Vom anderen Ende der Welt:
> Die Angst der Elefanten
Bougainvillier klagen Rio Tinto* an
Am 6.September 2000 wurde eine etwas aussergewoehnliche Anklage in
einem US-Bundesgericht eingereicht. Im United States District
Court for the Northern District of California klagten etwa zwanzig
Bougainvillische Einheimische im eigenen Namen, aber auch fuer
"andere in der gleichen Lage" den weltgroessten Gruben-Multi
Rio
Tinto an.
Die Bougainvillier fordern, dass ein amerikanisches Gericht den
Grubenmulti fuer 13 Verbrechen verurteilt, u.a. wegen:
* Verbrechen gegen Menschenrechte
* Kriegsverbrechen und Mord
* Rassistische Diskriminierung
* Missachtung Internationaler Umweltrechte
* Stoerung der oeffentlichen und
* der Privaten Sicherheit.
Der Anklage nach sollte ein Gericht den Geschaedigten, d.h. fast
allen der ca. 170.000 Einwohner Bougainvilles, Schadenersatz zusprechen.
Jetzt bestreitet kaum jemand, dass den Einwohnern Bougainville in
den letzten vierzig Jahren, und besonders seit 1988, riesiger
Schaden zugefuegt wurde. Haetten Rio Tinto's Geologen nicht
damals, in den sechziger Jahren, im Zentrum der Insel ein grosses
Kupfer-Gold-Erz-Lager entdeckt, und ab 1969 dort, in Panguna,
einen grossen Tagbau eroeffnet, der dann, zwischen 1972 und 1989,
sehr grosse Profite "abwarf" - ja, waere dies alles nicht
passiert, dann haette es auch von 1988 bis 1998 keinen
Bougainville-Krieg, keine zehn Jahre lang andauernde Blockade
gegeben. Dieser Krieg und diese Blockade verwuesteten die Insel
und kosteten ca. 15.000 Bougainvilliern, 10% der Bevoelkerung, ihr
Leben.
Ob aber Rio Tinto fuer die Umweltschaeden, die durch Bau und
Betrieb der Grube zwischen 1969 und 1989 und besonders fuer den
Krieg, der darauf folgte, verantwortlich sei, das soll jetzt ein
Amerikanisches Gericht bestimmen.
Ich fragte die amerikanischen Rechtsanwaelte, warum die Anklage in
den USA erhoben wird.
"Na, in Bougainville gibt es bis jetzt kaum Gerichte, obwohl die
Bougainvillier den Krieg gewonnen haben, Panguna geschlossen
bleibt und Rio Tinto verjagt ist. In Papua Neuguinea, dem - der
PNG-Regierung nach - Bougainville noch "gehoert", waere so eine
Anklage hoffnungslos: diese Regierung ist auch Teilbesitzer der
Panguna-Grube und hat - wir wollen es beweisen - den Krieg im
Auftrag Rio Tinto's gefuehrt."
Australiens Regierung hat den Krieg, auch die Blockade, gegen
Bougainville voll unterstuetzt. Ohne australische Piloten,
Hubschrauber, Boote, Waffen, Geld, haette der Krieg nicht lange
gedauert.
Bis jetzt hat Rio Tinto auf diese Anklage gelassen reagiert. Die
Gesellschaft hat um eine 3-monatige Antwortsfrist - bis 6.Dezember
2000 - gebeten; diese wurde auch, wie ueblich, akzeptiert.
Auch ich fand, besonders anfangs, die Sache quixotisch, fast
hoffnungslos. Bougainville im Gericht gegen Rio Tinto? Eine Maus,
die einen Elefanten angreift? Mit der Zeit lernte ich: Elefanten,
die haben Angst vor Maeusen. Denn vor kurzem hoerte ich etwas
ueber zwei andere, aehnliche Prozesse: In Nord-Ost-England, im
Capper Pass am Humber bei Hull, betrieb Rio Tinto jahrzehntelang
eine riesige Zinkhuette und vergiftete jahrein, jahraus den
Humber Fluss, die Luft und den Boden. Brachte Leute um Gesundheit
und Leben. Die Einwohner, die Arbeiter, ihre Gewerkschaft, klagten
und klagten jahrelang. Rio blockte alles ab. Und dann, ploetzlich,
als der Gewerkschafts-Rechtsanwalt David Russell gerade 400 Akten
veroeffentlichen wollte, am 1.Juni 2000, kam ein Brief von Rio
Tinto: "Wir geben zu, wir sind verantwortlich, wir sind bereit,
etwas zu zahlen. Nur, bitte, keine 'unververantwortbare'
Publicity."
*Max Watts, Sydney*
* Anmerkung der Redaktion: Die geneigten LeserInnen werden sich
erinnern, dasz auch Lassing auf das Konto einer Rio Tinto-Tochter
geht. Bougainville gehört zu den Salomon-Inseln und ist Teil von
Papua-Neuguinea.
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