Integration/Kommentar:
> Wie ein Viehdoktor die Welt erklaert
Am 9. Oktober liesz uns Hans Nohl, Professor an der Universitaet
fuer Veterinaermedizin, via Gastkommentar in der Presse wissen,
wie das "Fremdenproblem" zu loesen sei. Unter dem Mantel der
Wissenschaftlichkeit, die durch die Nennung der Funktion des
Autors suggeriert wird, kommen jedoch rein politische Forderungen
- und zwar ziemlich seichte - zum Vorschein. Mit der
"Wissenschaftlichkeit" ist es dabei nicht weit her.
Der in der Verhaltensforschung geschulte Verstand des Toxikologen
erkennt "eine natuerliche Reaktion von gesellschaftlichen Gruppen
auf die Angst vor Verlust der eigenen traditionellen Identitaet."
Hier bin ich als Biologe wieder an einem alten Kritikpunkt an der
Medizin angelangt: In den Augen vieler Naturwissenschaftler ist
die Medizin ein Handwerk und keine Wissenschaft. In diesem Fall
beginnt die Kritik bei der Frage, was denn "traditionelle
Identitaet" ueberhaupt ist. Doch lassen wir diese Frage vorerst
beiseite, sehen sie als definiert an und wenden uns Nohls weiterer
Vorgangsweise zu. Die Feststellung der "Natuerlichkeit" der
Xenophobie fuehrt ihn nicht, wie es fuer wissenschaftliches
Vorgehen notwendig waere, zur Frage nach der Ursache und dem
moeglicherweise vorhandenen Sinn dahinter. Aber ohne diese fuer
Loesungsansaetze essentielle Frage nur zu beruehren zieht er
Schluesse. Toleranz und Assimilation sei von den Zuwanderern zu
verlangen. Was bringt Nohl zu dem Schlusz, Xenophobie wuerde dann
abnehmen? Ist denn wirklich eine andere Lebensweise deren Ursache
oder ist nicht fuer viele Menschen das Aussehen der Aufhaenger?
Und wie sollte dunkle Hautfarbe dann "assimiliert" werden? Doch
abgesehen davon: Ist Toleranz nicht sowieso das Mindestmasz, das
von jedem Menschen zu fordern ist, wenn schon niemand Akzeptanz
fordern will? Wieso kommt Nohl mit diesem Allgemeinplatz und
fordert etwas "auch" von Zuwanderern, was sowieso von jedem
einzelnen zu fordern ist? Mich erinnert das an die kindliche
Entschuldigung "aber Mama, der hat ja auch ..." - Als klassisches
Ablenkungsmanoever zur Entschuldigung eigener Unzulaenglichkeiten
der Verweis auf die Fehler von anderen.
Mit der zweiten Forderung, Assimilation, erzaehlt uns Nohl
ebenfalls nichts Neues, denn diese Forderung ist alt. Doch auch
hier haette ein wissenschaftlich geschulter Verstand erst
nachfragen muessen, wie denn diese Assimilation zu definieren sei.
Denn wenn von Fremden gefordert wird, die eigene Identitaet
zugunsten einer "ortsueblichen" abzulegen, so musz es eine
"ortsuebliche Identitaet", oder, wie Nohl es nennt, eine
"traditionelle Identitaet" geben, der man sich anpassen kann.
Gerade der Terminus "traditionelle Identitaet" aber ist hier
entlarvend. Wenn wir uns unsere heutige Gesellschaft, vor allem in
urbanen Raeumen, naemlich vor Augen fuehren, wird die Absurditaet
der Suche nach einer "ortsueblichen Identitaet" offensichtlich.
Damit geht die Forderung nach Assimilation ins Lehre. Erst das
Graben in der Vergangenheit, das hervorholen einer Tradition, kann
der Forderung Sinn geben. Und damit wird die politische Dimension
wieder deutlich, denn diese Forderung richtet sich auch gegen die
juengere angestammte Bevoelkerung, die mit dieser Tradition
genauso wenig anzufangen weisz wie Zuwanderer aus anderen
traditionellen Zusammenhaengen. Die Forderung nach Assimilation
ist also auch eine Forderung nach Gleichschaltung der "eigenen"
Bevoelkerung.
Nohl stellt eindeutig politische Forderungen, die je nach
politischer Gesinnung auf Zustimmung oder Ablehnung stoszen
moegen, gibt hier aber keineswegs einen fundierten Kommentar ab.
*Gregor Dietrich*
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