweise glaube ich den
Analysen sogar
-- dann reime ich mir das so zusammen: Waehrend
diejenigen
Arbeiterschicht- und Kleinbuergerwaehler, die die SPOe
nicht mehr
waehlen wollten, denen die FPOe aber immer zu ekelhaft
war, haben
in "Zeiten der Not" wieder zu ihrer alten Liebe
zurueckgefunden.
Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die
der SPOe den Ruecken
gekehrt hatten und bei den letzten Malen
FPOe gewaehlt haben: Sie
halten die Bonzen-SPOe immer noch nicht
wieder fuer akzeptabel und
sind deswegen zu Hause
geblieben.
Aber was war mit den jetzt mit den Gruenen? Die
haben massiv
Proteststimmen lukriert, vielleicht sogar von
solchen, die sich
frueher vielleicht ueberlegt haetten, FPOe zu
waehlen. Aggressiv
waren Chorherr, Blimlinger und Co. ja nicht
wirklich gegen die
Stadtregierung, aber nachdem Wiener Themen
eben vollkommen wurscht
waren und die Gruenen sich im Parlament
ja als einzige
glaubwuerdige Oppositionspartei darstellen
konnten, profitierten
auch die Wiener davon. Und genau jene
Stimmen, die letztes Mal bei
der FPOe waren und dieses Mal nicht
zur SPOe sondern an gar keine
Partei gingen, koennten das
naechste Mal schon bei den Gruenen
landen. Diese Menschen aber --
und es sei mit deutlich erhobenem
Zeigefinger ganz oberlehrerhaft
der Oekopartei ins Stammbuch
geschrieben -- sind nicht die
Besserverdienenden und
Wohlgebildeten, sondern die
Modernisierungsverlierer. Und die
suchen nunmal keine postmoderne
Internetpartei, sondern
konsequente Anwaltschaft, die diese
Menschen versteht und vertritt
oder gar etwa ihnen Ansatzpunkte
liefert, wie sie selbst auch
politisch aktiv werden koennten.
Denn eins ist auch klar: Die SPOe
konnte so stark werden, weil
sie in der Zwischenkriegszeit von der
Arbeiterbewegung getragen
wurde, von deklassierten Menschen, die
der Partei halfen, weil
sie merkten, dasz ihnen wiederum die
Partei half. Und dieses
historische Wissen und die damit
aufgebauten Strukturen waren so
stark, dasz die SPOe trotz allem
noch heute erkennbar davon
zehren kann.
Natuerlich ist die SPOe laengst korrumpiert, das
ist bekannt.
Deswegen konnte ja auch die FPOe gerade in Wien in
den letzten
Jahren so stark punkten. Nun hat sich die FPOe aber
mit der Macht
bekleckert und im Rekordtempo ("Speed kills") ihren
Kredit bei den
Waehlern verspielt. Dies ist eine Bresche, in die
die Gruenen
springen koennten -- wenn sie es schaffen, an die
Frustrierten
heranzukommen, was nicht nur einer Imagekorrektur
sondern auch
einer tatsaechlichen Richtungs- und
Strukturaenderung beduerfte.
Die Moeglichkeiten fuer eine
Politikkorrektur sind allerdings
trotz einer scheinbaren
Bestaetigung des Chorherr-Kurses besser
als vor der Wahl. Denn
die Gruenlinge hatten groszes Glueck: Die
SPOe braucht keinen
Koalitionspartner, die Gruenen koennen sich
also fuerderhin ihre
Speichelleckereien sparen und wieder auch in
Wien ernsthafte
Oppositionspolitik machen -- und damit
Profil
gewinnen.
Und sonst? Da haben doch noch andere
kandidiert? Dank der
Meinungsforschung (und ein bisserl auch wohl
dank der wenig fairen
Pickerln "Wer Gruen waehlt, zaehlt")
wuszten wir aber ja eh schon
im vorhinein, dasz wir diesmal nicht
nur die KPOe, sondern auch
die Liberalen zweng Chancenlosigkeit
nicht waehlen sollen. In
unserer -- in zweierlei Sinne --
mediokratischen
Gesellschaftsordnung scheint nicht viel Platz
fuer ein breites
Meinungsspektrum. Die OeVP hingegen ist einfach
vorhanden und wird
halt gewaehlt, weil man sie immer schon
gewaehlt hat. Diese Partei
verdankt ihre Noch-immer-Existenz in
Wien einfach nur der
Phantasielosigkeit ihrer
Waehler.
Abseits aber von den Gremien, ja, da ist Raum:
Eine
Wahlbeteiligung von 65% sagt viel ueber ein Desinteresse
an
Vertretungspolitik aus, aber doch nichts eindeutiges ueber
eine
tatsaechliche Politikverdrossenheit. "Der Waehler - das
unbekannte
Wesen" ist ein beliebtes Schlagwort. Aber diejenigen,
die gar
nicht waehlen, wie bekannt sind die? Wieviele Menschen in
diesem
Segment fuer Neues ansprechbar sind, ist eine
voellig
unbezifferbare Groesze. Und ob dieser Raum vielleicht in
Zukunft
sogar fuer die Linke nutzbar ist, bleibt abzuwarten.
Einen Versuch
waere es sicher wert. *Bernhard
Redl*
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