*************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch mit den in der
Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright als dem unseren
sagt nichts ueber eine anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
*************************************************
Aussendungszeitpunkt: 30.10.2000; 17:00
*************************************************

Diskussionskultur:

> Sagts doch bitte: "deppat"!

Manchmal ist es schon sehr spannend, innerlinke Debatten zu lesen.
Vor allem im Gewitter von eMail-Aussendungen diverser Gruppen
donnert es gewaltig. Was beflegeln sie sich nicht alle mit
soziologieseminargeschulten Begriffen, dasz es an allen Ecken und
Enden kracht, so dasz Gespraech und Auseinandersetzung mit dem
jeweils anderen Standpunkt unmoeglich werden.

Oder glaubt irgendwer, Verstaendnis bei seinem Gegenueber zu
erzeugen, wenn dieses wegen einer nichtigen Ungenauigkeit oder gar
einer geringfuegigen Abweichungen von der eigenen Meinung gleich
mit "antisemitisch" oder "neoliberal" beschimpft wird?

Aber immer kann man nicht an sich halten, manchmal musz es einfach
raus, dasz verstehe ich ja. Doch werft dann nicht mit
hochgelehrten Vokabeln um Euch, sondern schimpft so, dasz der
Aerger auch als solcher klar wird. Denn wenn schon der Dampfkessel
am Explodieren ist, laszt den Druck doch durch geeignetere Ventile
entweichen -- sagt einfach: "Trottel!", wenn ihr der Meinung seid,
das Vis- -vis sei einer. Sagt einfach: "Der Text ist bloed", wenn
ihr das so empfindet.

Aber warum verwenden wir in unseren Debatten so selten diese
Kategorien? Ganz einfach: Weil etwas "bloed" zu finden, heiszt von
Intellektuellenhasz gepraegt und praepotent zu sein. Hingegen
etwas "antisemitisch", "rassistisch", "biologistisch" oder
"sexistisch" zu bezeichnen, jaaa, das hat etwas von
Intellektualitaet, Seriositaet, Objektivitaet, kritischer Distanz
und Sensibilitaet gegenueber der Geschichte bzw. den
Marginalisierten. Aehnlich ist es, wenn die so Beschimpften dann
mit Begriffen wie "imperialistisch", "paternalistisch",
"antikommunistisch" oder "neoliberal" zurueckschmeissen -- klingt
alles hochgebildet, wohlerzogen und fundiert. Man ist ja nicht am
Stammtisch. Am Stammtisch taete man sagen "bloed" oder "deppert".
Am elektronischen Stammtisch hingegen sind solche Ausdruecke pfui,
da musz man sich schon gepflegterer Beschimpfungen bedienen. Und
auszerdem hat das Ganze einen positiven Nebeneffekt: Man zieht
prima vista ganze Gruppen auf seine Seite. Schreit man
"sexistisch", freuen sich die Frauengruppen, schreit man
"rassistisch", freuen sich Antirassismusgruppen, und schreit man
"imperialistisch" freuen sich die Antiimps. Dann musz man sich
schon sehr patschert in der Begruendung anstellen, um die
Vorschusz-Solidaritaet oder zumindest das Verstaendnis dieser
Gruppen wieder einzubueszen.

Hingegen wenn jemand schreibt, er halte einen Standpunkt fuer
"bloed", dann musz seine Begruendung schon verdammt gut sein, wenn
er noch Verstaendnis fuer diese seine Haltung erwarten moechte.
Dann musz sich derjenige sehr anstrengen in seinem Text, er musz
klug und verstaendig formulieren und sich im Ton sehr
zuruecknehmen, will er nicht alle potentiellen Sympathien
verlieren.

Und waere es nicht schoen, wuerden sich die Kontrahenten wieder
ein bisserl mehr anstrengen? Denn davon wuerden die Debatten
sicher gehaltvoller als durch die Absonderung gebildet anmutender
Holzhammervokabeln unter Anfuegung halbseidener Begruendungen.
Bitte seid so mutig und sagt ehrlich, wenn ihr etwas "bloed"
findet und dann erklaert uns, warum ihr so empfindet. So absurd es
klingt: Mehr Praepotenz diesbezueglich kann uns vielleicht zu
faireren und verstaendnisvolleren Debatten fuehren. Wenn ihr
schimpfen wollt, dann tut es! Aber tut es nicht mit irgendwelchen
als Argument verkleideten Verbalinjurien, sondern gleich mit
richtigen Schimpfwoertern. *Bernhard Redl*
 

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1010 wien, wipplingerstrasze 23/20
kontakt: bernhard redl
vox: ++43 (0222) 535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
fax: ++43 (0222) 535-38-56
http://akin.mediaweb.at
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin