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Aussendungszeitpunkt: 28. November 2000 - 14:09
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Zuvieldienst:

> Grundrecht mit Hindernissen

Und wieder ein bisserl schlimmer: Die ZD-Novelle 2000

Unter den permanenten Anschlaegen der Regierung auf die soziale
Sicherheit im Land gehen oft einzelne Grausamkeiten unter: Am 22.
November 2000 am spaeteren Abend wurde die
Zivildienstgesetznovelle 2001 von Schwarz-Blau im Parlament
beschlossen (s.a.akin 28/00). Die Regierung setzt ihre
ideologischen Vorstellungen durch - junge Maenner sollen an die
Waffe oder Zwangsdienst ohne wirkliche Entschaedigung leisten.

Die Zivildienstgesetznovelle 2001 dient der Aushoehlung des
Rechtes auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgruenden. Durch
die geringere Entlohnung, die Einschraenkungen beim Aufschub, die
Studiengebuehr und die lange Wartezeit auf die Ableistung - wird
der Zivildienst fuer viele, besonders aermere
Bevoelkerungsschichten, nicht mehr finanzierbar. Da
Gewissensgruende bei der Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen
nicht schichtspezifisch sind, ist die Zivildienstgesetznovelle
eine weitere, deutliche Benachteiligung sozial Schwacher.

Bereits mit der Zivildienstgesetznovelle 1996 wurde das Recht auf
Aufschub aus Gruenden der Berufsausbildung massiv eingeschraenkt;
mit der im Juni 2000 in Kraft getretenen Novelle wurde das Recht
auf Zuweisung binnen Jahresfrist aufgehoben -- was zusammen einen
unzumutbaren Eingriff in die Lebensplanung bedeutet. Der einzelne
Zivildienstpflichtige muss mit einer Wartezeit auf die Ableistung
des Dienstes von bis zu vier Jahren rechnen. In dieser Wartezeit
ist es schwer, eine geregelte Berufstaetigkeit aufzunehmen.

Vom Zivildiener werden besonders sensible persoenliche
Dienstleistungen verlangt. Die Verantwortung fuer die
existenzielle Sicherheit der Verpflichteten wird jedoch verweigert
und auf diese selbst und deren Angehoerige, teilweise auf die
Einrichtungen und die Sozialhilfetraeger (die Laender) abgewaelzt.
Zivildiener muessen den Zwangsdienst leisten, der Staat uebernimmt
aber nicht die Versorgung. Die Zivildiener muessen das Risiko der
Unterversorgung bei Pauschalverguetung, Verpflegung, Bekleidung,
Reinigung und Versicherung tragen, ohne sich einen anderen
"Arbeitgeber" auswaehlen zu koennen.

Neue Dienstleistungsgebiete: Ein Ettikettenschwindel

Die Bereiche Umweltschutz und Jugendarbeit werden als zusaetzliche
Dienstleistungsgebiete angefuehrt. Die Befristung vom 1.1.2001 bis
31.12.2004 und die ausschlieszlichen Zuweisung von Zivildienern
fuer einen Kostenersatz von ATS 3000,- (und Versorgung), bringt
keine zusaetzlichen Zivildienstplaetze aus diesen
Dienstleistungsgebieten.

Der Auslandsdienst nach Par. 12b ZDG soll nicht mehr vom
Innenministerium subventioniert werden, sondern durch einen zu
gruendenden Verein. Dadurch steht weniger Geld je Auslandsdiener
zur Verfuegung. Im Gesetz ist zwar eine Dotierung des Vereines
vorgesehen, diese jedoch nur nach Massgabe des
Bundesfinanzgesetzes. Die Entsendeorganisationen koennen deshalb
nur unter der staendigen Gefahr, wegen fahrlaessiger Krida (also
Schaedigung von Glaeubigern) kriminalisiert zu werden, ihren
Auftrag erfuellen. Die Auslandsdiener muessen befuerchten, die
Kosten des Dienstes selbst zu tragen, wenn der Verein die
Zahlungen einstellt.

Die "Privatisierung" geht voll zu Lasten der Auslandsdiener und
der Traegerorganisationen. Der Minister wird aus seiner
Verantwortung, fuer die Dotierung  vorzusorgen, entlassen. Der
Bundesrat wird an der Kontrolle der Verwaltung gehindert.

Weniger Pauschalverguetung, mehr Risiko

Nachdem die Zivildiener erst im Juni die Halbierung ihrer Bezuege
hinnehmen mussten, wird die Pauschalverguetung neuerlich auf rund
2400,- Schilling herabgesetzt. Ab Jaenner sollen die
"ausreichende" Verpflegung, die Sozialversicherung, die Kleidung
und deren Reinigung diesen Traegerorganisation vorgeschrieben
werden. Was der Zivildiener tatsaechlich erhaelt, bleibt nebulos.

Der Zivildiener ist zu einer  Leistung gegenueber dem Bund in
einem hoheitlichen Verhaeltnis verpflichtet. Er hat aber gegen den
Bund nur Ansprueche auf Familienunterhalt, Wohnkostenbeihilfe und
Fahrtkostenersatz. Alle anderen Leistungen zur Befriedigung des
Lebensunterhaltes sind vom Rechtstraeger der Einrichtung zu
erbringen. Der Zivildiener ist dadurch in seiner Existenz bedroht,
da er das Risiko traegt, wenn die Einrichtung ihre Leistung nicht
erbringt.

Das System der Entschaedigungen zwischen Bund und
Traegerorganisationen wird nach der Novelle vollkommen umgestellt.
Die "Blaulichtorganisationen" erhalten Zuwendungen in der Hoehe
von ATS 6.000,- je Zivildiener und Monat. Einrichtungen der
Sozial- und Behindertenhilfe, Alten- und Krankenbetreuung,
Betreuung von Drogenabhaengigen, Vertriebenen, Asylwerbern und
Fluechtlingen bekommen ATS 3.000,-. Alle anderen Einrichtungen
muessen ATS 3.000,- pro Zivildiener und Monat an das
Innenministerium bezahlen. Warum eine Organisation einen
Zivildiener fuer OeS 3.000,- anfordern soll, ist ueberhaupt
unklar. Mit der Sozialversicherung, der ausreichenden Verpflegung,
der Kleidung, dem Waschen, ist ein Betrag von mehr als 10.000,-
Schilling nicht unrealistisch.

Vertrauensmaenner werden nur noch dann gewaehlt, wenn pro
Einsatzstelle fuenf oder mehr Zivildiener taetig sind. Betroffen
sind mehr als die Haelfte aller Einrichtungen. Die Forderungen der
Zivildienstleistenden nach effizienter, anerkannter Vertretung
wird nicht erfuellt, die Vertretungsmoeglichkeiten werden sogar
eingeschraenkt. Wozu im Innenministerium eine Arbeitsgruppe
eingesetzt wurde, bleibt ein Raetsel. Die Analysen, Erkenntnisse
und Forderungen wurden nicht beruecksichtigt.

Evaluierung?

Das Innenministerium will ueber die Auswirkungen der
Gesetzesaenderungen 2000 keinen Bericht verfassen, also wird die
Vorlage des Zivildienstberichtes von 2001 auf 2002 verschoben. Der
Oeffentlichekit wird somit der Vergleich zwischen Angekuendigung
und erzieltem Effekt durch die Novelle verunmoeglicht. Eine rasche
Berichtslegung diente der Evaluierung der neuerlichen
Gesetzesnovelle, davor schuetzt sich der Minister durch die
generelle Erweiterung des Berichtszeitraumes von zwei auf drei
Jahren.

Statt der versprochenen Verbesserung fuer die grosze Anzahl an
wartenden Zividienstpflichtigen wird sich deren Situation im Jahr
2001 verschlechtern. Es ist jaehrlich mit mehr als 8000 neuen
Zivildienstpflichtigen zu rechnen. In den Jahren 96 bis 98 wurden
zwischen 6.361 und 7.268 Zivildiener jaehrlich eingesetzt. Selbst
in der optimistischen Rechnung des Innenministeriums werden 2001
maximal 7.700 Zivildiener ihren Dienst leisten.

Bei dieser Gesetzeslage kann nach Ansicht der ARGE fuer
Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit das verfassungsmaeszige
Grundrecht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgruenden nicht
verwirklicht werden, wenn die Minimalanforderungen der ARGE
erfuellt werden. *ARGE fuer Wehrdienstverweigerung / bearb.*

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Info und Beratung in allen Fragen der Wehrdienstverweigerung: ARGE
fuer Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit, 1010 Wien,
Schottengasse 3a/1/4/59, Montag, 18.00 Uhr (T: 5359109, m:
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