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Aussendungszeitpunkt: 17.10.2000; 16:30
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Prozesse/Schwarz-Weisz:

> Was heiszt hier "quite sure"?

Noch kein Ende des Prozesses gegen Charles Obiora C-Ik Ofoedu?
Staatsanwaltschaft akzeptiert kein Unentschieden.

Der Freitag der 13te beginnt gut. Wieder einmal muss die
Staatsanwaltschaft den Strafantrag gegen Charles einschraenken.
Die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation gemaesz Par.
278a StGB kann ihm nicht mehr vorgeworfen werden. Die Gelder, die
Charles fuer andere ueberwiesen hat, seien als Privatvermoegen der
Dealer zu betrachten. Sie waren quasi deren Erloese und seien
somit aus dem Machtbereich der kriminellen Organisation
ausgeschieden. Denn selbstverstaendlich gebe es diese kriminelle
Organsiation, meint die Staatsanwaeltin mit Nachdruck. Aufgrund
des offensichtlichen Beweisbarkeitsmangels bleiben gegen Charles
nur der Vorwurf der (wissentlichen) Geldwaescherei gemaesz Par.
165 (2) und (3) StGB sowie der Vorwurf der falschen Zeugenaussage
in einem ausgeschiedenen Parallelverfahren uebrig.

Die ZeugInneneinvernahme beginnt mit der Erklaerung von Frau P.,
dasz ein groszer Teil des Geldes auf dem Sparbuch von Charles von
ihr stamme, um das naechste Buchprojekt von Charles zu
unterstuetzen. Auszerdem habe er Subventionen von Kulturamt und
Integrationsfonds bekommen.

Die Staatsanwaeltin ist sich nicht zu bloed, Frau P. nach einem
sexuellen Verhaeltnis zu Charles zu fragen. Frau P. gibt weiters
an, Charles habe ihr auch von den Ueberweisungen erzaehlt. Sie
vermutete, das er das wohl kaum getan haette, wenn er gewuszt
haette, dass es sich dabei um Drogengelder handelte. Er habe die
Ueberweisungen eingestellt, als er festgestellt habe, dasz sein
Vertrauenn miszbraucht worden sei. Frau P. berichtete auch ueber
die Lebensumstaende von Charles. Charles habe bis zu seiner
Verhaftung ein kleines und voellig ueberfuelltes Untermietzimmer
bei einem Medizinstudenten im 20sten Bezirk bewohnt. Ueber
groeszere Geldbetraege habe er nie verfuegt. Er habe immer fuer
seine kuenstlerischen Projekte gespart. Auch die anderen
ZeugInnen, die mit ihm Kulturprojekte begonnen haben, koennen sich
v.a. an Charles' Hilfsbereitschaft sowie daran erinnern, dass er
nie Geld hatte und sie ihm nach den Treffen immer das Bier und
manchmal auch das Essen bezahlt haben. Sehr viele AfrikanerInnen
seien staendig wegen irgendwelcher Behoerdenprobleme an ihn
herangetreten. Die Verteidigung versuchte -- mit Hilfe eines
psychatrischen Gutachtens ueber Charles -- die
Vernehmungsprotokolle der Polizei und der Untersuchungsrichterin
in Zweifel zu ziehen. Das Gutachten gab aber keine Handhabe dazu.
Anschlieszend berichtet Inspektor F. von dem mehr als
fuenfstuendigen  zweiten Verhoer von Charles noch innerhalb von 48
Stunden nach seiner Verhaftung bei der Polizei, das in entspannter
Atmosphaere stattgefunden habe. Angeblich habe Charles selbst auf
einer Vernehmung in Deutsch bestanden. Dies wurde seltsamerweise
nicht im Protokoll vermerkt. Der Inspektor behauptete, dass
Charles perfekt deutsch spreche und eigentlich eh alles verstanden
habe. Ca. zur Halbzeit - also nach zweieinhalb Stunden - sei aber
dann doch eine Dolmetscherin aus dem Nebenraum zugezogen worden,
weil das den Beamten ploetzlich wichtig erschien. Auch dazu ist
nichts im Protokoll vermerkt. Inspektor F. gibt an, dass
eigentlich sein Kollege das bessere Englisch spreche, dieser sei
an der Schreibmaschine gesessen, die Aufgabe des weniger
sprachbegabten Inspektor F. war, die Fragen zu formulieren. Dabei
habe er das Protokoll von der ersten Einvernahme hergenommen und
die "Widersprueche abgeklopft". Bezueglich der fehlenden Brille
meint Inspektor F. nur, dass Charles sich das Protokoll sehr wohl
durchgelesen habe -- weil er es in richtigem Abstand vor sich
hibgelegt haette. Rechtsanwalt Fehringer verzichtete auf den
Vorhalt des speziellen Augennervenleidens von Charles, das nichts
mit Kurz- oder Weitsichtigkeit zu tun hat. Die Dolmetscherin habe
das Protokoll zum Schluss Wort fuer Wort uebersetzt. Dass Charles
angibt, er habe das Geld fuer die anderen Leute ueberwiesen, weil
diese teilweise keine entsprechenden Papiere gehabt haetten,
bezeichnete Inspektor F. als Schutzbehauptung. Es sei naemlich
laut seinen eigenen Erhebungen bei Western Union bis zu einem
Betrag von 200.000.- ATS gar nicht notwendig, einen Ausweis zu
zeigen. (Der hoechste von Charles ueberwiesene Einzelbetrag
belaeuft sich auf 96.000.- ATS). Leider wurde hier die Frage nicht
gestellt, warum Charles dann ueberhaupt seinen Ausweis bei jeder
Ueberweisung hergezeigt hat, wenn er doch gewuszt haben soll, dass
es Drogengelder waren. Inspektor B, der das Protokoll getippt hat,
antwortet auf die Fragen des Richters mit genau den gleichen
Worten wie sein Kollege vor ihm. Rechtsanwalt Fehringer bohrte nun
etwas staerker nach. Es gehe darum, ob Charles damals ausgesagt
hat, dass er zum Zeitpunkt der Ueberweisung davon wuszte, dass es
sich um Drogengeld handelt, oder ob eine unsaubere Uebersetzung
das Protokoll seine Worte falsch wiedergebe, weil er erst zum
Zeitpunkt der Einvernahme wuszte, dass es sich um Drogengeld
gehandelt hat, nicht jedoch zum Zeitpunkt der Ueberweisung. Dieser
entscheidende Unterschied scheint Inspektor B nicht beizubringen
zu sein, weshalb er drei mal seine Version wiederholt (die die
Interpretationen in beide Richtungen offenlaesst), bis der Richter
den Zeugen so interpretiert, dass Charles es zum Zeitpunkt der
Ueberweisung gewuszt hat. Damit war der Schuldspruch bezueglich
der Geldwaescherei quasi vorweggenommen. Einzig die Einvernahme
der damals zu spaet hinzugezogenen Dolmetscherin haette hier noch
was aendern koennen, aber das war nicht zu erwarten. Zunaechst war
mal Pause und der Richter kuendigte an, dass er nun den
anonymisierten Zeugen (AZ1) vernehmen wolle, natuerlich unter
Ausschluss der Oeffentlichkeit. Der Verhandlungssaal wurde
groszraeumig abgeschirmt. Das Publikum musste sich am Gang hinter
eine Glastuere zurueckziehen und ausserdem wurde die Verhandlung
in ein anderes Stockwerk verlegt.

Nach ca. 45 Minuten versammelten sich alle wieder im Saal 106. Nun
wurden Charles die Aussagen des AZ1 (Anonymisierter Zeuge 1)
vorgehalten. Charles habe im China-Restaurant "Willkommen" immer
an einem Cheftisch gesessen und Instruktionen erteilt, wie zum
Beispiel die Omofuma-Demonstration organisiert. Er sei meistens
den ganzen Tag dortgewesen. Mit Drogen habe er ihn nie gesehen und
er sei auch nie mit einem der Dealer aufs WC gegangen. Aber er
habe Gelder uebernommen und unter dem Tisch gezaehlt, sodass
niemand sehen konnte, wieviel es war. Jedenfalls habe er eine
fuehrende Rolle in der Organisation gespielt. Offenbar ist diese
Aussage selbst der Staatsanwaeltin zu duenn, weil sie es nicht auf
sich nimmt, den Strafantrag wieder auf organisierte Kriminalitaet
auszudehnen.

Charles reagiert auf Vorhalt dieser Aussagen etwas ungehalten und
beschwert sich darueber, dass er den AZ1 nicht sehen durfte. Dies
sei einer zivilisierten Gesellschaft nicht wuerdig. Er beschwert
sich auszerdem, dass ihm bei der Vernehmung die Aeuszerungen des
Dialekt sprechenden Inspektors nicht uebersetzt worden seien.
Rechtsanwalt Fehringer geht mit Verweis auf die
Videoueberwachungen des Chinarestaurants kurz auf die Aussagen des
AZ1 ein: Erstens haette Charles dann oefter auf den
Videoaufzeichnungen zu sehen sein muessen und auch die
Gelduebergaben waeren zu sehen gewesen.

Nach einer weiteren Pause wird die Dolmetscherin vernommen, die
bei der Uebersetzung des entscheidenden zweiten
Vernehmungsprotokolls bei der Polizei mitgewirkt hat. Sie gibt an,
dass sie prinzipiell wortwoertlich uebersetzt und reagiert
ziemlich sauer, als der Rechtsanwalt sie fragt, wie sie die
entscheidende Passage mit der Wissentlichkeit uebersetzt hat. Sie
sei nicht hier, um sich nochmal in Englisch pruefen zu lassen.
Dann versucht sie, ihre in Zweifel gezogene Kompetenz dadurch zu
demonstrieren, indem sie die neben dem Richter sitzende
Dolmetscherin der Hauptverhandlung korrigiert. Diese wiederum
laesst sich das nicht gefallen, was zu einem heftigen Streit ueber
die Uebersetzung von "quite sure" ausartet; zweifelsfrei der
komische Hoehepunkt der Hauptverhandlung. Die Polizeidolmetscherin
ist ganz offensichtlich mit gewissen Feinheiten der englischen
Sprache nicht vertraut. Anstatt aber das von seiner Dolmetscherin
geworfene Hoelzchen aufzugreifen, beendet der Richter nur das
Geplaenkel und signalisiert damit, dass ihn auch ein
Uebersetzungsfehler nicht von seiner Meinung abbringen wird, dass
Charles zum Zeitpunkt der Ueberweisungen gewuszt hat, dass es sich
um Drogengelder handelt. Im Schluszplaedoyer der
Staatsanwaltschaft wird dann noch auf den Vorwurf einer falschen
Beweisaussage im Parallelverfahren gegen Robinson E. eingegangen.
Der Verteidiger plaediert diesbezueglich auf Aussagenotstand.

Das Urteil: Schuldspruch bezueglich der Geldwaescherei: 10 Monate
bedingt, auf 3 Jahre zur Bewaehrung ausgesetzt. 10.000.- ATS
werden von Charles Sparbuch einbehalten, da ueber den Daumen
geschaetzt wird, dass er in dieser Hoehe Zuwendungen fuer die
Ueberweisungen erhalten hat. Freispruch bezueglich Falschaussage
wegen "faktischem Aussagenotstand entgegen dem Buchstaben des
Gesetzes". Hier leistet sich der Richter ein erfreuliches
Gustostueckerl. Er kritisiert die Technik der Ausscheidung von
Verfahren und die darauffolgende Einvernahme der Beschuldigten als
ZeugInnen. Er verteidigt das Recht der Beschuldigten,sich zu
verantworten, wie sie wollen, auch wenn sie im technischen Sinne
ZeugInnen sind. Ebenfalls Freispruch bezueglich der verwahrten
Sparbuecher. Charles bekommt 3 Tage Bedenkzeit, ob er das Urteil
annehmen will. Bei einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren
bewegt sich das Urteil am unteren Limit. Was besseres wuerde auch
in der Instanz nicht herausschauen, zumal die Beweiswuerdigung des
Erstrichters dort nicht umzustossen sein wird. Leider hat das
Urteil die Konsequenz, dass die Aufenthaltsberechtigung von
Charles nicht verlaengert werden wird. Die Sorge wegen einer
sofortigen Abschiebung wird uns jedoch von der Staatsanwaeltin
abgenommen, die sofort volle Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde
gegen das Urteil ankuendigt. Wenn dies von der Oberinstanz nicht
als unbegruendet abgewiesen wird, dann wird es in 4 bis 6 Monaten
die naechste Runde geben.

Und die Moral von der Geschicht: Bei der Polizei nix
unterschreiben und nie mehr sagen als Name, Geburtsdatum,
Meldeadresse. Zu mehr gibts keine Verpflichtung, basta!

*Plattform "Fuer eine Welt ohne Rassismus" / via MUND / gek.*
 

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