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Aussendungszeitpunkt: 20. Februar 2001 - 15:12
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Kapitalismus/Nord-Sued/Nachlese/Kommentare (II):

> Wie knackt man einen Privatclub?

Von CONSTANTIN SEIBT, WoZ

Eine hoch funktionable, halb kaputte Geldmaschine. Das
Weltwirtschaftsforum ist nach eigenem Massstab ein Paradox: Eigentlich
sollte etwas, was derart profitabel laeuft, nicht im Geringsten
gefaehrdet sein. Doch fuer den Tod des Wef braucht es nur noch ein
wenig Killerinstinkt.

Der Hacker-Angriff war eine wirkliche Sensation. Dass die
Kreditkartennummer von Thomas Schmidheiny, die Handynummer von Bill
Gates, das Passwort fuer die interne Wef-Mailbox von Marcel Ospel
geknackt wurden, ist mehr als ein Scherz oder Kriminalfall. Es ist
fuer das Wef der Super-GAU.

Denn es bedeutet, dass trotz einem paramilitaerischen Polizeischutz
das Herzstueck aus dem Wef-Verkaufspaket entfernt wurde: Diskretion.
Zudem sollte das, was den Hackern der Anti-Wef-Szene moeglich war,
auch Geheimdiensten und Wirtschaftsspionen moeglich sein. Aerger,
Unsicherheit und Vertrauensverlust der 30 000 Dollar pro Jahr
zahlenden VIPs duerften entsprechend sein.

Ueberhaupt ist die Achillesferse des Wef seine primaere Qualitaet:
dass es ein Privatclub ist. Ein Insider - ein ungenannt sein wollender
Venture-Kapitalist - beschrieb die Lage hinter den geschlossenen
Tueren ziemlich praezis. Der enorme Vorteil fuer die Wef-Teilnehmenden
sei, dass man a) alle moeglichen VIPs treffe, aber vor allem b)
einander in Davos weit direktere und haertere Fragen stellen koenne
als sonst bei irgendeinem Meeting weltweit.

Dieser teure Luxus - mit anderen Chefs Klartext zu reden - werde durch
Oeffentlichkeit sofort ruiniert. Sobald Journalisten oder Kritiker
auftauchten, muesse man wieder Smalltalk machen. Ein
informationsoffenes Wef sei kein interessantes Wef mehr - zumindest
fuer ihn. Dann wuerde es lustiger, dagegen zu protestieren als
teilzunehmen.

Der Kapitalfehler des Wef war die Idiotie, den Privatclub als
Wohlfahrtsausschuss auszugeben. Der Anspruch, "die Welt zu
verbessern", kostet das Wef mehr als ein paar salbungsvolle Worte:
verdammt viele salbungsvolle Worte und damit Zeit, Nerven undDenkkraft.

Der Aerger dadurch wird potenziert: frierende, aggressive Polizei,
drangsalierte Bevoelkerung, eine zum Schweigen verpflichtete
Journaille, ueberforderte Organisatoren (Regierungsrat Aliesch,
Organisator des uebelsten Polizeieinsatzes seit Jahren, gab spaeter
zu, "das Forum am liebsten auf den Mond schiessen zu wollen") - mit
dem Hack hat der Aerger auch die Wef-TeilnehmerInnen erreicht.

Wie knackt man ihren Privatclub? Effizient waere, Hektik und Aerger
das  naechste Mal noch zu steigern. Die kombinierte Strategie aus am
Wef  teilnehmenden NGOs, Gegenkongress, gewaltfrei Demonstrierenden
und - warum nicht? - Sachschadenverursachern hat sich bewaehrt. Ohne
Krawalle waere Seattle Fussnote statt Fanal geworden. Ohne harte
politische Akten- und Verhandlungsarbeit allerdings auch. Was im Anti-
Wef-Dispositiv noch fehlt, ist das konsequente Umsetzen der Anti-
Diskretions-Taktik: Private Clubs benoetigen private
Unannehmlichkeiten. Jemand mit Wef-Badge sollte nicht mehr ohne
persoenliche Beleidigung durch Davos kommen. Solange sich die VIPs
wohl fuehlen, existiert das Wef.

Erstickt in Datenchaos, Stacheldraht und dem eigenen Salbadern hat das
Wef wenig Chancen. Vielleicht erschiesst, wie es dieses Jahr dem
Milliardaer George Soros beinah passierte, naechstes Jahr ein
nervoeser Polizist einen Wef-Teilnehmer. Soros selbst kommentierte den
Polizeieinsatz hart und die Proteste trocken: "Die Methoden dieser
Protestbewegung sind inakzeptabel, aber wirkungsvoll." Erlaubt ist
also, was nuetzt oder vielmehr schadet. Die Grabsteine fuer das Wef
sind jedenfalls vorhanden. Sie muessen nur noch geworfen werden.
*WoZ-Online, 8.2.2001*
 

Quelle: http://www.woz.ch/wozhomepage/davos/davos.htm.
An dieser Stelle gibt es noch eine Menge anderes zum Thema - fuer das
WEF-Treffem in Salzburg sicherlich nicht ganz uninteressant.

Wir weisen allerdings aus rechtlichen Gruenden darauf hin, dasz es
sich hierbei nur um die zitierte Kolumne einer Schweizer Wochenzeitung
handelt und nicht um eine Stellungnahme der Redaktion oder eines
einzelnen Mitglieds. Jede Aehnlichkeit mit der Meinung der Redaktion
waere rein zufaellig. Grabsteine wirft man nicht!
 

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