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Aussendungszeitpunkt: 21. November 2000 - 16:55
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Recht & Ordnung:

> Diese XXX von der XXX, hat der XXX gesagt...

Warum demnaechst schon das Zitieren juristischer
Zeitschriften kriminell sein koennte

Folgender Text erreichte uns von XXX@XXX.at. Warum manche
Textstellen etwas eigenartig aussehen muessen, ist wohl nach
Lektuere dieses Textes nur allzu verstaendlich:

*

"FPOe gewinnt sieben Verfahren gegen die Verlagsgruppe NEWS-GmbH"
jubelte der Freiheitliche Pressedienst (FPD) am 11. Oktober 2000.
Zu erwaehnen vergasz der FPD, dass das Gericht in seinem Urteil
nicht nur von einer "unertraeglichen Einschraenkung der Freiheit
der Meinungsaeuszerung" sprach, sondern auch mit deutlichem
Zynismus die "flaechendeckende" Klagspolitik der Freiheitlichen
kommentierte.

NEWS war unter anderem von FPOe-Klubobmann Westenthaler geklagt
worden, weil es in seiner Ausgabe vom 7. September 2000 ueber das
Verfahren der FPOe-Fuehrungsgruppe gegen Andre Heller berichtet
hatte. In diesem Zusammenhang hatte das Blatt auch jene Passage
eines offenen Briefs Hellers zitiert, die in besagtem Verfahren
die Klagsgrundlage darstellte. Das Verfahren gegen Heller wurde
mit der Rueckziehung der Klage seitens der KlaegerInnen (Haider,
Boehmdorfer, Westenthaler, Riess-Passer) ohne Durchfuehrung einer
Verhandlung beendet. Dies hielt die Nicht-Heller-KlaegerInnen
jedoch nicht davon ab, die Zeitschrift NEWS einzig wegen ihrer
Berichterstattung ueber das Verfahren zu klagen und die Einziehung
der Ausgabe vom 7. September zu verlangen.

Die FPOe-Spitze klagte NEWS und FORMAT nicht etwa deshalb, weil
sie in diesen Zeitschriften beleidigt worden waere (Par. 115 StGB)
bzw. sich diese Zeitungen einer "ueblen Nachrede" (Par. 111 StGB)
schuldig gemacht haetten, sondern alleine deshalb, weil sie ueber
Hellers offenen Brief berichtet und dabei die klagsrelevante
Textpassage angefuehrt hatten. Ziel der Klage war nicht eine
Entschaedigung nach Par. 6 Mediengesetz, sondern ausschlieszlich
die Einziehung der entsprechenden Zeitschriftenausgabe. Die NEWS-
GmbH stand nun vor der wenig erfreulichen Situation, entweder
einen Wahrheitsbeweis fuer Hellers Angriffe gegen die FPOe
erbringen oder aber die Einziehung der Zeitung mit allen Folgen
fuer die zukuenftige Berichterstattung akzeptieren zu muessen.

Kein Nachweis der "XXX" ohne Sachsubstrat moeglich

Die Erbringung eines Wahrheitsbeweises gelang nicht: Das Gericht
stellte fest, dass es sich "im Gegenstaendlichen Fall (...) bei
den Worten `XXX', von denen man nicht die geringste Einsicht in
ihre `XXX' verlangen kann, um den klassischen Fall einer `bloszen
Beschimpfung" handle und NEWS "keinerlei Sachsubstrat dafuer,
warum der Antragsteller XXX und XXX sein soll, geliefert" habe.
Ueble Nachrede und Beleidigung unterscheiden sich strafrechtlich
bezueglich der Nachweisbarkeit: Im Falle einer Beleidigung ist ein
Wahrheitsbeweis nicht moeglich.

Keine "distanzierte Berichterstattung" moeglich

Auch dem Einwand der NEWS-GmbH, dass die blosze Wiedergabe der
Aussagen Hellers nicht den Tatbestand der Beschimpfung erfuellen
koenne, weil diese im Rahmen eines distanzierten Tatsachenberichts
erfolgte, schlosz sich das Gericht nicht an: Die Wiedergabe
allein, und das ergibt sich aus dem Text des Mediengesetzes (Par.
6 Abs. 2), ist tatbestandsmaeszig. Sie kann jedoch aus
verschiedenen Gruenden (oeffentliches Interesse; wenn es sich um
eine wahre Behauptung handelt) straffrei sein und somit den
Anspruch eventueller KlaegerInnen auf eine Entschaedigung
ausschlieszen. Im gegebenen Fall aber wollten die KlaegerInnen gar
keine Entschaedigung, sondern die Einziehung der Zeitschriften-
Ausgabe nach Par. 33 Mediengesetz. Und just dieser Paragraph sieht
fuer die MedieninhaberInnen lediglich die Moeglichkeit des
erbrachten Wahrheitsbeweises vor, um der Einziehung entgehen zu
koennen: "...weshalb die Einziehung in einem solchen Fall
zulaessig ist" (Urteil des Landesgerichts St. Poelten vom 9.
Oktober 2000, 31 E Vr 825/00, Seite 9; im Folgenden: Urteil).
Kurz: Die NEWS-GmbH ging mit ihren Rechtfertigungsversuchen baden,
da ein Rechtfertigungsversuch gar nicht moeglich ist...

Fuer die FPOe ist das Verfahren erster Instanz somit - erfolgreich
- beendet. Nicht jedoch fuer das Gericht, das sich noch acht
weitere Seiten Raum nimmt, um einerseits - insbesondere in
Zusammenhang mit Kritik an der FPOe - hoechst beachtenswerte
Ueberlegungen zur Unterscheidung von nach Art. 10 der
Europaeischen Menschrechtskonvention zulaessiger Kritik und
strafwuerdigem Angriff auf die Ehre eines Menschen anzustellen und
sich andererseits der Frage der Verfassungswidrigkeit jener
Paragraphen zu zuwenden, auf Grund derer es gerade ein Urteil
gefaellt hatte.

Im vorliegenden Fall erscheint Verfassungsmaeszigkeit nicht
gegeben zu sein

Das Gericht kommt zum Schluss, dass der in Par.33 Mediengesetz
fehlende Zitatenschutz "eine Prozessberichterstattung ueber
bestimmte Verfahren geradezu unmoeglich macht (...). Auf Grund der
geltenden Rechtslage haette die Antragsgegnerin (also NEWS; Anm.)
lediglich darueber berichten duerfen, dass Andre Heller vom
Antragssteller (Westenthaler; Anm.) geklagt wurde, weil er diesen
kritisiert oder beschimpft habe. Die konkreten Beschimpfungen
durfte sie nicht berichten. Nun aber ist - nicht erst, aber
insbesondere seit dem Bericht der sogenannten drei `Weisen -
gerade die Thematik, dass von der Partei des Antragstellers des
oefteren (die meisten Medien sprechen in diesem Zusammenhang von
`flaechendeckend) Kritiker bzw. Medien auf Grund diverser
Aeuszerungen geklagt werden, einer der zentralen Punkte in der
politischen Diskussion zumindest des letzten halben Jahres. Als
einer der medienwirksamsten Faelle ist in diesem Zusammenhang der
Andre Hellers zu bezeichnen (...) der von vielen Medien zum Anlass
genommen wurde, die `Klagspolitik der FPOe - ob zu Recht oder zu
Unrecht sei dahingestellt - zu kritisieren. Um aber eine derartige
Kritik - die in einer Demokratie moeglich sein muss - sinnvoll
darzustellen, ist es fuer ein Medium geradezu unumgaenglich, auch
zu berichten, wegen welcher konkreten Aeuszerungen Heller geklagt
wurde, weil andernfalls fuer den Leser keine sinnvolle Information
uebrig bleibt" (Urteil, Seite 13).

"in Zukunft sogar juristische Fachzeitschriften in
Einziehungsgefahr"

"Mag es daher fuer die Regelung, dass auch die Weiterverbreitung
von Beschimpfungen strafbar ist (...) gute Gruende geben (...) so
zeigt sich doch auf Grund des gegenstaendlichen Falles, dass sie
hier zu einer aus Sicht des Gerichts unertraeglichen
Einschraenkung der Freiheit der Meinungsaeuszerung fuehrt"
(Urteil, Seite 14). Diesem Denkansatz koenne, meint das Gericht,
auch nicht vorgehalten werden, dass es NEWS freigestanden waere,
auch ueber das Sachsubstrat der Angriffe Hellers zu berichten und
es auf diese Weise die Tatbestandsmaeszigkeit des Par. 115 StGB
haette vermeiden koennen. Denn es muesse auch fuer den Fall, dass
Heller Aussagen an sich bereits den Straftatbestand der
Beschimpfung erfuellten, "in einer demokratischen Gesellschaft
moeglich sein, ueber das Verfahren zu berichten und seine Meinung
darueber, ob die Aeuszerungen Hellers im Hinblick auf Art. 10 EMRK
tatbestandsmaeszig sind oder nicht, kundzutun. Andernfalls
koennten in Zukunft ja sogar juristische Fachzeitschriften in
Einziehungsgefahr geraten, wenn sie zB ueber den gegenstaendlichen
Fall berichten und duerften nicht einmal ein im gegenstaendlichen
Verfahren ergehendes Urteil abdrucken" (Urteil, Seite 14).

Keine Ueberpruefung der Verfassungsmaeszigkeit durch erste Instanz
moeglich

"(...) Auf Grund des Wortlauts der Paragraphen 6 und 33 MedienG
ist auch eine verfassungskonforme Interpretation dieser
Bestimmungen im Sinn einer Zulaessigkeit der inkriminierten
Berichterstattung nicht moeglich, weil sich eine solche eben nicht
ueber den klaren Wortlaut gesetzlicher Bestimmungen hinwegsetzen
kann. Ein Antrag auf Ueberpruefung der genannten Bestimmungen
gemaesz Art 140 B-VG ist nur Gerichten zweiter Instanz moeglich"
(Urteil, Seite 15)

Das im Urteil genannte Gericht zweiter Instanz ist in diesem Fall
das Oberlandesgericht Wien. Zustaendig fuer Mediensachen ist dort
unter anderem Mag. Ernest Maurer. Sowohl dessen Senat als auch der
zweite mit Mediensachen betraute Senat am Oberlandesgericht Wien
mussten sich in den letzten Monaten mehrfach den Vorwurf gefallen
lassen, in Medienstrafsachen die Judikatur des Europaeischen
Gerichtshofs fuer Menschenrechte zum Vorteil von FPOe-
PolitikerInnen zu missachten. Mag. Maurer sitzt auf Vorschlag des
jetzigen Justizministers Boehmdorfer als Regierungsvertreter im
ORF-Kuratorium. Die klagenden FPOe-PolitikerInnen werden von der
Kanzlei Boehmdorfer-Ghenneff - also jener Kanzlei, der
Justizminister Boehmdorfer bis zu seinem Regierungsantritt
angehoerte - vor Gericht vertreten. Das Briefpapier dieser Kanzlei
zieren die Worte: "Dr. Dieter Boehmdorfer, Bundesminister fuer
Justiz, fuer die Dauer der Amtstaetigkeit ruht die
Rechtsanwaltsbefugnis".

Es erscheint irgendwie als unwahrscheinlich, dass die zweite
Instanz einer Pruefung durch den Verfassungsgerichtshof
naehertreten wird. Die NEWS-GmbH hat berufen... und bereitet sich
auf ein sehr langes Verfahren bis hin zum Europaeischen
Gerichtshof fuer Menschenrechte vor. ###
 

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