*************************************************
akin-Pressedienst.
Elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'.
Texte im akin-pd muessen aber nicht wortidentisch mit den in der
Papierausgabe veroeffentlichten sein.
Nachdruck von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten.
Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen.
Ein Nachdruck von Texten mit anderem Copyright als dem unseren
sagt nichts ueber eine anderweitige Verfuegungsberechtigung aus.
*************************************************
Aussendungszeitpunkt: 27.10.2000
*************************************************

ATTAC Oesterreich
Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmaerkte
laedt anlaesslich seiner Gruendung zur Podiumsdiskussion:

> "Globalisierung braucht Gestaltung -- Wege aus der Ohnmacht"

Die zunehmende Macht der Finanzmaerkte ist bezeichnend fuer eine Globalisierung, in der auf politische
Gestaltung weitgehend verzichtet wird. Mit "Sachzwang"-Argumenten werden bewusst Ohnmachtgefuehle
erzeugt. Demokratische Mitgestaltung scheint nicht moeglich. Zu den Themen

Wie kam es ueberhaupt zum "Diktat der Finanzmaerkte"?
Welchen Einfluss haben Finanzmaerkte auf die oesterreichische Wirtschaftspolitik?
Welche Handlungsmoeglichkeiten?

diskutieren:

Susan George, Vizepraesidentin von ATTAC Frankreich und Praesidentin des Observatoire de la
Mondialisation, Paris
Brigitte Unger, Wirtschaftsuniversitaet Wien
Stephan Schulmeister, Wirtschaftsforschungsinstitut
ProponentInnen von ATTAC Oesterreich
mit dem Publikum
Moderation: Ursula Baatz
Ausklang mit Musik und Buffet
Montag, 6.11.2000, 19h im Semper-Depot (Atelierhaus der Bildenden Kuenste) Leharg. 6, 1060 Wien

-------

Zur Einstimmung ins Thema:

> Kleine Liste der "Sachzwaenge"

Wie bestimmen die internationalen Finanzmaerkte die oesterreichische Wirtschaftspolitik?

1. Abnehmende Kapitalbesteuerung: Wenn man den Kapitalverkehr liberalisiert, ohne vorher die
Steuersaetze zu harmonisieren, flieszt das Kapital zu den Standorten mit den niedrigsten Steuern.
Vermoegen werden in Steueroasen geparkt, transnationale Konzerne deklarieren ihre Gewinne, wo sie
kaum oder keine Umsaetze machen. Durch den nachfolgenden Steuerwettlauf geht die Besteuerung von
Gewinnen und Vermoegen zurueck (Beruehmtestes Beispiel in Oesterreich: Superreiche Privatstifter zahlen
weniger Steuern als "kleine Leute").

2. Zunehmende Steuerbelastung der Arbeitseinkommen: Wenn das Kapital bei der Staatsfinanzierung
"ausfaellt", muss sich der Staat seine Einnahmen zunehmend vom [immobilen] Faktor Arbeit holen. In
Oesterreich kommen bereits 60 Prozent aller Steuern und Abgaben vom Faktor Arbeit (zum Ver-gleich:
vom Kapital kommen nur 10%).

3. Hohe Zinsen zugunsten der Geldbesitzer drosseln Konjunktur und Beschaeftigung: Im globalen
Standortwettbewerb wetteifern die Staaten um die Gunst des Anlagekapitals, zu den "Koedern" zaehlen
neben niedrigen Steuern auch hohe Zinsen. Der Nebeneffekt ist eine hausgemachte Rezession: Wenn die
Zinsen steigen, zahlen sich immer weniger Realinvestitionen (in Produktionsanlagen und
Arbeitsplaetze) aus, die Beschaeftigung sinkt, die Konjunktur flaut ab. Die Hochzinspolitik der
Europaeischen Zentralbank (EZB) hat eben diesen Effekt, und ihre Unabhaengigkeit von der Politik ist
ein Zugestaendnis an die "Beduerfnisse" der Finanzmaerkte. (Zusatz: Hohe Zinsen "haerten" den Euro.)

4. Defizit wird groeszer, Handlungsspielraum der Nationalstaaten kleiner: Hohe Zinsen treffen auch den
Staatshaushalt. Der oesterreichische Staat zahlt momentan jaehrlich 100 Milliarden Schilling an seine
Glaeubiger. Dieses Geld fehlt bei wichtigen anderen Ausgaben. Infolge steigende Realzinsen, sinkender
Kapitalbesteuerung und stagnierender Konjunktur geraet der Staat in Finanzierungsnoete. Die steigenden
Ausgaben des Sozialstaates, die zum Teil Folge dieses Problems ist (hoehere Arbeitslosigkeit), werden
zur Ursache erklaert -und die Sozialleistungen werden Stueck fuer Stueck gekuerzt.

5. Pensionen werden von der Stabilitaet der Weltwirtschaft abhaengig: Ein Teilprojekt des Rueckbaus des
Sozialstaates ist die Privatisierung der Pensionssysteme. Das Problem: Die Vorsorgegelder
verursachen auf den deregulierten Finanzmaerkten genau jene Krisen, die die Auszahlung der Pensionen
gefaehrden. Die letzten Krisen: Mexiko, Suedostasien, Russland, Brasilien.

6. Staat muss Spekulanten subventionieren: In den juengsten Krisen wurden die Spekulanten mit
Steuergeldern aus dem Schlamassel geholt. In der von US-Pensionsfonds mitverursachten Mexiko-Krise
1994 schnuerte der IWF ein 50-Milliarden-Dollar-Paket, das als versteckter "Bundeszuschuss" zur
privaten Pensionsvorsorge betrachtet werden kann.

7. Shareholder-Mentalitaet verstaerkt Druck auf den Arbeitsmarkt: Aktien werden nicht mehr gekauft, um
aus der langfristigen Gesundheit eines Unternehmens Dividenden konstant zu lukrieren, sondern um
kurzfristige Kursgewinne mitzunehmen, die unter anderem ueber niedrigere Loehne, Rationalisierungen
und Entlassungen erzielt werden. Auszerdem unterbleiben viele Investitionen, die zwar
beschaeftigungsintensiv waeren, aber keine solche Rendite abwerfen, die den Anspruechen der Aktionaere
genuegt. Konjunktur und Beschaeftigung bleiben so unter ihren Moeglichkeiten.

8. Umweltpolitik stagniert: Wenn die Staaten in Finanzierungsnoete geraten, wird auch beim
Umweltschutz gespart. Nur ein Beispiel: Die Anreizmilliarden zur Erreichung des Kyoto-Ziels fuer den
Klimaschutz sind nicht vorhanden. Die Angewohnheit der Welthandelsorganisation WTO,
Umweltschutzgesetze, die den "Freihandel" stoeren, zu kippen oder zu verhindern, fuegt sich nahtlos in
die Liste der Sachzwaenge, allerdings nicht unter dem direkten Diktat der Finanzmaerkte. (ATTAC)

ATTAC Oesterreich, Berggasse 7, 1090 Wien 0664 / 15 10 243; austria@attac.org; www.attac.org/austria
 
 
 
 

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1010 wien, wipplingerstrasze 23/20
kontakt: bernhard redl
vox: ++43 (0222) 535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
fax: ++43 (0222) 535-38-56
http://akin.mediaweb.at
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976/00, Zweck: akin