> Strafe ohne Verbrechen
SIE: Oesterreicherin, ER: Peruaner, mit abgelaufener
Aufenthaltsberechtigung, beide leben in Wien zusammen. Im heurigen
Fruehjahr gab es zwischen beiden Personen und einem
Wohnungsnachbarn eine verbale Kontroverse. Daraufhin zeigte dieser
nette Wohnungsnachbar den Peruaner bei der Fremdenpolizei an.
Erfahrungen eines Schubhaeftlings.
Es war an einem Sonntag Vormittag. Ich war gerade bei meiner
Freundin, als zwei Polizisten in Zivil vor der Wohnung standen.
Als sie mich sahen, wollten sie mich gleich mitnehmen. Sie hatten
sich vorher nicht einmal als Polizisten ausgewiesen. Einer von
ihnen drang sogar in die Wohnung ein. Sie waren nicht zufaellig
hierher gekommen, es hat mich jemand bei der Fremdenpolizei
angezeigt.
Meine Freundin und ich wuszten, dasz fast jeder, der in Schubhaft
kommt, auch abgeschoben wird. Wir wollten aber zusammenbleiben und
sagten den Polizisten, dasz wir verlobt sind. Das war ihnen aber
egal und sie nahmen mich mit.
Sie brachten mich in die Zentrale der Fremdenpolizei in der
Wasagasse, wo meine Daten aufgenommen wurden. Ich durfte auch
meine Cousine anrufen, die bestaetigte, dasz sie mich eingeladen
hatte und ich mit einem Visum legal eingereist war. Die Polizisten
fanden meine Daten aber nicht in ihrem Computer. Es kam dann eine
Polizeijuristin, die meinte, "es wuerde sich schon eine Loesung
finden". Sie sagten auch, dasz in meinem Fall vielleicht sogar
"gelinderte Mittel" angewendet werden wuerden, das heiszt, dasz
ich zu Hause auf eine Entscheidung warten koennte. In der Praxis
wird dieses Mittel ausschlieszlich bei Minderjaehrigen angewandt
und ich konnte mir wohl keine Hoffnung darauf machen. Das musz die
Juristin auch gewuszt haben.
Meine Taschen wurden durchsucht und alle meine persoenlichen
Gegenstaende (Dokumente, Adressbuch, Uhr etc.) wurden mir
abgenommen. Ich muszte meine Schuhe ausziehen und wurde in das
Polizeigefangenenhaus Rossauerlaende gebracht.
Man fuehrte mich in den 2. Stock. Ich bekam zwei Leintuecher, eine
duenne Decke und einen Papierbecher. Die Leintuecher wurden jeden
Dienstag gewechselt, die Decken und die Trink-Papierbecher blieben
dieselben. Nach zwei Tagen bekam ich meine persoenlichen Sachen
wieder.
Meine Zelle, die ich mit einem Rumaenen und einem Tuerken teilte,
war ca. 25m2 grosz und hatte drei Stockbetten fuer je zwei
Personen. Drinnen waren ein Waschbecken, Metallkaesten und ein
kleiner WC-Raum. In jedem Kasten war ein alter Plastikteller und
eine Gabel. Es gab noch einen kleinen Tisch und ganz oben an der
Decke zwei Fenster.
Am Morgen um 6 Uhr wurde kontrolliert und die Gefangenen gezaehlt.
Um 7 Uhr kam der Arzt und sah nach, ob jemand krank war. Um 8 Uhr
bekamen wir Fruehstueck: Warmes Wasser mit Kakaopulver und ein
Kilo hartes normales Brot, das fuer alle reichen muszte, egal, ob
in einer Zelle drei oder sechs Personen waren. Das Mittagessen
bestand aus einer widerlichen Packerlsuppe. Manchesmal gab es
Nudeln mit Tomatensauce. Abends gabs entweder Leberknoedelsuppe
oder eine Semmel mit Aufstrich. Die Essensausgabe wird von
Haeftlinge durchgefuehrt.
Montag, Mittwoch und Freitag kam ein Mann, der Lebensmittel zu
wahren Wucherpreisen verkaufte. Wir nannten das untereinander
Kantine. Obwohl alles so teuer und schlecht war, muszten wir etwas
kauffen, um wenigstens ein biszchen satt zu werden. Lebensmittel
und Medikamente unserer Verwandten liesz man ja nicht durch.
Einmal taeglich war 20 bis 25 Minuten Hofgang in einem kleinen Hof
mit wenig Gras. Die zu schwach zum Gehen sind, muessen in den
Betten bleiben.
Es war im Sommer sehr heisz, besonders in diesem Gefaengnis. Man
liesz uns aber nur zweimal in der Woche fuenf Minuten duschen.
Einmal in der Woche war eine halbe Stunde Besuchszeit. Man ist
aber durch Plastikfenster voneinander getrennt und musz ueber
Telefone miteinander sprechen. Drei Mal in der Woche durften
wir
fuenf Minuten telefonieren. Manche hatten niemanden, den sie
anrufen konnten und die schenkten mir ihre Zeit.
Zweimal wurde ich zum Verhoer gebracht. Ich sollte zwei Dokumente
unterschreiben. Die Beamtin ratschte ihren Text so herunter, dasz
der Uebersetzer gar nicht dazukam, alles zu ueberetzen. Sie wollte
nur schnell mit mir fertig werden. In den Dokumenten stand, dasz
sich die Unterschreiber verpflichten, zwoelf oder mehr Jahre nicht
mehr nach Oesterreich einzureisen.
Nach einer Woche wurde ich dann in das zweite Schubhaftgefaengnis
am Hernalser Guertel verlegt. Dieses Gefaengnis war viel schlimmer
als das erste. Es war trostlos wie ein Friedhof. Die Fenster
hatten keine Scheiben, nur Gitterstaebe. Die Betten haben einen
Rost aus zwei harten Metallstaeben, die man so stark durch die
Matratze durchspuert, dasz man nicht schlafen kann.
Waehrend meiner Haft hatte meine Freundin alles fuer meine
Freilassung versucht. Aber selbst, als wir der Polizei alle
Dokumente fuer die Heirat vorlegten, verweigerten sie meine
Freilassung und wollten mich so schnell als moeglich abschieben.
Erst mit einem Anwalt konnten wir erreichen, dasz ich freigelassen
wurde und wir heiraten konnten.
Ich war 15 Tage im Gefaengnis. Im normalen Leben sind zwei Wochen
kurz, aber fuer mich war das ein Lebensabschnitt. Ich muszte
auszerdem noch das Uebersetzungshonorar von 1.200.-- und die
Verwaltungsstrafe von 1.040.-- (die war dafuer, dasz ich nicht
ausgereist war) auch vom Schubhaeftling bezahlt werden, in
meinem Fall S 8.000.--. Da ich mich aber im Gefaengnis bereit
erklaert habe, Hilfsarbeiten zu verrichten, wurden sie mir erlassen.
Ich kam schlieszlich frei -- aber fuer welches Verbrechen hat man
mich eigentlich bestraft?
(Autor des Berichts der Redaktion bekannt, Beitrag gekuerzt)
************************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1010 wien, wipplingerstrasze 23/20
kontakt: bernhard redl
vox: ++43 (0222) 535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
fax: ++43 (0222) 535-38-56
http://akin.mediaweb.at
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin