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Aussendungszeitpunkt: 3.10.2000; 21:00
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Israel:

> Gleiche Nationalitaet fuer alle?

Abgesehen von den derzeit wieder virulenten physischen
Auseinandersetzungen zwischen Isrealis und Palaestinensern tut
sich auch sonst einiges im Staat Israel. Manches davon ist
erfreulicher. Ein Bericht aus der IPS:

Der Staat Israel baut auf der Praemisse auf, dass Juden eine
Nationalitaet und nicht nur eine Religionsgemeinschaft darstellen.
Dem formalen Ausdruck dieses heiligen Prinzips soll es nun an den
Kragen gehen.

Denn als ersten Schritt in Richtung "saekularer Revolution", wie
sie Premierminister Ehud Barak anstrebt, hat Innenminister Haim
Ramon bekannt gegeben, den traditionellen Vermerk in den
Personalausweisen israelischer Buerger, welcher Ethnie sie
angehoeren, abzuschaffen.

Der besondere Eintrag erlaubte die rasche Unterscheidung zwischen
Juden und Arabern. In der Praxis hat diese besondere Kennzeichnung
der nichtjuedischen Bevoelkerung eine Benachteiligung insbesondere
der arabischen Israelis zur Folge.

"Die Nationalitaet zu spezifizieren widerspricht den Prinzipien
eines demokratischen Landes, in dem alle Buerger gleich sein
sollten", sagte Ramon. "Dadurch kommt es zu einer Unterteilung
zwischen Menschen erster und Menschen zweiter Klasse."

Waehrend der Staat die juedischen Buerger einer einzigen Kategorie
zuordnet, werden Nichtjuden in ethnische Gruppen wie Araber,
Drusen und Tscherkessen unterteilt. Diese historische
Unterscheidung diente vor allem dazu, dass die Minderheiten klein
und politisch unbedeutend blieben.

Die angestrebte Aenderung ist eine von mehreren Neuerungen, mit
denen die Regierung Barak offensichtlich auf Stimmenfang fuer die
in den kommenden Monaten erwarteten Wahlen gehen will. Geplant ist
auch, das unpopulaere Ministerium fuer religioese Angelegenheiten
zu schlieszen, der nationalen Fluggesellschaft 'El Al' eine
Fluggenehmigung fuer den juedischen Sabbat zu erteilen und den
ultra- orthodoxen Rabbinern das alleinige Recht zu entziehen,
israelische Juden zu verheiraten und zu scheiden.

Die Entscheidung ueber die Abschaffung des Religionsvermerks in
den Personalausweisen muss durch ein Komitee der Knesset getroffen
werden. Erwartet wird, dass der parlamentarische Ausschuss gruenes
Licht geben wird.

Anders als in Griechenland, wo die Griechisch-orthodoxe Kirche
eine erbitterte Kampagne gegen die Eliminierung des Vermerks ueber
die religioese Zugehoerigkeit in den Personalausweisen gefuehrt
hat, faellt der Widerstand der israelischen Rabbis moderat aus.
Diese machen sich mehr Sorgen ueber die anderen Aspekte der
"saekularen Revolution".

"Ein Personalausweis an sich ist nichts Heiliges", sagt dazu Rabbi
Avraham Ravitz von der Juedischen Tora-Partei, der dem Knesset-
Komitee angehoert. "Die Frage ist, in welchem Kontext dieser
Wandel steht." Ravitz will versuchen, eine Entscheidung des
Komitees hinauszuzoegern. Es duerfe bei niemandem der Eindruck
entstehen, dass Israel nicht laenger ein juedischer Staat sei,
betont er.

Nationalistische Hardliner hingegen sehen in dem Vorstosz den
symbolischen Abschied von zionistischen Prinzipien. "Die
Abschaffung des Vermerks ueber die ethnische Zugehoerigkeit wird
kaum dazu beitragen, dass sich die komplexen Beziehungen zwischen
israelischen Buergern verbessern", meint Tzipi Livne, ein Mitglied
der Likud-Partei in der Knesset. "Wohl aber koennte sie der Beginn
eines Prozesses sein, in dessen Verlauf Israel seine Identitaet
als Staat einbueszt."

Der Wandel vom Zionismus in einen zusammenhaengenden Staat hat
sich im letzten Jahrhundert in der Wiederbelebung der hebraeischen
Sprache, die Rueckbesinnung auf eine juedische Heimat in
biblischen Zeiten und der Einladung an alle Juden der Welt
manifestiert, in einem israelischen Staat zu leben.

Politische Beobachter sind der Meinung, dass es Barak mit seinen
Aenderungen weniger um eine bessere Verstaendigung zwischen
Arabern und Israelis geht. Fest steht schon jetzt, dass die
Zuordnung der arabischen Buerger Israels in Ethnien im nationalen
Bevoelkerungsregister bestehen bleibt.

Die Regierung Barak hat im Juli die Mehrheit in der Knesset
verloren. Da der Premierminister bei den Gipfelgespraechen in Camp
David mit den Palaestinensern keinen Durchbruch erzielen konnte,
ging er in die Offensive und enthuellte sein Plaene von der
"saekularen Revolution". Sein Anschlag auf die Kategorisierung der
Buerger wird als ein Wink an die 250.000 Einwanderer aus der
ehemaligen Sowjetunion verstanden. Da diese nicht nachweisen
koennen, dass sie von einer juedischen Mutter abstammen, werden
sie von orthodoxen Juden nicht als Juden anerkannt.

Die Immigranten wurden in ihren Personalausweisen deshalb als
'Georgier' oder 'Usbeken' bezeichnet, wodurch der Eindruck
entsteht, als seien sie Auslaender im juedischen Staat. "Barak
will den Russen nun signalisieren, dass er es ernst (mit ihnen)
meint", sagt dazu Leslie Susser, ein Analyst fuer diplomatische
Beziehungen beim Jerusalemer Magazin Report.

Auf Zustimmung stoeszt die Abschaffung des ethnischen
'Brandzeichens' in den Personalausweisen bei den Arabern. So lobt
der arabische Abgeordnete Taleb al-Sanaa den Vorstosz Baraks als
einen wichtigen Schritt, Israel in ein "ausgeglichenes und
normales Land" zu verwandeln. "Ich hoffe, dass die Diskriminierung
von Seiten der Regierung aufhoert und die Beziehungen zu allen
Buergern normalisiert werden." (Ben Lynfield, im September, IPS)
 
 

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