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Aussendungszeitpunkt: 30.10.2000; 16:30
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FPOeVP:

> Die Rettung des trojanischen Esels

und andere Einlagen zwischen Militaer und Gegenschwarzblau am
26.Oktober. Bericht von der Botschaft Besorgter BuergerInnen

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"Militaer und Polizei fuehlten sich dennoch bemuessigt, bis 18.00
Uhr mehrmals das Entfernen mitgebrachter Transparente zu
verlangen. Dem wurde auch unverzueglich Folge geleistet - jedes
Mal." Dieses Zitat aus dem Tatblatt-Bericht ist bezeichnend fuer
die eintaegige Koexistenz von Bundesheer-Show und
Gegenschwarzblauer Bewegung am Ballhausplatz.

Diese sorgte naemlich fuer jede Menge skuriller Vorfaelle, von
denen einige fast kabarettistischen Wert hatten. Unter anderem
wurde der trojanische Esel von der Wachmannschaft des Bundesheers
(!) "gerettet". Dasz sich das Bundesheer bei seiner diesjaehrigen
Nationalfeiertags-Show den (intern bereits umbenannten)
Heldinnenplatz mit der im Container residierenden BBB (Botschaft
der Besorgten BuergerInnen und Buerger) teilen muszte, war nicht
als einziges ungewoehnlich. Denn wie der Zufall es will, ist Edwin
Kernbauer, engagierter Aktivist der BBB zugleich Hauptmann der
Reserve. Ihm gegenueber stand in den Verhandlungen der
Pressesprecher des Wiener Militaerkommandos, ein Zivilist...

Die Burghauptmannschaft als Herr des von der BBB besetzten
Rasenstuecks war sozusagen dritter Mitspieler im Vorfeld. Sie
hatte die Gespraeche mit den BBB-Aktivisten Ende September
abgebrochen und eine Raeumung der Botschaft angedroht. Ein
Zusammenhang mit den geplanten Aktivitaeten des Militaers am
Heldenplatz wurde vermutet. "Das Militaer waere solcherart in
einen politischen Konflikt hineingezogen worden", meinte Kernbauer
"da dies ihren eigenen Interessen zuwidergelaufen waere, haben wir
sie fruehzeitig gewarnt. Vermutlich haben unsere Warnungen auch
dazu beigetragen, dasz die geplante Parade doch nicht abgehalten
wurde." Eine solche Parade, die immerhin 10 Millionen Schilling
koste, haette wegen der engen Budgetlage sicher zusaetzlich
Proteste hervorgerufen. Er habe daher - obwohl Verteter der BBB -,
auch ganz im Sinne des Bundesheers gehandelt.

Im ersten Streich wurde - wie berichtet - ein "Waffenstillstand"
zwischen Burghauptmannschaft und BBB ausgehandelt. Wobei das
Militaerkommando Wien bei der Burghauptmannschaft fuer die BBB
intervenierte (eine Tatsache, die in Journalistenkreisen z.T.
immer noch auf unglaeubiges Schmunzeln - oder Kopfschuetteln -
stoeszt). Der Zeitpunkt der Landung der Hubschrauber wurde den
AktivistInnen der BBB bekanntgegeben, die vereinbarungsgemaesz das
weisze Partyzelt und andere leicht bewegliche Gegenstaende
beiseite schafften, sodasz sie von dem Rotoren der Hubschrauber
nicht weggeblasen werden konnten.

Da die gegenschwarzblaue Bewegung nicht nur aus BBB-Aktivisten
besteht, ist immer mit dem Unerwarteten zu rechnen. Diesmal war es
eine Pressekonferenz, die von Kurt Wendt, einem Aktivisten des
Aktionskomitees, ausgerechnet eine halbe Stunde vor dem
Landungzeitraum der Hubschrauber angesetzt worden war.
Zur Verteidigung: Der Widerstand hat kein Buero und keine
Zentrale, zudem arbeiten alle freiwillig - daher kann nicht immer
jeder ueber alle anderen informiert sein. Da der Aufruf zur
Pressekonferenz ueber einen der ueblichen Mailinglisten auch die
BBB erreichte, konnte die Pressekonferenz gerade noch in den
freundlicherweise zur Verfuegung gestellten Gruenen Parlamentsclub
ausgewichen werden.

Friede, Freude, Eierkuchen also auf allen Linien? Nicht ohne
Zutun, angesichts einiger Ignoranz auf beiden Seiten: Die
Hubschrauber sind also im Anflug, die Panzer im Anrollen, kurzum
die Show laeuft, wenn auch vom Heldenplatz aus noch nicht
sichtbar. Dennoch meint eine am Heldenplatz stehende Politikerin,
dasz es am einfachsten waere, die Heeres-Veranstaltung einfach
abzusagen. Demgegenueber kurz darauf die Aussage eines
(fairerweise ebenfalls nicht namentlich genannten)
Polizeivertretes bei der Diskussion ueber einen moeglichst
reibungsfreien Ablauf der Donnerstagsdemo: "Koennts nicht den
Donnstag nicht demonstrieren - ihr demonstriert doch eh sonst
immer".

Abgesehen von einer Gruppe rechtsgerichteter Studenten, die die
BBB-Aktivisten des nachts bedrohten, bleiben befuerchtete
Zusammenstoesze zwischen radikalen Regierungs- und
Militaerbefuerwortern und Antimilitaristen aus. Dennoch richteten
die "Diensthabenden" in der BBB bald nach Ausstellungseroeffnung
einen dringender Aufruf an ihre MitaktivistInnen, die Besetzung zu
verstaerken, weil die Botschaftsbetreuung zu zweit angesichts
einiger unangenehmer Zeitgenossen unter den Ausstellungsbesuchern
psychisch sehr anstrengend zu werden drohte. Am Nationalfeiertag
war die Anzahl der BotschaftsaktivistInnen dann ausreichend
zahlreich.

Protestaktionen fanden zwar statt (nicht in ausreichender Staerke,
kommentierte das TATblatt), durften aber gemaesz eines
Plenumsbeschlusses der BBB nicht direkt von der Botschaft
ausgehen. Die Wiederbelebung der Diaprojektionen auf das
Bundeskanzleramt ("Zapferlstreich", "Nazi anal feiertag", "Blut
und Hoden", "Lebenslang fuer Waffendealer", "Infantilerie",
"Kabastrophe", "Kholera" etc.) endete mit dem Einzug der
Stromkabel durch die Polizei wegen "Unfugs". Ein Transparent
"Fluechtlingsjagd verweigern", waehrend des Angelobungsrituals von
Aktivisten gezeigt, wurde diesen von zivilen Beamten unbekannter
Herkunft entrissen. Schlieszlich noch die eingangs erwaehnt Szene
mit bei den Widerstandslesungen - "jedes Mal" wurde das
Transparent eingezogen. wenn man also mit einkalkuliert, dasz alle
Verantwortlichen wegen moeglicher Eskalationen und - im Fall der
Polizei - auch wegen Drucks von oben - nervoes waren, kann man
trotz dieser Behinderung von Protestaktionen nicht von "Aktion
scharf" sprechen. Der friedliche Ablauf hat beiden Seiten
genuetzt. Ein durchaus positiver APA-Bericht, viele Gespraeche -
auch mit Andersdenkenden (was ja u.a. Zweck der Uebung ist) - fuer
die BBB und Gelegenheit zur positiven Selbstdarstellung fuer das
Militaer - durch Aussagen wie "Wir haben das Gespraech mit den
Aktivisten gesucht". Damit sind sicher Punkte bei allen zu machen,
die das Heer nicht bedingungslos ablehnen, aber auch nicht zu den
radikalen Regierungsbefuerwortern gehoeren.

Denn dasz die BBB-Aktivisten zusammen mit Behoerden oder Militaer
erfolgreich konfliktvermeidende Aktionen setzen koennen, haette
sich, so Kernbauer, am Beispiel Nationalfeiertag erwiesen. "Da die
Gespraechsbereitschaft des Militaers wesentlich ausgepraegter war
als unittelbar nach dem Regierungswechsel, konnten wir von der BBB
auch nuetzliche Hinweise geben, damit es zu keinen Zwischenfaellen
zwischen Aktivisten und Militaer kommt."

Dies sei auch im Sinne der Botschaft, die sich nicht nur als
Informationsknotenpunkt fuer AktivistInnen und BuergerInnen sieht,
sondern auch als Deeskalationsstelle. Als naechstes, so Kernbauer
weiter, wolle man mit der Polizei Kontakt aufnehmen. Die BBB wolle
sich als Mediator anbieten, um Konflikte rund um die vielen
Demonstrationen im Vorfeld zu vermeiden bzw. auch bei den wenigen
auftretenden Zwischenfaellen eine moeglichst auszergerichtliche
Loesung zu finden. (Johanna Hofinger / www.ballhausplatz.at / via MUND)
 

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