Kunst/Kultur/Sexismus/Debatte:
Nach Bernhard Redls Text zu den Protesten gegen den Rapper Kool Savas
("Was ist Kunst", akin 4/01, akin-pd 30.1.01 und Widerst@ndsMUND 31.1.01)
gabe es eine Menge Reaktionen:
> Lieber "Scheiszliberaler"
Kunst hat nicht immer gefaellig zu sein, musz nicht immer das Gute,
Wahre und Schoene darstellen, sondern musz vielleicht auch einmal das
Garstige, Verderbliche und Erschreckende sich und uns zu Gemuete
fuehren. Da bin ich ganz Deiner Meinung. Auch Deine Ueberlegungen zur
Zensur finde ich im Grunde ganz richtig. Dennoch scheint es notwendig,
sich ab und an die Finger schmutzig zu machen und der kuenstlerischen
Freiheit Grenzen zu setzen, spaetestens dort, wo die
Menschenverachtung begint. Ob das von links oder von rechts geschieht,
das scheint mir dabei nebensaechlich zu sein.
Das Recht auf freie Meinungsaeuszerung (in der Kunst und sonstwo) kann
ohne den Willen zum verantwortungsvollem Umgang mit den Rechten
anderer nicht bestehen. Die von Dir zitierten Saetze sind nicht nur
sexistisch und homophob, sondern auch rassistisch, pornografisch,
kriminell. Dasz sie obendrein duemmlich und unreif erscheinen, macht
sie nicht unproblematischer. Ob sie nun "witzig" gemeint sind oder
nicht: es wird immer wieder Menschen geben, die solche Ansichten ernst
nehmen (ich selbst biete mich da als Beispiel an). Wuerde der Staat
etwas taugen, so wuerde ein Strafrichter die oeffentliche
Schaustellung derartiger Entgleisungen verhindern. Sofern das nicht
der Fall zu sein scheint, entsteht die Notwendigkeit individuellen
Widerstandes. Ich bin deshalb froh, dasz es Menschen gibt, die sich
ihrer demokratischen Verantwortung stellen und die Verbreitung von
menschenverachtendem Ekelkram zu verhindern suchen, sofern und solange
es ihnen moeglich ist.
Sicherlich waere es wuenschenswert, der Herr Saenger stiege nach einer
eingehenden Diskussion seiner Texte von der Buehne und sagte: "Ja,
die
Diskussion mit Euch war wirklich hilfreich fuer mich, danke, ich habe
nochmal darueber nachgedacht, da habe ich wirklich eine derartige
Scheisze verzapft, dasz ich mich in den kommenden Jahren erstmal
taeglich ohrfeige. Darueberhinaus erlaube ich mir, meiner Verzweiflung
ueber den hysterischen Paternalismus der Linken Ausdruck zu verleihen,
indem ab sofort meinen Mund nur noch oeffne, um zu essen oder wenn
Oekoli und Rosa Antifa mich darum anflehen." Solange der Herr Saenger
aber gar keine Diskussion sucht, sondern sich weiterhin und ungestoert
die Verbreitung von Hasz bezahlen laeszt, sehe ich keinen Grund, warum
Du Dich dagegen wehrst, wenn ihm die Moeglichkeit zum oeffentlichen
Auftritt genommen wird.
Mit freundlichen Grueszen *Christian Denker*
*
> Diffamierende Witzchen
Was ist Kunst? Na toll, das war doch schon lange faellig, dasz mir da
erklaert wird, das rassistische und sexistische Texte von diesen
A..... Kunst sind. Mit der Argumentation kann sich doch jeder kleine
Wixer auf der Strasze finden, der eine sexuell belaestigt, oder der
Boss und/oder Kollege der seine diffamierenden Witzchen reiszt. auch
ja es tut mir gut in dieser Sache schwarz/weiss zu denken und die
Grautoene oder die Buntheit zu verleugnen. Wie kommt frau dazu, sich
solch einen Muell unterjubeln zu lassen. *elfie r. im Widerst@ndsMUND*
> Zuviel der Ehre
Es ist zwar etwas zu viel der Ehre, wenn Bernhard Redl in der letzten
AKIN und im Widerstandsmund vom Mittwoch glaubt, wegen einigen mails
die wir von der Rosa Antifa geforwardet haben, uns zu Anfuehrern der
Proteste gegen den Auftritt von Kool Savas zu machen, trotzdem wurdert
es uns eigentlich nicht, dasz jemand der sich seit Jahren in der AKIN
fuer die Aufhebung des NS-Verbotsgesetzes einsetzt, natuerlich auch
nichts gegen Auftritte homophober, sexistischer und rassistischer
Kuenstler hat. Dasz Bernhard Redl so ganz nebenbei noch gegen sein
Feindbild "political correctness" rittert, macht ihn vielleicht bei
anderen Kaempfern gegen "linken Tugendterror" und das NS-Verbotsgesetz
noch einmal beliebt, wenn er sich weiter so anstrengt. *Oekologische
Linke*
> Redls Motto
Der Bernhard Redl fuehlt sich zur Verteidigung der unvorstellbar
gewalttaetigen Texte von Kool Savas bemueszigt. Er, der sonst so
politisch korrekte Bernhard Redl meint sogar, sexistische Gewalt sei
so etwas wie Kunst. Eine klare Info fuer alle Akin-Leserinnen, bei
maennlicher Gewalt gegen Maedchen/Frauen, setzt's auch beim Redl
aus....! Redls Motto: Brueder sind wir allemal! Bitte erspare mir
deine Antwort auf mein Posting!!!!!!!!!!!! *Anneliese
Erdemgil-Brandstaetter*
*Netzwerk oesterreichischer Frauen- und Maedchenberatungsstellen*
> Antworten
Ich musz Euch leider nochmal belaestigen
Mir sind Christian Denkers Einwaende alles andere als fremd. Denn wenn
es manchmal auch nicht so scheinen mag, so leiste ich mir doch sehr
wohl den Luxus von mehr als nur einer Seele in meiner Brust. Beim
gegenstaendlichen Fall geht es aber nicht nur um zwei oder mehr
Ansichten, sondern auch um zumindest zwei Diskussions-Ebenen: Der
einen um den konkreten Anlaszfall, die andere ums Prinzip.
Das eine sind die Uebertreibungen eines Kool Savas, denen ich - je
mehr ich darueber nachdenke, um so logischer erscheint mir das - sehr
wohl eine Art psychohygienischer Wirksamkeit zuschreibe. Denn wir alle
haben Phantasien, fuer die wir uns genieren und von denen wir kaum
zugeben wollen, dasz wir sie haben. Dadurch aber, dasz sie niemand
ausspricht, halten wir sie unbewuszt fuer abnormal und verdraengen
sie. Wenn man sich dann aber in einer Gruppe von Menschen bewuszt
wird, dasz sie alle diese - oder aehnlich wilde - Phantasien haben,
im
stinknormalen Leben aber durchaus sozialvertraeglich sind, kann man
eher akzeptieren, dasz sich in unseren Hirnen halt Vorstellung
abspielen, die wir zwar verachten, die uns aber nicht daran hindern,
eben ein sozialvertraegliches Individuum zu sein. Und so kann - mit
der Betonung auf die Moeglichkeitsform - ein derartiger Verbalexzess
uns vielleicht helfen, uns selbst zu verstehen und uns selbst etwa
gar
zu moegen. Was sicher begrueszenswert fuer das Individuum und damit
auch fuer die Gesellschaft ist. Natuerlich kann man auch befuerchten,
dasz eine affirmative Behandlung mit diesen Phantasien bestaerkend
fuer einen potentiellen Vergewaltiger sein kann - ich glaube aber,
dasz eine derart drastische Ausdrucksweise einen Vergewaltiger eher
verschreckt, weil er sich ertappt fuehlt.
Okay, soweit meine zugegebenermaszen dilletantischen und nicht durch
eine einschlaegige Ausbildung qualifizierten Versuche auf dem heiklen
psychologischen Gebiet.
Zum anderen ist aber eben der gesamte Bereich der Zensur
problematisch. Denn ich frage mich immer, wer das Recht fuer sich
beanspruchen kann, die Grenze zu ziehen, was in Ordnung ist und was
nicht. Wenn Herr Savas das alles wirklich ernst meinen wuerde, kaeme
mir natuerlich schon das Kotzen. Wenn einer auftreten wuerde, um Nazi-
Juden-Witze zu erzaehlen, waere mir das wahrscheinlich so mies
aufgestoszen, dasz ich diesen Text diesbezueglich nicht geschrieben
haette. Aber das ist eine Frage der Empfindlichkeiten - also was man
noch ertragen kann -, es bleibt dennoch auch die Frage, wer als Zensor
- ob mittels Moral, Gericht oder Geld als Machtmittel ist dabei fuer
den erzielten Effekt der Publikationsunterdrueckung fast voellig
wurscht - tatsaechlich legitimiert ist.
Es sollte meines Erachtens den jeweiligen Veranstaltern ueberlassen
werden, was sie auf ihre Buehnen lassen wollen - auch wenn natuerlich
deren Macht (Stichwort: Kulturindustrie) nicht unhinterfragt bleiben
duerfte. Die politische Intervention sollte sich meineserachtens aber
darauf beschraenken, die jeweils bevorzugte Kunstrichtungen zu
unterstuetzen und zu subventionieren, nicht aber mittels Protest -
und
damit unterschwelliger Boykottdrohung - Veranstalter dazu zu bringen,
bestimmte Kuenstler nicht auftreten zu lassen. Ich glaube, dasz wir
zu
einer Gesellschaft kommen muessen, die ihre kuenstlerische Vielfalt
nicht beschraenken will. Wenn wir Angst davor haben, was Menschen
denken koennten und versuchen wollen, sie eben nicht nur anagitieren
zu wollen, sondern ihnen vorschreiben zu wollen, was sie sich
reinziehen duerfen, stehen wir mit fortschrittlichem Gedankengut auf
verlorenem Posten.
Natuerlich erscheint es blauaeugig, mit romantischem Verve gegen jede
Art von Zensur aufzutreten, da man sich klar werden musz, dasz jeder
Konfliktaeuszerung ein gewisser zensorischer Charakter innewohnt. Das
gilt fuer die Kritik an Savas genauso wie die Kritik an mir, aber
natuerlich auch fuer die Kritik, die ich an den Kritikern habe. Denn
wer eine kuenstlerische Darbietung oder auch eine klar auf politischem
Terrain geaeuszerte Stellungnahme auch nur kritisiert, kann damit eine
zensorische Wirkung ausueben, wenn hinter dem Sprecher eine gewisse
Macht steht - und so gut wie jeder Kritik wohnt Macht inne. Beispiel
Savas: Eine lautstarke Problematisierung seiner Texte allein - die
ganz selbstverstaendlich legitim ist - haette vielleicht auch einen
Rueckzieher der Veranstalter verursacht. Damit musz man aber umgehen
lernen, denn das ist eine Frage von Courage und zivilisierter
Kommunikation. Was mich aber vor allem stoert, ist die explizite
Aufforderung, beim Veranstalter zu intervenieren. Gerade naemlich in
einer Zeit, wo eine Regierung versucht, zu definieren, was im
kuenstlerischen und politischen Bereich gesagt und gemacht werden
darf, ist es meineserachtens nicht opportun, ein Klima der
Kunstverengung zu erzeugen.
Was die Vorstellung angeht, dasz Herr Savas selbst zu einer Diskussion
zu zwingen waere, so ist das gar nicht relevant. Savas ist ein
Provokateur, ein Hervorrufer also. Er ist als Kuenstler selbst eine
Kunstfigur, ein Teil des Kunstwerkes also, mit dem man - solange er
sich in dieser artifiziellen Pose befindet - in diesem Sinne nicht
zu
diskutieren wollen braucht. Hingegen erzeugt er ein Thema - und ueber
dieses kann man diskutieren. Das Thema ist nota bene natuerlich nicht
die Frage, ob die geaeuszerten Ansichten, Haltungen und Phantasien
richtig sind, sondern vielmehr die Frage, wie man mit diesen
gesellschaftlich vorhandenen Phaenomenen umgeht. Letztlich stellt sich
damit auch der Protest gegen seine Texte als Teil des Kunstwerkes dar;
sowie das vielleicht sogar meine Aeuszerungen dazu auch sind. Aber
wenn die Kritik ins Inquisitorische abdriftet, dann habe ich eben
meine Probleme damit.
Die Oekoli hat schon recht, ich hab auch meine Probleme mit dem NS-
Verbotsgesetz. Warum und wieso hab ich schon oft genug erlaeutert.
Daher dazu nur soviel: Maria Rauch-Kallat von der OeVP meinte
kuerzlich in einer ZiB3-Diskussion: "Linksextremismus ist wie
Rechtsextremismus in Oesterreich verboten". Haette sie gerne.
Wunschdenken. Noch. Die ganze Gleichsetzerei der stalinistischen mit
den Naziverbrechen laeuft genau auf dieser Schiene. Letztendlich
werden sie mit der Argumentation z.B. zum Schutz der demokratischen
"Wertegemeinschaft" der EU oder aehnlichem Scheisz Kapitalismuskritik
als strafrechtlich relevantes Delikt definieren wollen. Und davor
fuerchte ich mich. In dieser politischen Situation ist es nicht
wirklich leiwand, Stimmung fuer die Legitimitaet von Redeverboten zu
machen, gehe es jetzt um politische Aeuszerungen oder um
kuenstlerische.
Die Linke hat sich auf ihre Fahnen immer die Menschenrechte
geschrieben. Besonders der Neuen Linken war deren Unteilbarkeit, das
Beharren auf politischen wie auf oekonomischen Rechten wichtig. Und
die Menschenrechte sehen eben nicht nur einerseits das Recht auf
Nichtdiskriminierung nach Geschlecht, Hautfarbe, religioeser
Ueberzeugung und sexueller Ausrichtung vor, sondern andererseits auch
die Freiheit von Rede und Kunst. Natuerlich gilt es hier abzuwaegen,
wie beiderlei Rechte in solchen Faellen gleichermaszen zu schonen
sind, man kann sich aber nicht einfach abputzen und sagen, das eine
Recht ist wichtiger als das andere. Natuerlich hoeren wir von
progressiver Seite oft genug Kritik an Zensur und Zensurversuchen,
aber leider meistens eben nur dann, wenn die angegriffene Meinung
selbst auch bejaht wird. Wenn die Linke aber die Werte der
Meinungsfreiheit immer nur dann einfordert, wenn es sich um Aussagen
handelt, die sie selbst fuer gut und richtig haelt, dann wirkt das
einfach unglaubwuerdig.
Zuguterletzt: Es interessiert mich, welche inhaltlichen Argumente fuer
oder gegen meine Thesen sprechen. Und ich weisz natuerlich auch, das
es nicht voellig egal ist, in welchem Umfeld ich eine Aussage taetige.
Ich habe aber keine Lust, meine Ansichten danach auszurichten, wer
mir
applaudieren koennte. Ich schreibe nicht fuer die Kronen Zeitung und
nicht fuer ein "An einen Haushalt"-Bezirksblatt, sondern fuer explizit
fortschrittliche Publikationen. Wenn meine Ueberlegungen daher via
akin oder auch via Widerst@ndsmund Verbreitung finden, nehme ich an,
dasz diese Leser und Leserinnen in ihrer sittlichen und politischen
Haltung soweit gefestigt sind, dasz sie von mir weder in einem
faschistischen noch in einem frauen-, schwulen-, oder
auslaenderfeindlichen Sinne beeinfluszt werden koennen. Und diesem
Publikum wird man hie und da doch zumindest ein bisserl Haeresie
zumuten koennen. Hoffe ich zumindest. *Bernhard Redl*
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