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Aussendungszeitpunkt: 7.11.2000; 19:00
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Kommentar der Anderen:

> Baeume im Hurrikan

Die israelische Linke im Haertetest

Wenn ein Hurrikan einen Wald erfaszt, wird jeder Baum getestet.
Die duerren werden entwurzelt und vom Wind davongeweht, manchmal
weit weg. Die starken, tief in der Erde verwurzelten, halten
stand. Die israelischen Friedenskraefte werden jetzt getestet, Die
Stuerme des Krieges blasen. Einige Beruehmtheiten des
Friedenscamps (sogenannte Linke) wurden entwurzelt und zur Rechten
hingeweht. Andere kruemmten oder bogen sich, andere stotterten
oder verstummten. Aber eine beeindruckende Zahl stand aufrecht und
wurden wahrgenommen.

Die israelischen Medien, alle in Mobilisierung fuer die
Kriegspropaganda begriffen, haben ein Spiel: Es ist jetzt modern
geworden, von der "Desintegration der Linken" zu sprechen. Im
Licht der Oeffentlichkeit gefallen sich die armen Kerle, die an
ihre Brust schlagen und in der Art der bolschewistischen
Selbskritik bemitleidenswert jammern: "Die Linke hatte unrecht; es
gibt keinen Partner im Friedensprozesz mehr; Arafat ist ein
Schurke; wir muessen alles von Anfang an neu ueberdenken."

Warum, um Gottes willen? Wir haben immer gesagt, dasz es keinen
Frieden geben wird, solange die Palaestinenser ihre gerechten
Forderungen nicht erfuellt bekommen; einen eigenen Staat zu
gruenden mit Jerusalem als Hauptstadt und dem Abzug der Siedler
aus den besetzten Gebieten. Wir haben gesagt, dasz der Bau und die
Vergroeszerung der Siedlungen, die Inbesitznahme von Land und die
Zerstoerung von Haeusern ueberall auf der West Bank furchtbaren
Zorn hervorruft. Wir haben gesagt, wenn die Palaestinenser am
Friedensprozesz verzweifeln, wird es eine Explosion geben. Jeder,
der sich die Muehe machte, in den letzten zwei Monaten meine
Artikel in diesen Seiten zu lesen, weisz, dasz ich immer und immer
wieder gewarnt habe, dasz eine neue - und diesmal bewaffnete -
Intifada vor dem Ausbruch stehe.

All das spielt sich jetzt vor unseren Augen ab. Aber sie sagen,
dasz dies zeige, dasz die Rechte (the right wing - wovon?) die
Dinge richtig beurteilt habe. Wie geht das zu? Ja, wenn die
Gewehre feuern, ist die Logik das erste Opfer. Auch bei manchen
der "Linken".

Tatsaechlich hat es nie ein einheitliches Friedenslager in Israel
gegeben. Viele Gruppen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund sind
in diesem Feld aktiv.

Eine Unterscheidung ist zu treffen zwischen dem
gefuehlsorientierten und dem politischen Fluegel. Zum Ersteren
gehoeren Leute, die vor allem in sich hineinschauen. Was ihnen
wirklich wichtig ist, ist ihre moralische Haltung. Manche nennen
sie "Yeffei Nefesh"("Leute, die eine schoene Seele haben"), und
praegten auf sie die Worte: "Sie schieszen und weinen". Fuer diese
Leute sind die Palaestinenser eher ein Objekt ihres Dienstes an
der Moral als ein gleichberechtigter Partner mit eigener
Persoenlichkeit. Deshalb brauchten sie so lange, um die PLO
anzuerkennen und die Idee eines palaestinensischen Staates zu
akzeptieren und zuzustimmen, dasz Ost-Jerusalem die Hauptstadt
Palaestinas wird. Solche Leute neigen dazu, in jeder ernsthaften
Krise umzufallen - wie im Libanon-Krieg, im Golfkrieg und im
gegenwaertigen palaestinensischen Befreiungskrieg.

Der andere Fluegel des Friedenslagers, der politische, zu dem ich
gehoere, versteht, dasz wer Frieden mit der palaestinensischen
Nation machen will, die Wuensche, Gefuehle, Aengste und Hoffnungen
des anderen verstehen musz (so wie sie die unseren verstehen
muessen). Nur solches gegenseitiges Verstehen kann die Basis fuer
Koexistenz in diesem Land und dieser Region schaffen. Das ist der
Grund, weshalb wir 1974 mit unseren Kontakte zur
palaestinensischen Fuehrung begannen, darum haben einige von uns
ungezaehlte Stunden in Gespraechen mit Palaestinensern aus den
unterschiedlichsten Lebensbereichen verbracht. Deshalb waren wir
in der Lage, zehn bis zwanzig Jahre vor all den anderen das
palaestinensische Volk, die PLO, den palaestinensischen Staat und
seine Souveraenitaet ueber Ost-Jerusalem und Haram-ash-Sharif
anzuerkennen. Es ist keine Sache der Gefuehle, sondern einer
historischen Versoehnung, ohne die der Frieden nicht zustande
kommen kann.

Eine weitere Unterscheidung zwischen den Friedenskraeften betrifft
ihre angestammte politische Orientierung. Die Angehoerigen des
ersten Friedenscamps haben eine tiefe, quasi ererbte
Anhaenglichkeit an die Labour Partei. Gegen Sharon und Netanyahu
koennen sie auf die Barrikaden gehen, aber es faellt ihnen sehr
schwer, ihre Stimme zu erheben, wenn Labour an der Macht ist.
Labour ist immerhin "das kleinere Uebel". "Wir haben keine andere
Wahl". Darum brechen sie zusammen, wenn ein Fuehrer der Labour-
Partei gegen das palaestinensische Volk Krieg fuehrt.

Das andere Lager hat dieses Problem nicht. Wir protestierten, als
Rabin (und sein Stabschef Ehud Barak) 1992 die islamischen
Aktivisten deportieren liesz, und wir unterstuetzten Rabin, als er
das Osloer Abkommen ein Jahr spaeter unterzeichnete. Wir stimmten
fuer Barak, aber wir kaempfen gegen ihn, wenn er zum Totengraeber
des Friedensprozesses wird. Das Friedenslager wird aus der
gegenwaertigen Krise gestaerkt hervorgehen. Die Starken werden
stark bleiben, die Gebeugten werden sich wieder aufrichten. Denen,
die entwurzelt wurden, werden wir keine Traene nachweinen.

*Uri Avnery*
(Ue.a.d.Englischen: akin / gek. / Quelle leider nicht bekannt)
 
 

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