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Aussendungszeitpunkt: 30.10.2000; 17:00
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Europaeische Union:

> Schoene bunte Luftballons

Ueber die EU-Grundsaetze

In der Praeambel des Vertrags von Maastricht wurde die
Notwendigkeit der Schaffung fester Grundlagen fuer die Gestaltung
des zukuenftigen Europas hervorgehoben. Diese bestehen, wie weiter
ausgefuehrt wird, in den unionsweit anzuwendenden Grundsaetzen der
Freiheit und Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und
Grundfreiheiten sowie der Rechtstaatlichkeit. Worauf die normative
Festlegung dieser verheiszungsvoll klingenden Grundsaetze im
Vertrag von Amsterdam erfolgte. Die diversesten
Definitionsbemuehungen von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder
der Menschenrechte hatten damit zwar vehement eingesetzt, kamen
aber bis jetzt ueber wohlklingenden Empfehlungscharakter nicht
besonders hinaus - von ueberpruef- und anwendbarer Normenbildung
ganz zu schweigen.

Die feierliche Veroeffentlichung pathetischer und rechtlich nicht
sanktionierbarer "Normhuelsen" ist umso leichter nachzuvollziehen,
als den zentralistischen Gremien ein grob gestreutes
Interessenbuendel nationaler Ebenen in Form des Europarates
gegenuebersteht. Die rechtlichen Defizite konnten genueszlich
anhand der politisch etwas eigenartig verlaufenden Begruendung der
Aufhebung der Sanktionen gegenueber der oesterreichischen
Regierung beobachtet werden. Anerkannterweise beschaeftigen sich
die Gremien der Union aufgrund ihrer festgeschriebenen
Wertgrundlage der Universalitaet der Menschenrechte zunehmend mit
Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Andererseits
erfolgt die verstaerkte Aufnahme und Verarbeitung dieser
Phaenomene natuerlich aufgrund der Erwartung massiver politischer
Instabilitaet mancher Beitrittskandidaten, die in diesen Laendern
durch die bevorstehenden gewaltigen oekonomischen Umwaelzungen zu
erwarten sei. Einmal abgesehen von oekomischen Erschwernissen,
wird die beliebte Tendenz von sich vernachlaessigt fuehlenden
Bevoelkerungsgruppen, rechtspopulistisch bis rechtsextrem zu
waehlen, fuer die ganze Union zur demokratiepolitischen Gefahr.
Haider genau beobachtend, geht natuerlich die wohlbegruendete
Angst vor der Etablierung charismatischer Fuehrerfiguren um, die
eifrige und begabte Nachfolger auch in anderen Unions-Laendern
finden koennten.

Womit zwangslaeufig das politische System Oesterreichs ins Spiel
kommt. Bei aller Kritikwuerdigkeit und all den Werteverlusten der
SP, die manche mit gutem Grund als politische Verkommenheit
bezeichneten, hatte sich hier ein auf sozialpartnerschaftliche
Kommunikation beruhendes Proporzsystem entwickelt, worin zumindest
gewisse soziale Grundparameter nie radikal in Frage gestellt
worden waren. Denn diese wurden schmuseweich abgeschafft, was
medial nicht wirklich als staendiger Aufreiszer dienen konnte. Bis
zur Installation der FP-VP-Koalition. Unter dem Motto "speed
kills" wird seither dementsprechend gnadenlos gekillt. Geschossen
wird auf alles, was vor die parlamentarische Flinte kommt - im
Falle der FP sogar besonders auf die eigene Klientel, was eher die
Verwendung psychohygienischer Analysen anstatt politischer
erforderlich machen wuerde.

Die Vernichtung des politischen Systems, so fragwuerdig manche
Facetten auch gewesen waren, ist ebenso fortgeschritten wie die
Entdemokratisierung durch Ausschaltung der
sozialpartnerschaftlichen Koerperschaften. Diese Regierung
zerstoert das Sozialnetz, vernichtet die Reste von Solidaritaet
und greift offen die Medien an und in diese ein - durch andauernde
Interventionen und Verhaengung von Maulkorberlaessen bei
Sanktionsandrohungen mit immer hoeheren Klagen.
Regierungsmitglieder luegen, verleumden, bedrohen, klagen - dies
alles gedeckt durch die Karikatur eines Justizministers, durch den
die letzte Glaubwuerdigkeit in die judikative Systemsaeule
verschwunden ist. So nebenbei ist durch die Ereignisse die sowieso
schon marginalisierte oesterreichische demokratiepolitische
Softvariante soweit hinueber, dasz sie die Allermeisten nur mehr
ankotzt. Wenn es EU-intern ohne weiteres moeglich ist, dasz sich
ein politisches System derart praesentieren kann wie das
derzeitige in Oesterreich, mueszten die Beitrittskandidaten schon
Hitler persoenlich in die Regierung waehlen, um gegen die tollen
Grundsaetze von Freiheit und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
etc... verstoszen zu haben. Es sind schoene, bunte Luftballons.
*Fritz Pletzl*
 

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