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Aussendungszeitpunkt: 7.11.2000; 19:00
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Kommentar

> Brauch ma des?

Alle Jahre wieder. Da gibts nicht nur das Christkindl und den
Opernball, den 1.Mai und den 1.April, sondern eben auch den
1.November, Allerheiligen. Ein Volksbrauch will es, dasz man der
Toten gedenkt. Allerdings nur ganz bestimmter Toter. Denen der
eigenen Familie zum Beispiel. Oder denen der Feuerwehr. Oder eben
denen der Waffen-SS. Deren "Kameradschaft IV" hat es jetzt sogar
schriftlich, dasz ihr Totengedenken "volksgebraeuchlich" sei. Ist
auch kein Wunder: Jahrzehntelang hat keiner was daran auszusetzen
gehabt und jetzt ist es halt ein Volksbrauch.

Es gibt auch andere Tote. Die, die desertiert sind und erwischt
wurden. Die, die nicht "arisch" waren. Die, die Widerstand
leisteten. Die, die Opfer der SS wurden. Fuer die hat man noch
nicht so lange Verstaendnis in diesem Land. Daher ist es auch
nicht "volksgebraeuchlich", derer zu gedenken. Folglich untersagte
die Salzburger Polizei heuer auch eine dortige Kundgebung fuer die
Opfer. Weil: Das ist kein "volksgebraeuchlicher Aufzug", keine
Trauerkundgebung, sondern eine "politische Manifestation, die sich
gegen das Auftreten ehemaliger Angehoeriger der Waffen-SS auf dem
Kommunalfriedhof richtet". Und dieses Auftreten ist eben wohl ein
alter Volksbrauch, den man nicht stoeren darf. Das sind naemlich
die, bei denen gilt: "Des hamma immer schon so gmacht!" Waehrend
die anderen, die Stoerer des nationalen Totengedenkens, sich
erklaeren lassen muessen: "Da koennt jo a jeder kumman!" Weil: Das
braucht das Volk nicht.

Aber ist das nicht das eigentlich Problem in diesem Land?
Althergebrachtes ist prinzipiell in Ordnung, Neues hingegen erst
einmal verdaechtig. Und wenn schon Neues, dann musz es dem Alten
doch zum Verwechseln aehnlich sein: "Wie die Alten sungen, so
zwitscherns auch die Jungen." Aeuszerlich rabiat-jovenalistisch,
aber innerlich der alte Mief. Davon lebt ja schlieszlich nicht nur
jene Partei, deren Ehre immer noch ihre Treue ist.

Und daher ist es fast ein Wunder, dasz Demonstrationen in diesem
Land ueberhaupt erlaubt werden. Denn Buckeln ist bekanntlich ein
Volksbrauch in diesem Land und gegen den richtet sich ja fast jede
politische Kundgebung. Schlieszlich braucht das Volk jemanden, dem
es gehorchen kann. Spinnerte Weltverbesserer braucht es weniger.

Vielleicht aber wird es irgendwann einmal ein Volksbrauch, sich
nicht alles gefallen zu lassen und beispielsweise derlei tumbe
Untersagungsbescheide zu ignorieren. Heuer zu Allerheiligen hat
man zumindest versucht, einen solchen Brauch zu etablieren und die
Kundgebung fuer die Opfer fand trotz Untersagung um 10 Uhr auf dem
Friedhof statt. Die Kameradschaft IV verschob hingegen, um
Auseinandersetzungen zu entgehen, ihre Kundgebung um 2 Stunden
vor. Ganz entgegen dem Brauch. Ein guter Anfang. *Bernhard Redl*
 
 
 
 

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