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Aussendungszeitpunkt: 13. Februar 2001 - 14:38
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Schub/Haft:

> Kein Zutritt zu Boehmdorfers Haefn

International Helsinki Foederation darf Justizanstalten nicht
besuchen - aber auch die Ergebnisse aus den
Polizeigefangenenhaeusern sind nicht ermutigend

Das Gesuch der IHF, Justizanstalten in Wien und Linz zu besuchen,
war vom Justizministerium mit der Begruendung einer diesbezueglich
fehlenden Rechtsgrundlage abgelehnt worden. Telefonisch erfolgte
die Mitteilung, dass "...die Haftbedingungen ohnehin ausreichend
durch verschiedene Institutionen ueberprueft wuerden, inklusive
des CPT (des Komitees zur Verhuetung von Folter und unmenschlicher
Behandlung des Europarates), das erst im September 1999 einen
Besuch abgestattet hatte." "Derartige Reaktionen seitens der
Justizbehoerden sind durchaus ueblich in Laendern mit autoritaeren
Verhaeltnissen, in denen massive Probleme hinsichtlich der
Haftbedingungen existieren", meint Aaron Rhodes, Direktor der IHF.
"In einer modernen westlichen Demokratie allerdings muss der
Eindruck entstehen, dass die oesterreichische Justiz ihre
Haftanstalten nicht jederzeit herzeigen kann."

Nach ihrem ersten Besuch in Polizeigefangenenhaeusern (PGH) in
Oesterreich am 2. Februar konstatierte die Helsinki Foederation
(IHF) Maengel in der Anhaltung von Schubhaeftlingen. Die aktuelle
Zahl der in den PGH Wien Rossauer Laende und Hernalser Guertel
Inhaftierten betrug zur Zeit des Besuchs 361 Haeftlinge. Rund zwei
Drittel davon (230) waren Schubhaeftlinge (187 Maenner, 43
Frauen). Auch 15 Minderjaehrige (6 Maenner, 9 Frauen) befanden
sich in Haft. In den mit den Insassen gefuehrten Gespraechen
wurden wiederholt folgende Beschwerdepunkte vorgebracht:

Sprach- und Verstaendigungsprobleme: Viele der Befragten gaben an,
dass ihnen der Ablauf nicht klar sei. Sie wuessten nicht, weshalb
sie in Schubhaft genommen und was mit ihnen passieren werde. Zwar
sind die Hausordnung und Informationsblaetter in beiden Haeusern
in mehreren Sprachen angebracht, doch erweisen sich diese als
unzureichend, weil sich zum einen Analphabeten unter den
Inhaftierten befanden, aber auch weil die eingeschraenkte
Bewegungsfreiheit innerhalb der PGH den Zugang zu diesen
Informationen verhindert.

Das Bundesministerium fuer Inneres hat mit einzelnen
nichtstaatlichen Organisationen Vertraege zur Schubhaftbetreuung
abgeschlossen, um eine rechtliche Beratung und soziale
Unterstuetzung fuer Schubhaeftlinge zu gewaehren. Trotz
Betreuungsstunden an drei Nachmittagen pro Woche koennen die
Schubhaftbetreuungsorganisationen den Erfordernissen nach
Information und Beratung der Einzelfaelle offenbar nicht
ausreichend nachkommen. Ein Schubhaftbetreuer der am Tag des IHF-
Besuchs im PGH Hernalser Guertel taetigen
Schubhaftbetreuungsorganisation Association for Democracy in
Africa hatte in einem kleinen Raum etwa 20 Haeftlinge gleichzeitig
zu beraten. Zwei minderjaehrige Haeftlinge, die sich bereits drei
Tage im PGH Rossauer Laende befanden, hatten bisher keinen Kontakt
mit der Schubhaftbetreuung. Ein von ihnen angeregtes Telefonat mit
ihrem bisherigen Betreuer des Jugendamtes sei ihnen zwar von
Seiten des Sicherheitswachebediensteten zugesichert worden, konnte
aber aus Geldmangel fuer den Erwerb einer Telefonwertkarte nicht
durchgefuehrt werden.

Insofern ist der sofortige Zugang zu Rechtsanwaelten offenbar aus
rein praktischen und finanziellen Gruenden in vielen Faellen nicht
gegeben. Das Sprach- und Kommunikationsproblem setzt sich auch bei
der aerztlichen Betreuung fort. Behelfsmaeszig werden andere
Insassen mit Einwilligung des Betroffenen zur Uebersetzung
beigezogen. Aerztliche Betreuung wird taeglich vormittags
angeboten, wobei ein gewuenschter Arztbesuch von einem Haeftling
bereits um sechs Uhr morgens angemeldet werden muss und ein
spaeteres diesbezuegliches Gesuch auf den naechsten Tag verschoben
wird. Einige Inhaftierte kritisierten diesen Usus, da bei
Akutfaellen nicht sofort reagiert werde.

Hungerstreiks

Die Delegation fuehrte Gespraeche mit drei Haeftlingen, die nach
acht, zehn und elf Tagen Hungerstreik vom zustaendigen Amtsarzt
fuer haftunfaehig erklaert und entlassen wurden. Der physische
Zustand dieser Personen war sichtlich sehr schlecht. Einer der
Befragten gab an, er habe seit drei Tagen nichts mehr getrunken.
Er zitterte am ganzen Koerper und wirkte voellig erschoepft und
schwach. Insgesamt befanden sich nach Angaben des
Polizeikommandanten 27 Haeftlinge in Hungerstreik. Die Rolle der
Amtsaerzte ist bei der Beurteilung der Haftunfaehigkeit aufgrund
fortgesetzten Hungerstreiks zentral. Mehrere Insassen kritisierten
die Qualitaet der aerztlichen Betreuung. Vor allem im PGH
Hernalser Guertel war das Vertrauen in manche der Amtsaerzte nicht
gegeben. Aus Kostengruenden wuerden beispielsweise benoetigte
Medikamente nicht verschrieben. Ein Haeftling erklaerte, dass sein
stark angeschwollenes Bein nicht behandelt werde, er bekomme
lediglich Schmerzmittel. Ein anderer abgelehnter Asylwerber klagte
ueber starke Schmerzen vor allem in der rechten Hand, die von
Kriegsverletzungen herruehrten. Einige der eingeschlossenen
Metallsplitter seien zwar operativ entfernt worden, dennoch
verspuere er aufgrund der restlichen Splitter starke Schmerzen.
Auch er bekomme lediglich Schmerztabletten verschrieben.
Weiters kritisierten mehrere Haeftlinge den Mangel an
Hygieneartikeln. Es fehle zuweilen an Rasierern, Seife und
Shampoos bzw. sei ihnen nicht klar, dass sie diese Hygieneartikel
nur ueber Verlangen erhalten wuerden. Duschen wird nur jeden
zweiten Tag mit dem Argument gestattet, dass nicht genuegend
Warmwasser zur Verfuegung stehe. Telefonieren werde nur ein oder
zwei Mal pro Woche gestattet, wobei es dem Wachpersonal jeweils
ueberlassen ist, wie oft Telefongespraeche erlaubt werden.
Haeftlinge im PGH Hernalser Guertel klagten darueber, dass sie
manchmal nur jeden zweiten Tag etwa 45 Minuten lang ins Freie
duerften. Zudem sind die Gefaengnishofanlagen in beiden PGH extrem
klein. Auch werden Schubhaeftlinge trotz Arbeitswilligkeit oft
nicht zu Hausarbeiten herangezogen.

Kriminalisierung

Allgemein ist zu kritisieren, dass die Anhaltung von
Schubhaeftlingen in Polizeigefangenenhaeusern stattfindet, da
dadurch ein kriminelles Verhalten der Festgehaltenen suggeriert
wird. Alternative Anhalte- oder Kontrollmoeglichkeiten sollten in
Betracht gezogen werden, die die Bewegungsfreiheit weniger
einschraenken. In einem im Anschluss an den Besuch gefuehrten
Telefongespraech mit dem genannten Vertreter des Jugendamtes
erwies sich zudem, dass Erfahrungswerte im Umgang mit
minderjaehrigen Schubhaeftlingen offenbar fehlten.

International Helsinki Federation for Human Rights / gek.*

Kontaktadressen: Petra Winter, International Helsinki Federation
for Human Rights (IHF) Associate Legal Counsel, Tel. +43-1-408
8822-21, winter@ihf-hr.org. Wickenburggasse 14/7, 1080 Wien, Fax
+43-1-4088822-50; http://www.ihf-hr.org/

Quelle: SOS Menschenrechte, http://www.sos.at/aktuell.htm

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