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Aussendungszeitpunkt: 9. Januar 2001 - 15:20
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Umwelt/Nation:

> Voelkischer Heimatschutz

Einwaende zu den Protesten gegen das AKW-Temelin

Waehrend in Ober- und Niederoesterreich OekoaktivistInnen, FPOe-
Funktionaere, Gruene, OeVP-Buergermeister und Muehlviertler Bauern
die Grenzen blockieren, kommt kaum wer auf die Idee, die Menschen
hinter der Grenze zu fragen, was sie von Aktionsformen halten, die
erstmals seit der Oeffnung des eisernen Vorhangs 1989 zur
Schlieszung der Grenzen zwischen Oesterreich und Tschechien
fuehrten. Das mediale Sommerloch 2000 wurde von der
oesterreichischen Regierungskoalition aus FPOe und OeVP benutzt,
um auf zwei Ebenen gegen den EU-Beitritt Tschechiens vorzugehen.
Zeitgleich wurden sowohl das Kernkraftwerk Temelin als auch die
Benes-Dekrete als Hindernis fuer einen EU-Beitritt Oesterreichs
noerdlicher Nachbarn thematisiert.

Die FPOe, die sich ganz in der Tradition des Deutschnationalismus,
schon jahrzehntelang den sogenannten "Volksdeutschen" verbunden
sieht, machte seit ihrer Regierungsbeteiligung die Gleichsetzung
der "Heimatvertriebenen", der Sudetendeutschen, mit den Opfern des
Nationalsozialismus zur Chefsache. Die Forderung nach der
Ruecknahme der Benes-Dekrete, einer Sammlung von 143 Verordnungen
im Gesetzesrang, die u.a. die Enteignung und Aussiedlung von
Sudetendeutschen regelten, stellte seit dem Sommer ein Hauptthema
der gesamten Regierung dar. Die FPOe knuepfte die EU-
Osterweiterung dezidiert an die Ruecknahme der tschechischen
Benes-Dekrete und in Sachen Sloweniens der aehnlichlautenden
AVNOJ-Beschluesse des ehemaligen Jugoslawiens.

In diesem medial aufbereiteten antitschechischen Klima begannen
nun die Grenzblockaden der sich zur Oberoesterreichischen
Ueberparteilichen Plattform gegen Atomgefahr zusammengeschlossenen
Buergerinitiativen.

Mit ueberparteilich ist gemeint, dasz diese Plattform sich nicht
unabhaengig von Parteien organisieren will, sondern dasz sie eine
alle Parteien umfaszende - eben ueber den Parteien stehende -
Plattform zu sein beabsichtigt. Das ganze grenznahe Volk sollte
sich eben gemeinsam gegen die atomare Bedrohung von jenseits der
Grenzen wehren. Unterstuetzung aller Art wird deshalb auch von
allen Parteien gerne angeommen - komme sie von den Gruenen, der
OeVP, der SPOe oder eben der FPOe. Da sich seit der
Zwentendorfabstimmung alle politischen Parteien gegen
Atomkraftwerke wenden, ist es beim Thema AKWs kein Problem, eine
Einheitsfront herzustellen, die eben von ganz links bis ganz
rechts reicht.

Auch das hat Tradition. Die erwaehnte Volksabstimmung ueber das
einzige oesterreichische AKW unter der Regierung Kreisky wurde
unter anderen von einer Allianz aus voelkischen
HeimatschuetzerInnen, lebensschuetzerischen KatholikInnen,
TrotzkistInnen, FPOe, OeVP und der extrem rechten "Neuen
Kronenzeitung" gewonnen. Beim zweiten groszen Event der hiesigen
Oekologiebewegung, aus dem schlieszlich auch die Gruenen entstehen
sollten, der erfolgreichen Besetzung der Hainburger Au fiel zwar
die in der Zwischenzeit mit der SPOe koalierende FPOe wieder weg,
mit dabei war diesmal dafuer die Volkstreue Auszerparlamentarische
Opposition Gottfried Kuessels, der spaeter wegen NS-
Wiederbetaetigung auf juristischem Wege fuer einige Jahre aus dem
Verkehr gezogen wurde.

Damit soll nicht gesagt werden, dasz die oesterreichische
Umweltbewegung an sich rechts waere. Beruehrungsaengste mit
rechten HeimatschuetzerInnen kennen aber nur wenige.

Kein Wunder, dasz auch Joerg Haider den Grenzblockaden der lokalen
Temelin-GegnerInnen aus Ober- und Niederoesterreich durch einen
medial begleiteten Besuch der Blockaden seine Solidaritaet
auszudrueckte. Der Freiheitliche Pressedienst jubelte am 10.
Oktober: "Mit vereinten Kraeften und im wahrsten Sinne an der
Front ,Wullowitz' zeigten sich gestern Abend bis in die spaeten
Nachtstunden die Freiheitlichen Oberoesterreichs im Kampf gegen
die fuer Montag geplante Inbetriebnahme des AKW Temelin." Die
dermaszen Beglueckten wehrten sich weder gegen den Besuch Haiders,
noch gegen andere FPOe-Politiker und FPOe-Transparente vor Ort.
Die FPOe ruehmt sich damit, bereits 1997 den EU-Beitritt
Tschechiens von der Inbetriebnahme Temelins abhaengig gemacht zu
haben.

Die Kritik einiger linksradikaler Anti-Atom und Oekogruppen aus
Deutschland und Oesterreich an der Politik der OOe
Ueberparteilichen Plattform richtet sich aber nicht nur gegen den
Besuch Joerg Haiders, sondern auch gegen die Aktionsform der
Grenzblockade selbst, die Politiker wie Joerg Haider geradzu
einlaedt, sich daran zu beiteiligen.

Wenn sich Protest gegen eine Technologie, deren Folgen im
Ernstfall keine Staatsgrenzen kennen, ausgerechnet in der Blockade
nationalstaatlicher Grenzen fuer Menschen, die diese ueberwinden
moechten aeuszert, zeigt dies nicht nur die Stupiditaet dieser Art
von Proteste, sondern insbesondere den positiven Bezug zu einem
auf die Nation und ihre Grenzen fixierten Heimatbegriff, der sich
auch in den  Transparentspruechen zeigt. Immer wieder geht es hier
um den Schutz "unerer Doerfer", "unserer Kinder", "unserer
Heimat",... Anstatt sich gegen eine zerstoererische Technologie an
sich zu wenden, soll so der eigene Heimatboden von einer aus dem
Ausland kommenden Gefahr geschuetzt werden.

Unkritische Unterstuetzung fuer solchen Heimatschutz kommt aber
nicht nur von jenen, die eine solche Politik seit Jahren
betreiben. Auch Oliver Korschil, der Umweltreferent im Gruenen
Parlamentsclub erklaerte sich in einem mail an die Oekologische
Linke Wien mit den Grenzblockaden solidarisch: "Erst durch das
persoenliche Engagement tausender oesterreichischer BuergerInnen,
die in einer Art ,Notwehraktion' wochenlang die Grenzuebergaenge
zu Tschechien blockierten, ist die Bundesregierung praktisch
,fuenf vor zwoelf' aufgewacht." Korschil kritisiert die
Bundesregierung etwa nicht fuer eine nationalistische
Einschuechterungspolitik gegenueber den tschechischen Nachbarn,
sondern dafuer, dasz sie den Trumpf der EU-
Erweiterungsverhandlungen aus der Hand gegeben haetten. Korschil:
"Schuessel hat fuer ein schwaches Verhandlungsergebnis auch einen
guten Verhandlungstrumpf aus der Hand gegeben und die Aufhebung
der Blockade des Energiekapitels in den Erweiterungsverhandlungen
mit Tschechien zugesagt."

Ganz anders hoert sich hier ein offener Brief an, den einige
linksradikale Oekogruppen aus der Ex-DDR (u.a. Ecodefense Dresden)
an die Oberoesterreichische Plattform richteten: "Grenzblockaden",
so die KritikerInnen der Ueberparteilichen Plattform, "sind
Aktionsformen, bei denen mensch Bauchschmerzen haben kann. Im
konkreten Fall muss bewusst sein, dass es sich bei der FPOe um
eine Partei des demokratischen und modernisierten Faschismus
handelt, die fuer massive rassistische Propaganda gegen
MigrantInnen steht und dass Oesterreich eine Vorreiterrolle bei
der Abschottung der "Festung Europa" einnimmt...Eine zentrale
Forderung Anti-Atom-Bewegter ist noch immer die nach der
sofortigen Stillegung aller Atomanlagen weltweit."

Die Antwort auf die Kritik der linksradikalen Oekogruppen kam
direkt von Josef Puehringer, dem Geschaeftsfuehrer der OOe
Ueberparteilichen Plattform gegen Atomgefahr: "Ich weise darauf
hin, dass dieser Artikel eine Luege ist, aus Zeitgruenden mir aber
eine ausfuehrliche und detailierte Distanzierung/Richtigstellung
dazu im Moment nicht moeglich ist. Luegenverbreiter sollten nicht
ueberbewertet werden durch besondere Beachtung... Temelin zu
verhindern ist mir im Moment wichtiger, als auf
Denunziantenartikel wie diesen (aehnliches wird auch in Tschechien
immer wieder verbreitet) - egal aus welchem Eck - einzugehen...
Sollten aber weitere Luegen dieser Art verbreitet werden, erlauben
wir uns, dagegen gerichtlich vorzugehen", so Puehringer.

*Oekologische Linke / dezent bearb.*
 

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