Justiz/Polizei/Schwarz-Weisz:
> Operation Spring: "Helmi" verurteilt -- bedingt
Der im Zuge der Verfahren um die sogenannte Operation Spring vom Mai
1999 als Kronzeuge zu unruehmlicher Bekanntheit gelangte anonymisierte
Zeuge AZ 1 wurde am 30. November 2000 in einer Gerichtsverhandlung
am
Landesgericht Wien zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt. Aufgrund
der Aussagen dieses Zeugen waren im letzten Jahr mehr als hundert
Menschen zu zum Teil sehr hohen Gefaengnisstrafen verurteilt worden,
obwohl gegen diese mit Ausnahme der Zeugenaussage keine Sachbeweise
vorlagen. Das besondere am Verfahren vom 30. November 2000: AZ 1
musste im eigenen Verfahren ohne den bisher obligatorischen Helm
auftreten. Dem entsprechend bemuehten sich Polizei und Gericht, eine
Berichterstattung in Medien zu verhindern.
*"Untergeordnete Beteiligung" und "Beitrag zur Wahrheitsfindung"*
Vor Gericht zeigte sich AZ 1 als "voll gestaendig": Er habe als
Dolmetsch an Gespraechen zwischen Drogenbossen und
WiederverkaeuferInnen teilgenommen. Im Rahmen so genannter
Anbahnungsgespraeche mit Interessenten fuer Kokain und Heroin sei er
regelmaeszig zugezogen worden. Selbst verkauft haette AZ1 nicht. Auf
Grund seiner Dolmetschtaetigkeit habe jedoch nach Aussage des
zustaendigen Staatsanwaltes "Gift im Kilobereich" den Besitzer
gewechselt. Der Mann wurde nach dem Suchtmittelgesetz zu einem Jahr
bedingter Haft verurteilt, wobei seine gestaendige Verantwortung,
seine untergeordnete Beteiligung und natuerlich auch sein Beitrag zur
Wahrheitsfindung mildernd beruecksichtigt wurden. Das Urteil ist
bereits rechtskraeftig.
*Polizei und Gericht behindern Berichterstattung*
Die Bestrebungen, die Verhandlung geheim zu halten, duerften vom
Innenministerium ausgegangen sein. So war am Tag vor dem Prozess ein
Polizist in Zivil im Journalistenzimmer des Landesgerichts erschienen,
legitimierte sich gegenueber anwesenden Pressevertretern mit einem
Ausweis und nahm die Saalzettel fuer den betreffenden Tag an sich,
um
offenbar ein Recherchieren zu erschweren. Dabei hatte der Richter den
Termin sicherheitshalber gar nicht oeffentlich ausgeschrieben.
Friedrich Forsthuber, Pressesprecher des Landesgerichts, ersuchte am
Donnerstag auf Anfrage um eine "sorgsame Berichterstattung" in dieser
Causa. "Das Zeugenschutz-Programm funktioniert nur, wenn sich die
Medien einigermaszen daran halten. In diesem Fall ist kein besonderes
Aufsehen geboten, um nicht auf die Faehrte des Mannes zu locken",
erklaerte Forsthuber.
*Gegen "international agierende kriminelle Organisation" -- oder auch nicht*
Nach Ansicht der Polizei ist das Leben von AZ 1, nachdem er als
Kronzeuge gegen eine angeblich international agierende Drogenbande
in
ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden war. Er verlegte seinen
Wohnsitz ins entfernte Ausland und wird stets zu Verhandlungen
eingeflogen und nach deren Ende wieder zum Flughafen eskortiert.
Tatsache ist jedoch, dass es der Polizei und der Staatsanwaltschaft
bisher nicht gelungen ist, die Existenz einer kriminellen Organisation
nachzuweisen und entsprechende Verurteilungen vor Gericht zu erwirken.
Eine Verurteilung wegen fuehrender Beteiligung an einer kriminellen
Organisation waere jedoch notwendig, um den Einsatz der sogenannten
"neuen Ermittlungsmethoden" (konkret: des groszen Lauschangriffs) zu
rechtfertigen.
*Bedenkliche Auslegung der rechtlichen Bestimmungen*
Neben der Tatsache, dass die Methode des groszen Lauschangriffs in
Zusammenhang mit der Operation Spring vor allem ein groszer
polizeilicher Misserfolg war erscheint auch der Umgang der Gerichte
mit AZ 1 als hoechst bedenklich. Die vollstaendige Vermummung des
Zeugen mittels Vollvisierhelms widerspricht sowohl der Dienstanweisung
des Justizministeriums bezueglich der Anonymisierung von ZeugInnen
als
auch der Judikatur des Europaeischen Gerichtshofs fuer Menschenrechte.
Diese rechtlichen Bestimmungen fordern naemlich eine Form der
Unkenntlichmachung, in der die zur Wuerdigung einer Aussage durch das
Gericht dringend notwendige Erkennbarkeit etwa der Mimik, des
Gesichtsausdrucks oder Aehnliches (Schwitzen, Zittern,...) gegeben
ist. Ein Vollvisierhelm verhindert genau dieses. *www.gruene.at/watch*
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